Umgang mit Wölfen polarisiert

Foto: epa/Artur Reszko
Foto: epa/Artur Reszko

BERLIN (dpa) - Seit Wölfe um das Jahr 2000 vermehrt nach Ostdeutschland einwanderten, sind sie streng geschützt. Ihre Ausbreitung hat eine Art Kulturkampf befeuert. Die Wiederansiedlung des Wolfs ist ein Erfolg für den Naturschutz. Doch was tun, wenn Wölfe Nutztiere reißen und durch Siedlungen streunen? Die Debatte über «Problemwölfe» ist so aufgeheizt, dass das Bundesamt für Naturschutz vergangene Woche auf politischen Druck eine Pressekonferenz zum Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen absagte. Im folgenden einige Fragen und Antworten zum Thema:

Wie viele Wölfe gibt es in Deutschland?

Die Bestände sind von Bundesland zu Bundesland sehr verschieden, das erschwert das Finden einer einheitlichen Linie im Umgang mit den Tieren. Für eine Übersicht richtete das Bundesamt für Naturschutz die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) ein. Ihre Statistik weist mit Stand September 2016 insgesamt 47 Rudel aus, die meisten in Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen, einige in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sowie Einzeltiere in Thüringen und Bayern. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) geht inzwischen von 65 Rudeln aus - mit im Schnitt jeweils zehn Tieren. Damit kommt er auf rund 650 Wölfe in Deutschland.

Was ist ein «Problemwolf»?

Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Mit wachsender Zahl der Wölfe nehmen Zwischenfälle zu. Nach der jüngsten DBBW-Statistik gab es 2015 rund 200 registrierte Attacken von Wölfen auf Nutztiere. Sie rissen mehr als 700, darunter vor allem Schafe und Ziegen (89 Prozent), Gatterwild (9 Prozent) und Rinder (2 Prozent). Nutztierhalter wollen das trotz Entschädigung nicht länger hinnehmen. «Wir Hirten sagen nicht, wir müssen die Wölfe jagen», kommentierte Knut Kucznik, Schäfermeister in Brandenburg im rbb-Sender Radioeins die Lage. «Wir sagen: Alle Wölfe, die unseren Schafen und Ziegen gefährlich werden, müssen beseitigt werden.»

Gibt es registrierte gefährliche Wolfsattacken auf Menschen?

Es gibt als bedrohlich empfundene Situationen. So hielt im Frühjahr 2016 «Problemwolf» Kurti Niedersachsen in Atem. Wiederholt näherte er sich Menschen, bevor er mit einer Sondergenehmigung erschossen wurde. Vermutlich aber war «Kurti» zuvor von Menschen gefüttert und deshalb zutraulich geworden.

Welche Konzepte gibt es bisher für den Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen?

Ende August legten die Umweltschutzverbände Bund, Nabu, WWF sowie der Bundesverband der Berufsschäfer, der Tierschutzbund und der Ökologische Jagdverband ein Eckpunktepapier vor. Ihre Strategie sieht unter anderem mehr Investitionen in Schutzzäune, ausgebildete Herdenschutzhunde und einen schnellen Schadenausgleich nach Wolfsattacken auf Nutztiere vor. Die Einigung umfasst aber auch den Abschuss von einzelnen «Problemwölfen» durch Naturschutzbehörden als letztem Mittel.

Im November veröffentlichte das Bundesamt für Naturschutz Handlungsempfehlungen in der Zeitschrift «Natur und Landschaft». Es unterscheidet vier Szenarien. Sie reichen von ungefährlichen Situationen, in denen Wölfe zwar in Sichtweite von Häusern herumlaufen, aber beim Anblick von Autos sofort flüchten, bis hin zu aggressiven Reaktionen auf Menschen, die Wölfe nicht provoziert haben. Diese gefährliche Variante rechtfertige einen Abschuss - im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden, hieß es. Eine generelle Jagd auf Wölfe würde das Auftreten problematischer Tier dagegen nicht verhindern.

Wie positionieren sich Interessengruppen?

Das Eckpunkte-Papier der Verbände lehnen die Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände, der Deutschen Jagdverband und der Deutschen Bauernverband ab. Sie halten es nicht für machbar, riesige Weidegebiete - zum Beispiel Deiche - durch Zäune vor Wölfen zu schützen. Der Schutz der Weidetierhaltung dürfe nicht dem Wolfsschutz untergeordnet werden, lautet das Argument. Entschädigungsverfahren seien bisher zu kompliziert. Der Jagdverband kritisiert die jüngsten Empfehlungen des Bundesamts und weist mit Blick auf das bestehende Jagdverbot auf Expertisen hin, die Wolfsbestände in Europa als günstig einstufen. Wolfsgegner fordern deshalb eine Bestandsregelung - das hieße Abschuss, wenn eine Obergrenze überschritten wird.

Der Naturschutzbund Deutschland will Sachlichkeit. «Keine Frage, wir brauchen einheitliche Regeln, wie mit auffälligen Wölfen umzugehen ist», sagt Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Auffälliges Verhalten müsse aber stets im Einzelfall von Experten beurteilt werden. Sein Verband fordert ein bundesweites Herdenschutzzentrum als ersten Schritt zur Zusammenarbeit.

Wie viele Wölfe wurden bisher getötet?

Nach der DBBW-Statistik wurden seit dem Jahr 2000 rund 200 Wölfe in Deutschland tot aufgefunden, mit Abstand die meisten in Brandenburg, gefolgt von Sachsen und Niedersachsen. Rund zwei Drittel starben bei Verkehrsunfällen, rund 14 Prozent durch illegale Tötung, der Rest durch natürliche oder unklare Ursachen. Dabei handelt es sich jedoch nur um die registrierten Fälle. Die Dunkelziffer kann hoch sein.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.