Tempelberg: Israel beschränkt erneut Zugang für Muslime

Foto: epa/Atef Safadi
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JERUSALEM (dpa) - Die israelische Polizei hat aus Sorge vor neuer Gewalt erneut den Zugang für Muslime zum Tempelberg beschränkt. Nur Männer über 50 und Frauen durften am Freitag tagsüber die heilige Stätte betreten, wie die Polizei mitteilte. Rund 10.000 Menschen kamen nach Schätzungen der jordanischen Wakf-Behörde auf den Tempelberg. In Jerusalem blieb es zunächst weitgehend ruhig. Bei einer Konfrontation mit israelischen Sicherheitskräften wurden später einige Palästinenser durch Tränengas verletzt, wie der Rettungsdienst Roter Halbmond mitteilte. Am Abend wurde die Altersbeschränkung für den Zugang zum Tempelberg dann wieder aufgehoben.

Am Nachmittag erschossen israelische Soldaten laut Armee einen palästinensischen Attentäter südwestlich von Bethlehem. Am Rande des Gazastreifens wurde nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums ein Jugendlicher von Schüssen israelischer Soldaten getötet. Bei den Konfrontationen seien zudem sechs Palästinenser verletzt worden. Eine Sprecherin der israelischen Armee sagte, Palästinenser hätten versucht, den Sicherheitszaun zu Israel zu beschädigen. Es sei auf die Hauptanstifter gefeuert worden. Wegen der Tempelberg-Krise gab es in dem Küstengebiet mehrere Protestaktionen.

Im Westjordanland kam es erneut zu Unruhen. Bei Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten wurden laut Rotem Halbmond rund 50 Palästinenser verletzt, die meisten davon in Hebron, bei Bethlehem und nördlich von Jerusalem.

Israel hatte nach einem tödlichen Anschlag am 14. Juli am Tempelberg zeitweise zusätzliche Sicherheitskontrollen für Muslime eingeführt. Bei anschließenden Unruhen starben vier Palästinenser, Hunderte wurden verletzt. Ein Palästinenser erstach in einer israelischen Siedlung im Westjordanland drei Mitglieder einer Familie. Aufgrund der Proteste hatte Israel am Donnerstag die letzten Sicherheitsvorrichtungen am Tempelberg (Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum) wieder abgebaut.

Am Freitagmittag kontrollierten schwer bewaffnete israelische Polizisten die Zugänge zum Tempelberg. Ältere Männer und Frauen standen Schlange. Für viele Palästinenser ist der Konflikt um die heilige Stätte noch nicht vorbei. «Wir wollen die Al-Aksa-Moschee ohne Polizei betreten, ohne Schranken, weil das unsere Moschee ist», sagte der 68-jährige Ismail Schkerat aus Jerusalem.

Die Palästinenser lehnen jegliche Kontrollen am Tempelberg ab und werfen Israel vor, es wolle schrittweise mehr Einfluss über die Anlage erlangen. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Juden ist der Ort ebenfalls heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Rest dieser Tempelanlage.

Die Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas hatten für Freitag zu einem neuen «Tag des Zorns» aufgerufen. Der beim Volk unbeliebte Präsident versucht, die Krise rund um den Tempelberg auch politisch für sich zu nutzen.

«Jerusalem gehört uns, es ist unsere Hauptstadt und unterliegt unserer Souveränität», sagte Abbas Anfang der Woche an Palästinenser in Jerusalem gerichtet. «Wir haben unterstützt, was ihr getan habt und was ihr tut, und wir stehen an Eurer Seite.»

Abbas hat aufgrund der Tempelberg-Krise vor einer Woche die Beziehungen zu Israel eingefroren. Dazu zählt auch die Sicherheitskooperation zwischen beiden Parteien.

Der 82-Jährige steht intern stark unter Druck. Der Bruderstreit mit der Hamas schwächt auch international seine Verhandlungsposition. Nach Medienberichten gibt es Versuche, mit ägyptischer Unterstützung seinen parteiinternen Rivalen Mohammed Dahlan als führenden Vertreter neben der Hamas im Gazastreifen zu installieren. Dies soll auch zu einer Öffnung der Grenze zu Ägypten führen und einen Wirtschaftsaufschwung in dem Küstengebiet befördern.

Marc Frings, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah, erwartet allerdings trotz der blutigen Unruhen in den vergangenen Tagen keinen dritten Palästinenseraufstand (Intifada). «Solange niemand die Autorität von Abbas anzweifelt und zur Gewalt aufruft, wird es keine strukturierte Gewalt geben, wie man sie bei den Intifada erlebt hat», sagte Frings der Deutschen Presse-Agentur. Der Palästinenserpräsident habe immer wieder deutlich gemacht, dass er militärische Mittel im Kampf gegen die israelische Besatzung ablehne.

«Ich sehe in der palästinensischen Gesellschaft vielmehr eine absolute Ermüdung und fehlendes Interesse daran, diesen politischen Stillstand zu überwinden», sagte Frings. Die letzten Parlamentswahlen in den Palästinensergebieten fanden vor elf Jahren statt. Die Menschen seien stärker daran interessiert, zu arbeiten, Geld zu verdienen und das Leben, das sie sich aufgebaut haben, zu erhalten, als an einer neuen Gewaltwelle.

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