Türkei verbietet Bundestagsabgeordneten Incirlik-Besuch

Foto: epa/Carsten Rehder
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BERLIN (dpa) - Die Türkei hat Bundestagsabgeordneten erneut einen Besuch bei den deutschen Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik untersagt und damit die Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen weiter verschärft. Die Bundesregierung droht nun erstmals offen mit einem Abzug der deutschen «Tornado»-Aufklärungsjets, die sich von der Türkei aus am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) wollen aber zunächst weiter in Gesprächen nach einer Lösung des Streits suchen. Merkel nannte die türkische Entscheidung «misslich», das Auswärtige Amt sprach sogar von einem «absolut inakzeptablen» Verhalten. SPD, Linke und Grüne im Bundestag forderten den sofortigen Abzug der Bundeswehrtruppe aus der Türkei. Favorit unter den Alternativstandorten ist Jordanien.

Der Besuch der Obleute des Verteidigungsausschusses war für Dienstag geplant und bereits vor Wochen angekündigt worden. Am Samstag wurde die Absage dem Auswärtigen Amt auf Arbeitsebene mitgeteilt, am Montag wurden die Abgeordneten informiert. Als Grund wurde die Gewährung von Asyl für türkische Offiziere in Deutschland angegeben. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zeigte sich in der ARD-Sendung «Farbe bekennen» empört darüber: «Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht erpressbar», sagte er.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, von der SPD, sprach sich für eine sofortige Verlegung der Bundeswehr-Truppe in ein anderes Land aus. Grüne und Linke halten das für längst überfällig. Der CDU-Verteidigungsobmann Henning Otte forderte dagegen lediglich, «mit höherer Dringlichkeit alternative Stationierungsorte in Betracht zu ziehen».

Die Bundesregierung will zunächst einmal abwarten, ob die türkische Seite nicht doch noch einlenkt. «Wenn es bei dieser endgültigen Absage bliebe, dann allerdings glauben wir nicht, dass wir in der Türkei weiter die Bundeswehr stationieren können», betonte Gabriel aber. Er will am Mittwoch bei einem Besuch in Washington mit den USA über den Anti-IS-Einsatz sprechen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird nächste Woche beim Nato-Gipfel in Brüssel mit Merkel an einem Tisch sitzen. Am Rande der Sitzung könnte es zu einem bilateralen Gespräch kommen. Auch Merkel machte aber schon jetzt klar, dass das Besuchsrecht für deutsche Abgeordnete bei der Bundeswehr im Ausland nicht verhandelbar ist. «Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Und damit ist es absolut notwendig, dass Besuchsmöglichkeiten für unsere Abgeordneten bestehen bei ihren Soldatinnen und Soldaten.» Der Bundestag entscheidet über jeden bewaffneten Einsatz der Bundeswehr. Die Truppe wird deshalb auch als «Parlamentsarmee» bezeichnet.

Von Incirlik aus beteiligt sich die Bundeswehr mit «Tornado»-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug an den Luftangriffen gegen die IS-Terrormiliz in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis sind etwa 260 deutsche Soldaten stationiert.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Türkei Bundestagsabgeordneten über Monate hinweg den Besuch bei den deutschen Soldaten in Incirlik verweigert. Im Oktober durften sie dann doch noch einreisen. Grund für die Verstimmung war damals, dass der Bundestag in einer Entschließung die im Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Verbrechen als Völkermord anerkannt hatte.

Später führte der Wahlkampf vor dem Referendum zur türkischen Verfassungsreform zu neuen Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis, die sich nun noch einmal deutlich verschärfen dürften. Die Türkei und Deutschland sind Nato-Partner.

Das Verteidigungsministerium hat bereits Alternativstandorte in Jordanien, Kuwait und auf Zypern geprüft. Jordanien gilt als günstigste Option. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wäre der Einsatz von dort aber nur mit Abstrichen möglich.

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