KOH SAMUI: Thailands drittgrößte Ferieninsel im Golf von Siam. Thailands erste Hippie-Insel und eine Weltmarke. Thailands exotische Zauberwelt, die seit 30 Jahren Hunderte zum Auswandern animiert hat. Thailands Urlaubsmagnet, der neben Phuket die meisten Touristen anlockt. Ist UNSERE Heimatinsel Koh Samui noch eine Reise wert? FARANG-Autor Sam Gruber, seit 17 Jahren Resident, bricht eine Lanze für das vielgeliebte und auch gescholtene Ferienparadies.
Als ich Ende der 80iger Jahre erstmals nach Koh Samui reiste, bahnte sich im verschlafenen Strandort Lamai bereits die Neuzeit an. Obwohl die holprige Sandstraße und zusammengezimmerte Hütten noch karibischen Charme versprühten, entstanden unübersehbar die ersten Touristen-Vorposten. Jeep- und Mopedverleih, Wäscherei, Kontaktstelle für den Eingang von Post und Telegrammen: Das „Flamingo“ war die erste Kompaktzentrale für Urlauber der Nach-Hippiegeneration. Schon damals wusste der clevere Betreiber, was die „Farangs“ neben idyllischen Sandstränden und einem Bad in den damals verwaisten Wellen brauchten.
Mit Wehmut an die gute alte Zeit
Die nächste Welle rollte wenige Jahre später an und sie war die Vorhut des nicht zu bändigenden Massentourismus. In der legendären Openair-Discothek „Bauhaus“ tanzten bis in die frühen Morgenstunden leichtlebige Thaimädchen neben liebeslustigen Europäern. Auch das „Mix Pub“, unweit des heutigen McDonald‘s-Restaurants, galt als sehr spezielles Nachtlokal, in dem bei diffusem Licht schon mal Weiblein und Männlein verwechselt werden konnten. Streit gab es selten und Gewalt noch seltener. Die Exotik des Lebens brannte angenehm auf der Haut.
Das Nachtleben brummte. Sperrstunden verdienten ihren Namen nicht. Beizeiten half die Polizei gefallenen Nacht(b)engeln wieder aufs Moped, wenn diese im Licht des Mondscheins glückstrunken von ihren Rollern fielen. Verkehrsunfälle endeten selten fatal, meistens nur mit heute noch berühmten „Samui-Tattoos“, den klassischen Schürfwunden oder Verbrennungen von Waden an glühenden Zweirad-Auspuffrohren.
Als die lokalen Familien Mitte der 90iger Jahre den Erfolg europäischer Auswanderer registrierten, beschlossen sie das Unternehmen Tourismus in Lamai selbst in die Hand zu nehmen. Mit irrwitzigen Mietpreiserhöhungen und dem kautionsähnlichen „Key Money“ vertrieben sie die Multikulti-Bars und Restaurants. Im damals noch zweitrangigen Badeort Chaweng drehten Inselgrößen ebenfalls den Spieß um und katapultierten das Rucksack- und Individual-Paradies in ein rein kommerzielles Zeitalter. Das ging so schnell, dass der nächste Boom Koh Samuis nach dem 2004-Tsunami an Thailands Westküste als Beschleunigungsfaktor kaum mehr wahrgenommen wurde.
Seither weinen altgediente Touristen der 80iger und 90iger Jahre der verlorenen Traumwelt nach. Sie gehen in Internetforen und sozialen Netzwerken hart mit Koh Samui ins Gericht: „Müllhalde, Abzocker-Insel, Ballermann, Verkehrswahnsinn.“ Selbst wenn manches davon in manchen Bereichen manche Wahrheit widergibt – es klingt auch latente Platzhirsch-Schlaumeierei durch und unüberhörbares Anspruchs-Balzen: „Was haben die bloß mit meiner Insel gemacht?“
Kurze Wege zu den schönsten Stränden
Die Karawane ließ sich nie aufhalten, schon gar nicht in den Sahnegebieten südlicher Inselwelten. Wem es nicht gefällt, neben lebhaften internationalen Jugendgruppen zu urlauben, wer Russen und Chinesen als Touristen-Apokalypse sieht, wer Probleme mit Veränderung hat, der wird sich nicht mehr tiefentspannt wohlfühlen auf Koh Samui. Muss man die Insel deshalb öffentlich schmähen und sie voller Abscheu entsorgen wie eine treulose Ex-Geliebte?
Ganz fair erscheint das nicht. Nach 17 Jahren auf Koh Samui, in denen ich viele Veränderungen miterlebt habe, schlägt mein Herz weiter für meine Wahlheimat. Ich kenne keinen Ort in Thailand, an dem ich nach kürzester Fahrt so schöne und lange Sandstrände finden kann. Wer Chawengs brodelndes Beachleben nicht mag – na und? In 15 Minuten erreicht jeder mit einem Leihwagen oder Automatikroller den Maenam- oder Lamai Beach. Selbst in der Topsaison findet sich unter schattigen Palmen so viel Platz wie in keinem Freibad Europas oder an kaum einem Strand Spaniens oder Italiens.
Weit unter fünf Euro gibt es hervorragendes Thaiessen. Schwer beladene Strandhändler balancieren frische Früchte unter unseren sonnengebräunten Nasen vorbei. Die Infrastruktur mit kleinen Restaurants und Bars ist auf Koh Samui einzigartig. Die spitzzüngig als Muffel-Thais gescholtenen Touristenschrecks sind eine Randerscheinung. Für überschaubares Geld findet im Grunde jeder, was er will. Urlaubsspaß bei tropischen Temperaturen mehr als 300 Tage im Jahr hat auch auf Koh Samui noch etwas.
Stammgäste kommen jedes Jahr wieder
Ohne Beschönigung, der Verkehr auf Koh Samui ist ein Schönheitsfehler. Keine Frage, die Tarife der Taxifahrer sind unverschämt wie ihr Benehmen. Aber: Fahre ich den gesamten Urlaub mit dem Taxi um die Insel oder gönne ich mir dort Lebensfreude, wo ich eigentlich hin wollte? „Geile“ Strände, lässige Gastronomie, die wunderschöne Bergwelt Koh Samuis und ein heute welttaugliches internationales Warenangebot.
Fazit: „Meine Insel“ hat sich verändert. Werde ich sie meiden und schlecht reden? - Nein, ich liebe Koh Samui und habe gelernt, mich mit zu verändern. Und wenn meine Stammgäste nach all den Jahren sagen, dass sie nächstes Jahr wiederkommen wollen, verstehe ich warum.