Von Aufbruch und Wandel

Von Aufbruch und Wandel

Zum ersten Mal wurde die frühere Volkspartei CDU in Deutschland von einer Protestpartei gedeckelt. Die AfD wurde in Mecklenburg-Vorpommern nach der SPD zur zweitstärksten Partei, und die Grünen und die FDP sind nicht mehr dabei.

Errungen hat die AfD diesen Platz ausschließlich dadurch, dass sie gegen Flüchtlinge und sogenannten Asylantenmissbrauch „agitierte“. Diesen Begriff benutze ich deshalb, weil es dort kaum Flüchtlinge und Asylanten gibt, kaum Kopftücher und schon gar keine Burkas. Was es gibt ist Angst, von den Funktionären der AfD geschürt, und von denen, die sich schon lange nicht mehr für Politik interessieren, dankbar aufgenommen. Vor- wiegend bisherige Nichtwähler und Protestwähler brechen auf, um die Parlamente zu erobern, eine Bewegung, die auch in vielen anderen Ländern Europas zu beobachten ist. Diese Leute fühlen sich übergangen, nicht mehr beachtet. Jetzt gibt es für sie eine Möglichkeit sich Gehör zu verschaffen.

Und es gibt dafür nachvollziehbare Gründe: Kürzlich bekundete der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, in einer Talk-Show sein Verständnis für die Protestwähler, indem er ein wirklich verstörendes Beispiel anführte: In seiner Stadt werden derzeit, direkt neben einer Sozialsiedlung, neue Häuser gebaut mit dem üblichen Komfort unserer Zeit. Aber in diese neuen Häuser werden nicht die Mieter aus der Sozialsiedlung einziehen, die ein Leben lang gearbeitet und Steuern gezahlt haben sondern nur Asylanten und Flüchtlinge. Warum? Weil die Staatszuschüsse ausschließlich für diese Klientel gezahlt werden. Dass die Sozialmieter das als ungerecht empfinden, kann ich gut nachvollziehen. An ihrer Stelle würde ich auch dagegen protestieren. Wir wollen doch helfen, wir wollen doch zeigen, dass wir alles tun für diejenigen, die Hilfe brauchen, aber deshalb die sozial benachteiligten Menschen in unserem Land hintan zu stellen, das geht gar nicht. So werden aus Nichtwählern Protestwähler gemacht, und kein Politiker sollte sich wundern, wenn er im nächsten Jahr bei den Bundestagswahlen die Quittung dafür bekommt.

Was wird dann passieren? Frage 1: Tritt Angela Merkel noch einmal an? Frage 2: Wird die CSU als eigene Partei bundesweit antreten? Frage 3: Wird die AfD so stark werden, dass sie das politische Gefüge verändern kann? Warum werden diese Fragen immer deutlicher und heftiger diskutiert? Ich vermute, es liegt daran, dass die Wähler sich überall allein gelassen fühlen, dass sie davon überzeugt sind, Parteien und mächtige Kräfte entscheiden über ihre Köpfe hinweg oder folgen eigenen Interessen. Das Fazit daraus lautet: „Die da oben machen sowieso was sie wollen“. Das kann zu einer Politikverdrossenheit führen, die unsere Welt auf den Kopf stellt.

Wie sieht es hier in Thailand zurzeit aus? Auch hier ist die Bevölkerung von den politischen Entscheidungen ausgeschlossen. Mir scheint, die meisten Thais stört das nicht besonders. Sie gehen, wie gewohnt, ihren Beschäftigungen nach und leben im Übrigen nach ihren alten Spielregeln: Wohlergehen, Fröhlichkeit und Schönheit. Keiner weiß wie es weiter geht, und jeder hofft darauf gut zu überleben. Die Thais haben in der Vergangenheit gelernt sich anzupassen. Sie wissen, dass die Welt sich dreht. Was heute gilt kann morgen schon vergessen sein. Sie haben etliche Militärputsche überstanden, Partei-Skandale, hohe Generäle, die ins Ausland geflüchtet sind und einen Ministerpräsidenten, der, falls es aus seinem selbst gewählten Asyl zurückkehrte, sofort verhaftet werden würde.

Thais leben heute und nicht in der Zukunft. Das ist nicht zuletzt der Grund, warum die Farangs so gerne nach Thailand kommen und sich hier wohl fühlen. Wer möchte nicht in einer Welt leben, in der „Sabai-Sabai“ die Grundlage des Lebens bildet, selbst dann, wenn es meistens nur eine Illusion ist? Wer hinter die Gardinen schaut, der merkt schnell, dass Thailand (aber nicht nur dieses Land) in einer gewissen Angststarre verharrt. Wann und wo passiert der nächste Terroranschlag? Die Attentäter haben schon einen Teilsieg errungen: Viele Urlauber bleiben lieber zuhause, als sich in Gefahr zu begeben. Andere suchen die Herausforderung, suchen das Abenteuer, auch wenn ihr Abend teuer werden kann.

Dabei schauen viele auf die USA und auf die Präsidentenwahl. Was und wohin wollen die Amerikaner? Einen Präsidenten, der täglich seine Meinung ändert oder eine Präsidentin, von der man annehmen darf, dass sie berechenbar ist? Auf jeden Fall wird die Welt die Auswirkungen des Wahlergebnisses zu spüren bekommen. Wo sollte ich, falls Trump die Wahl gewinnt, um Asyl nachsuchen? Vielleicht bleibt Thailand ja weitgehend davon unberührt. Vielleicht werden wir uns dann glücklich preisen, hier leben zu dürfen. Und dann wird aus diesem Lotterland für uns doch noch ein Paradies… oder so ähnlich.

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