Wenn die Hoden von den Bäumen hängen…

An einem Tag männlich, am nächsten dann weiblich und auch umgekehrt

Nur frische Avocado-Kerne können überhaupt keimen, sie sollten halbwegs aus der feuchten Erde ragen.
Nur frische Avocado-Kerne können überhaupt keimen, sie sollten halbwegs aus der feuchten Erde ragen.

Ein ziemliches Durcheinander herrscht da wieder einmal im Garten: Die Blüten dieses Baumes machen den Ladyboys in der „Walking Street“ wahrlich Konkurrenz, nein, sie überflügeln sie in Sachen sexueller Ambivalenz sogar ganz, ganz deutlich…

Unreife Avocados in Zeitungspapier packen.
Unreife Avocados in Zeitungspapier packen.

Den Namen „Aligatorbirne“ für Avocado hatte ich bislang noch nie gehört, aber er passt irgendwie. Bis zu 15 Meter hoch können die AvocadoBäume werden, die ursprünglich aus Mexiko stammen. Die „Persea americana Mill“ gehört zur Familie der Lorbeergewächse und der Name Avocado geht auf das indianische Wort „ahuacatl“ zurück, was „Hoden“ bedeutet, deshalb hängen in diesem Beitrag die Bäume gewissermaßen voller Hoden. Doch nicht nur deswegen treibt es dem interessierten Avocado-Forscher dann und wann die Schamesröte ins Gesicht, denn wie wir gleich sehen werden, ist diese skandalöse Folge der Gartengeschichten wirklich „hardcore“.

Neue Pflanzen aus Kernen ziehen

Avocados treiben wilde, verwirrende Blüten.
Avocados treiben wilde, verwirrende Blüten.

In Nong Khai habe ich einen aus einem Kern gezogenen Avocado-Baum, der nach rund acht Jahren erstmals Früchte trug, und zwar gleich 70 Stück. Doch seither sind drei Jahre vergangen und keine einzige Frucht hat sich gebildet, obwohl der Baum jeweils im Januar und Februar ganz heftig geblüht hat. Das ist häufig der Fall bei Avocados, die aus Kernen gezogen wurden: Vielleicht tragen sie nie, oder sie haben schlechte Früchte, vielleicht viele oder wenige, alles ist möglich.

Mehr Erfolg verspricht die Methode, aus einem AvocadoKern eine Unterlage zu ziehen und dann die gewünschte Sorte aufzupfropfen. In der Vergangenheit haben wir solche veredelten Pflanzen von Spezialisten gekauft, aber jetzt will ich das selber probieren.

Dieser Kern hat, wie gewünscht, gekeimt.
Dieser Kern hat, wie gewünscht, gekeimt.

Ich kaufe deshalb bei Makro die relativ günstigen Thai-Avocados, die nicht einer bestimmten Sorte angehören. Da die meisten noch hart (unreif) sind, wickle ich sie in Zeitungspapier ein, bis sie weich und somit reif sind.

Aus dem grünen Fruchtfleisch bereite ich „Guacamole“, einen Avocado-Dip, indem ich Zitronensaft, gehackte Zwiebeln, gepressten Knoblauch und allerlei Gewürze zugebe. Das schmeckt zusammen mit Mais-Chips oder Gemüse.

Kopf abschneiden, einen neuen setzen

Am besten wachsen neue Pflanzen aus Avocado-Kernen, wenn diese halb eingegraben werden, so dass die untere Hälfte in der feuchten Erde, die andere Hälfte an der Luft liegt. Bald schon keimen sie und falls es mehrere Triebe gibt, nur einen wachsen lassen. Ungefähr im Dezember oder Januar, wenn sich an den reifen Bäumen die Knospen bilden, werden die Unterlagen geköpft und es wird ihm ein Ästlein der gewünschten Sorte aufgesetzt. Am besten setzt man die derart drangsalierte Pflanze unter eine großen Plastiktüte, um die Feuchtigkeit zurückzuhalten, was die Überlebenschancen deutlich erhöht.

Hier ist der neue „Kopf“ bereits gut angewachsen.
Hier ist der neue „Kopf“ bereits gut angewachsen.

Leider ist die Ausfallquote sehr hoch, weshalb die veredelten Avocados, die bereits zwei Jahre oder älter sind, stolze Preise erzielen. Und kommen sie endlich in den Boden, können die sehr flachen Wurzeln sich entfalten und der Baum schießt in die Höhe.

Derart veredelte Bäume bekommen nun bereits Blüten und können ganz rasch Früchte tragen. Und diese Blüten haben es wirklich in sich: Typ A hat am Morgen männliche Blüten und am Nachmittag des nächsten Tages verwandeln sich diese in weibliche Blüten. Typ B funktioniert genau umgekehrt. Es ist deshalb ratsam, beide Avocado-Typen zu pflanzen, was die Produktivität erhöht.

Wie man sieht, kann dieses unglaubliche sexuelle Durcheinander sehr positive Folgen haben.

Hans Fritschi, Jahrgang 1957, ist ehemaliger Journalist und Buchautor, er lebt seit 1991 in Thailand. Mehrere Monate des Jahres reist er in der Welt herum, den Rest verbringt der Hobbygärtner in Pattaya und Nong Khai. Falls Sie Fragen und Anregungen an unseren Gartenkolumnisten haben, oder seinen Garten mal anschauen möchten, schicken Sie ihm eine E-Mail: hansfritschi1957@gmail.com oder besuchen Sie seine Webseite: www.discovery-garden.net.

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