Warum ich immer noch in Thailand lebe

Ein Rückblick ohne Zorn, aber mit unvergessenen, schönen Erlebnissen

Oft nutze ich den Sonnenuntergang am Strand, um Erlebtes in über zwei Jahrzehnten Thailand Revue passieren zu lassen. Foto: Bj
Oft nutze ich den Sonnenuntergang am Strand, um Erlebtes in über zwei Jahrzehnten Thailand Revue passieren zu lassen. Foto: Bj

THAILAND: Um es gleich klarzustellen. Thailand ist kein Paradies, vielmehr ein Land mit Ecken und Kanten. Touristen mögen das anders sehen. Wenn sie an den Stränden in Krabi baden, wenn sie im Black Mountain Golf Club in Hua Hin abschlagen, wenn sie vor den Similan-Inseln tauchen, im Isaan Homestay erleben oder wenn sie eine männliche oder weibliche Begleitung für die schöns­ten Wochen des Jahres gefunden haben. 

Rückblende: Ich saß auf der Terrasse meines Bungalows und schrieb den ersten Brief nach Hause. Strahlender Sonnenschein, kein Wölkchen am Himmel, weit über 30 Grad. Eigentlich, so berichtete ich weiter, brauche ich hier nur ein T-Shirt, eine kurze Hose und Sandalen. Heute, über zwei Jahrzehnte später, nervt mich die Hitze schon, vor allem in den Monaten März bis Juni. Wenn wieder einmal ein Schweißausbruch den nächsten jagt, erinnere ich mich an einen deutschen Physiotherapeuten. „In Thailand ist die Wärme wie eine ständige Fangopackung“, machte er seinen Patienten Mut. Weniger Rückenschmerzen, erträgliches Rheuma – das oftmals kalt-nasse Klima in Deutschland hätte mich sicher mehr getroffen.

Eine Massage mit Kräuter-Essenzen

Wellness steht bei mir hoch im Kurs. Sauna, Schwimmen, Massage. Es müssen aber nicht die großen Spas mit einer Ganzkörperbehandlung für mehrere Tausend Baht sein. Anstatt einer Luxus-Entspannung suche ich jede Woche eine erfahrene Masseurin auf, für eine Auszeit vom Alltag, und hin und wieder eine Behandlung mit wohltuenden Kräuter-Essenzen zu einem erschwinglichen Preis.

Erschwinglich ist in meinem gelobten Land neben dem schmackhaften, variantenreichen Angebot an thailändischen Speisen (es muss nicht immer die scharfe Garnelensuppe Tom Yam Goong sein) das Reisen. Busse, Eisenbahn und Flugzeuge haben uns für wenig Geld zu unseren Zielen gebracht.

Wir entdeckten unsere Lieblingsinsel Koh Chang, als dort noch keine Autofähre fuhr und die Inselstraße fast ausschließlich aus Schotter oder aus einer roten, staubigen Piste bestand. Unvergesslich bleiben die Fahrt mit einem Bambusfloß auf dem River Kwai in Kanchanaburi, Kurzurlaube im beschaulichen Hua Hin mit zwei königlichen Palästen und nicht überfüllten Stränden nahe der Stadt sowie der Ausblick von Thailands höchstem Berg bei Chiang Mai, dem Doi Inthanon mit 2.565 Metern. Nicht ausgeklammert haben wir geschichtsträchtige Ruinen in den alten Königsstädten Ayutthaya und Sukhothai, weiter in Pimai und Buriram. Wir zählten zu den Ersten, die vor Jahren beim Start der Billigairlines einen preiswerten Flugschein buchten und von Don Mueang nach Chiang Mai düsten.

Als humorlos und pingelig verschrien

Stammtische habe ich gemieden; die dort verbreiteten Klischees, die Pöbeleien gegen jedermann, das endlose Geschwafel und die ständige Meckerei über Thailand und die Thais. Residenten, aber auch Urlauber, neigen dazu, auf ihre Rechte zu pochen, empört herumzulaufen. Wen wundert es, dass sie damit nicht weit kommen, dass sie bei Thais als humorlos und pingelig verschrien sind.

Ich habe in Thailand kein Stück Deutschland gesucht, vielmehr versucht, Land und Leute nicht aus der deutschen Perspektive zu sehen und zu bewerten. Das fällt allerdings schwer. Denn hier gibt es vieles zu kritisieren. Doch wir Ausländer können die Mentalität der Thais nicht ändern, die total anders als wir denken und handeln.

Wer Thais mit Respekt und Toleranz begegnet, trifft auf freundliche, gastfreundliche  und hilfsbereite Menschen. Ich erinnere mich an einen älteren Mann, der an meinem Auto einen Reifen wechselte und partout keinen Tip annehmen wollte. An eine Frau, die mir beim Finanzamt eine halbe Stunde zur Seite stand. An einen jungen Autofahrer, der nach einem nicht von mir verschuldeten Verkehrsunfall als Zeuge so lange wartete, bis seine Aussage protokolliert war.

Den Lebensabend begleitet verbringen

Ins Grübeln komme ich beim Besuch der großen Einkaufszentren unserer Stadt. Ich sehe ältere Ausländer, die von ihrer jüngeren Thai gestützt werden, die sich nur mit einer Gehhilfe oder einem Rollstuhl fortbewegen. Thailand ein Paradies für Senioren? Weniger, aber ein Ziel, den letzten Lebensabschnitt zufrieden und begleitet zu verbringen. Meine thailändische Frau und die Kinder werden sich später einmal verantwortungsvoll um mich kümmern. Mir bleibt die Einweisung in eines dieser unpersönlichen Alten- und Pflegeheime ohne Lebenswärme erspart.

Quelle: Ein Auswanderer

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Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:13
Warum ich immer noch.......
Besten Dank für Ihre Klarstellung, dass Thailand kein Paradies ist,mir aber die vielen Kanten und Ecken lästig werden.Ich werde nächstes Jahr, nach einem Vierteljahrhundert in amazing Thailand, dieses Abenteuer beendigen und nach Costa Rica weiterziehen.Bei mir waren es mehr die Sonnenaufgänge,da begab ich mich in weiblicher Begleitung nach Hause und genoss das Liebesleben, das ich mir im Nachtleben aufgegabelt habe.Das waren die schönsten Erlebnisse und natürlich die" reichen" Erfahrun-gen, die ich in 60 Provinzen dieses Schwellenlandes bereist habe, gesammelt habe und mir die Augen geöffnet haben. Die schlechten Eindrücke kamen meistens von Farangs aus deutschprachigen Ländern, die im Koffer die Vergangenheit nach Thailand schleppten und ihr "Füdlibürgertum" ausbreiteten.Aber trotz allem,für mich 25 Jahre gelebte Zeit, wo andere nur gewohnt haben!
Volker Picard 01.09.15 13:00
Das schöne Thailand,
für mich nach einem traurigem Ende in Deutschland wirklich schön. Zu diesen Empfindungen gehört natürlich auch eine positive Grundeinstellung zum Leben. Wenn diese positive Grundeinstellung nicht vorhanden ist, kann man auf dieser Welt überall Mängel und Probleme feststellen, denken wir nur an Afrika, Südamerika oder auch an die ganzen Wirren in Europa. Hier sind viele Menschen sehr freundlich, das Leben ist unkompliziert und wer Glück hat, pflegt gute soziale Kontakte. Wer "untergeht", dem kann man leider oft nicht helfen, wer "naiv" ist und alles glaubt, Pech gehabt. Also, erst mal die eigene Grundeinstellung pflegen, schwierige Zeiten kommen oft schneller, als man denkt.