TV-Debatte: Weil vs. Althusmann

Ministerpräsident Stephan Weil (l, SPD) und sein Herausforderer Bernd Althusmann (r, CDU). Foto: dpa/Julian Stratenschulte
Ministerpräsident Stephan Weil (l, SPD) und sein Herausforderer Bernd Althusmann (r, CDU). Foto: dpa/Julian Stratenschulte

HANNOVER (dpa) - Wenige Minuten vor Beginn ihres Fernsehduells posieren Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und sein Herausforderer Bernd Althusmann (CDU) händeschüttelnd für die Kameras. Althusmann ist ohne Krawatte erschienen, er gibt sich locker. «Viel Spaß beim Entwickeln!», ruft er den Fotografen hinterher. Unwillkürlich muss auch sein Kontrahent Weil lächeln.

Das war es aber schon mit der Nettigkeit. Denn bei ihrem einzigen TV-Duell vor der Niedersachsen-Wahl geht es schnell zur Sache. Der 58-jährige Weil und sein acht Jahre jüngerer Gegenspieler schenken sich nichts. NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz eröffnet die Runde gleich mit der Frage nach Elke Twesten. Anfang August war die Grünen-Landtagsabgeordnete zur CDU übergelaufen und hatte damit Weils rot-grüne Regierung gekippt.

Mit verkniffenem Gesicht, die Lippen zusammengepresst, macht Weil den Moralischen: Die CDU habe Twesten mit offenen Armen empfangen und damit die Wählerentscheidung umgedreht. Dieser Fehler hänge Althusmann nun «wie ein Mühlstein» um den Hals. Althusmann bleibt ruhig. Die Abgeordnete habe das selbst entschieden, entgegnet er mit offenem Blick. Als Weil bei seinem Vorwurf bleibt, reißt dem CDU-Spitzenkandidaten der Geduldsfaden. «Wollen wir uns nur über diesen Fall unterhalten oder über andere Themen reden, die die Menschen in diesem Land bewegen?», poltert er los.

Dies ist kein Kuschel-Duell wie das von Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Weil und Althusmann wissen: Es ist ein Kampf um jede Stimme. Denn in Niedersachsen deutet alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. In der jüngsten Umfrage hat sich die SPD mit 33 Prozent vor die CDU geschoben, die auf 32 Prozent kommt. Zwei andere Befragungen hatten CDU und SPD gleichauf gesehen.

Doch sowohl für Althusmann als auch für Weil könnte es schwierig werden, nach einem möglichen Wahlsieg eine Koalition hinzubekommen. Laut Umfragen reicht es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb. Rechnerisch möglich: Eine große Koalition, ein Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP sowie eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Schafft es die Linke in den Landtag, geht auch Rot-Rot-Grün.

Da die CDU zuletzt in den Umfragen zurückgefallen ist, muss Althusmann angreifen. Er knöpft sich Weil bei der Koalitionsfrage vor. Der Ministerpräsident solle doch endlich Rot-Rot-Grün abschwören. «Sie eiern herum, Sie sagen den Menschen nicht die Wahrheit.» Weil bleibt dabei: Er wolle die Linken unter fünf Prozent halten. Althusmann wirkt dann wenig überzeugend, als er sagt, er selbst wolle sich zu Koalitionsfragen überhaupt nicht äußern.

Immer wieder streitet sich der CDU-Spitzenkandidat mit Moderator Cichowicz über Fakten, unterbricht den Journalisten selbst beim Fragenstellen. Damit wirkt er zu sehr auf Krawall gebürstet.

Weil hingegen bleibt gelassen. Seine zu Beginn steife Körperhaltung lockert sich, als die Debatte auf Sachthemen wie Bildungspolitik und Inklusion kommt. Hier wirkt der Ministerpräsident trittfest und kompetent. Inhaltlich erfahren die Zuschauer nicht viel Neues - beide Politiker wiederholen die bekannten Positionen.

Den nächsten heftigen Schlagabtausch gibt es beim Thema Volkswagen. Althusmann hält Weil vor, er habe im Abgas-Skandal seine Aufsichtspflicht nicht ernst genommen. «Sie sind am Ende vom Konzern-Vorstand durch die Manege gezogen worden.» Irgendwann zieht Weil herablassend die Augenbrauen in die Höhe: «Ich glaube, Sie überblicken wirklich nicht, wovon Sie reden. Das mache ich Ihnen aber auch nicht zum Vorwurf, das ist nicht leicht zu verstehen.» Das sitzt. Und am Ende der Debatte steht es ähnlich wie in den Umfragen: ziemlich unentschieden.

Medienexperten sind sich entsprechend uneins über den Ausgang des TV-Duells. Weil habe im Gespräch meist mit dem Moderator gesprochen - Althusmann dagegen sei Weil direkt angegangen, sagte Kommunikationswissenschaftler Joachim Trebbe von der FU Berlin. «Er kam konfrontativer und auch ein bisschen arrogant rüber, Weil dagegen kompetenter.» Wer die Nase vorne hatte? «Das ist sehr schwer zu sagen; vom Gefühl her würde ich vermuten, dass Althusmann einen hauchdünnen Vorsprung hatte.»

Anders sieht dies Wilfried Köpke von der Hochschule Hannover. «Diesmal würde ich doch sagen, Weil lag in der Performance deutlich vorne.» Das könne man festmachen an den Punkten Körpersprache, der hohen Verbindlichkeit und der Faktenstärke. «Er wirkte nicht wie ein Getriebener. Er wirkte wie einer, der kämpfen mag.» Bei Althusmann habe man den Eindruck gehabt, er müsse jetzt kämpfen.

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