«Wegweisendes Urteil»: Flughafenausbau Wien wegen Klimaschutzes gestoppt

Foto: epa/Christian Bruna
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WIEN (dpa) - Der Schock sitzt tief. «Es ist beispiellos, sich ein Projekt herauszupicken und zu sagen, das ist jetzt verantwortlich für die österreichischen Klimaschutzverpflichtungen». Flughafen-Vorstand Günther Ofner sieht nach dem Urteil des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts die Wachstumschancen des Airports Wien-Schwechat bedroht. Die Richter haben den Bau einer dritten Start- und Landebahn mit dem Hinweis verboten, dass so ein Vorhaben den Ausstoß von Treibhausgasen erhöhen und damit den Klimawandel fördern würde.

Zehn Jahre hat der Flughafen um die 3,7 Kilometer lange Piste gekämpft, er wollte damit seine Kapazität von jetzt 23 Millionen Passagieren pro Jahr auf 37 Millionen im Jahr 2025 steigern können.

Das «Nein» ist aus Sicht von Wirtschaft und Arbeitnehmern ein herber Schlag. Pro eine Million Passagiere gehe man von rund 1.000 neuen Jobs aus, rechnet der Betriebsrat des Flughafens vor und kündigt zugleich Proteste an. «Wir werden nicht zulassen, dass unsere Arbeitsplätze nach Bratislava oder München exportiert werden. Das wäre ein Diebstahl Zehntausender Arbeitsplätze», so Betriebsratschef Thomas Faulhuber. Aktuell sind am Airport, der 2017 mit einem Umsatz von mehr als 740 Millionen Euro rechnet, 20.000 Menschen beschäftigt, weitere 40.000 arbeiten in Zulieferbetrieben.

Für ein «wegweisendes Urteil» hält die Chefin des Instituts für Umweltrecht der Universität Linz, Erika Wagner, den Richterspruch. Noch nie sei ein Projekt mit Hinweis auf den Klimaschutz untersagt worden. «Ehrlich gesagt hat man in der Umweltwissenschaft schon lange auf diesen Schritt gewartet», sagte sie der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Laut Gericht sieht das Klimaschutzgesetz vor, den Treibhausgasausstoß des Verkehrssektors in Österreich bis 2020 um 2,25 Prozent zu senken. Mit dem Bau und Betrieb der dritten Piste würde aber der Ausstoß Österreichs um 1,79 Prozent bis 2,02 Prozent steigen.

«Leider ist die österreichische Energie- und Klimapolitik viel besser im Ankündigen als im Umsetzen», sagt dazu der Klima-Experte der Naturschutzorganisation WWF, Karl Schellmann. Die Alpenrepublik habe als einer der ersten Staaten der EU das Pariser Klimaschutzabkommen im Parlament ratifiziert, aber die Emissionsbilanzen zeigten, dass die reale Politik nicht einmal die bis 2020 gesteckten Ziele erreichen werde.

Aus Sicht des Flughafens hat er dennoch unverdient den «Schwarzen Peter». Es sei gelungen, in den vergangenen Jahren durch Hunderte kleiner Maßnahmen den CO2-Ausstoß (ohne Flugbetrieb) um 20 Prozent zu senken, so Flughafen-Vorstand Ofner. Obendrein habe die internationale Luftfahrtvereinigung IATA versprochen, dass in der Luftfahrt ab 2025 schrittweise der Ausstoß von Treibhausgasen zurückgehen werde.

Das Gericht hatte seiner Entscheidung das gängige düstere Szenario des Klimawandels zugrunde gelegt. «Es kommt bei Nichteinhaltung der Reduktionsziele zu beträchtlichen Eigentumswertminderungen, zum Verlust von Arbeitsplätzen, insbesondere im Bereich des Tourismus und der Land- und Forstwirtschaft, zu Hochwasserkatastrophen sowie einer drastischen Zunahme von schweren Hitzetagen», heißt es in der 128-seitigen Urteilsbegründung, die auch den Verlust von Ackerland kritisiert. Unter dieser Voraussetzung überwiege das öffentliche Interesse am Verbot des Pistenbaus, auch wenn erwägenswerte wirtschaftliche Aspekte im Raum stünden.

«Wenn man das ernst nimmt, heißt das, auch unter dem Gesichtspunkt Bodenverbrauch, es darf kein neues Haus gebaut werden, es darf keine zusätzliche Straße gebaut werden und es darf auf keinen Fall eine zusätzliche Betriebsanlage gebaut werden», kritisiert Ofner. Der Flughafen Wien will alle möglichen Rechtsmittel gegen das Urteil ergreifen.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Johann Riedlberger 14.02.17 14:22
Ein gutes Urteil
Denn erst der wirtschaftliche Niedergang wird die Wähler dazu bringen, sich mit der äusserst dünnen Faktenlage zum Klimawandel zu beschäftigen.