Vom Erawanschrein zum Geisterhaus

Der Erawanschrein vor dem Hyatt Hotel in Bangkok.
Der Erawanschrein vor dem Hyatt Hotel in Bangkok.

Das kulturelle und religiöse Leben der Thais wird aus einer Mischung von Hinduismus und Buddhismus bestimmt. In der Geschichte Buddhas wird erzählt, dass er durch die Einladung von Brahma – dem Hindugott - zusammen mit vier Schutzengeln des Dusit-Himmels gebeten wurde, zur Erde zu kommen, um die Menschen zu belehren (Im Hinduismus gibt es 11 Götter, Brahma oder Phra Phrom ist einer von den 11 Göttern und ist in Thailand beliebt). Im Hinduismus gibt es insgesamt 16 verschiedene Rangstufen des Himmels, die jeweils ihre eigenen Namen haben, bewohnt von göttlichen Wesen und Schutzengeln. Der "Saan Phra Phum”, der von den Ausländern als "Geisterhäuschen” benannt oder beschrieben wird, stimmt mit der Übersetzung nicht überein, denn Phra Phum ist ein "Theep”, was eigentlich Schutzengel bedeutet (Götter oder Engel sind für Thais das Gleiche).

Die allgemeinen Thais glauben, dass auf jedem Grundstück ein göttliches Wesen (Chao Thie) existiert oder zumindest die Seele eines Verstorbenen, der vorher auf jenem Grundstück gelebt hat (Phra Phum ist in höherem Rang als Chao Thie). Darum sollte der Neuankömmling, der dort wohnen oder es als Arbeitsstelle verwenden will, nicht einfach den Platz als eine Selbstverständlichkeit benutzen, sondern zuerst diesen unsichtbaren Wesen seinen Respekt erweisen und sie um Erlaubnis bitten, auf ihrem Platz mit ihnen zusammenleben zu dürfen. Um den Grundstücksherrscher freundlich zu stimmen, muss man sich mit regelmässigen Gaben wie frischen Blumen um ihn kümmern und ihm mit Räucherstäbchen, Speisen und Getränken Respekt erweisen.

Der Standort des Saan Phra Phums in Bezug auf die Himmelsrichtung seiner vorderen Seite, der Tag und die Uhrzeit der Aufstellung wird nach komplizierten astrologischen Regeln von brahmanischen Priestern bestimmt. Es werden auch die Geburtsdaten des Hausbesitzers mit berücksichtigt, um alles miteinander passend zu bestimmen. Das Haus des Bewohners darf keinen Schatten auf den Saan Phra Phum werfen.

Bei den grossen Gebäuden wie Condominien und Bürohäusern wird ein Brahmagott aus höherer Rangstufe als Schutzengel gebeten und beschwört, in dem Haus zu wohnen, um die Bewohner des Grundstückes vor allem Missgeschick zu behüten. Werden nun die Bewohner über längere Zeit von Pech, merkwürdigen Krankheiten und unerklärlichen Unglücksfällen verfolgt, ist es notwendig, einen Experten zu rufen, normalerweise einen buddhistischen Priester, der im Zwiegespräch mit dem ungnädigen Geist feststellt, wo der Fehler liegt. Ein gutes Beispiel wäre der Erawanschrein, der heilige Thao Phra Phrom an der Ratcha Prasong Kreuzung, vor dem Hyatt Erawanhotel. Die älteren Leute erzählen, dass vor über 50 Jahren, während der Zeit als man das Erawanhotel baute, jede Woche irgendein Bauarbeiter auf der Baustelle auf mysteriöse Art starb. Das Hotel wurde nach vielen Jahren Bauzeit immer noch nicht fertig, und es sah nach einem Fluch aus, wonach es nie fertig wird, und die Menschen dort auf unerklärliche Weise weiterhin sterben würden. Erst später, als man den Erawanschrein baute und den Thao Phra Phrom huldig bat, herunter zu kommen, um die Menschen zu beschützen, starb kein Bauarbeiter mehr und das Hotel wurde endlich komplett fertiggestellt. Kein Thai wird auf den Gedanken kommen, den Saan Phra Phum, wo immer er auch steht, zu verspotten oder verächtliche Bemerkungen zu zeigen, denn man fürchtet seine Kräfte.

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