Stürmische Zeiten in Europa

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Nicht nur das Wetter spielt derzeit verrückt in Europa, auch die politische Landschaft wimmelt vor Tiefdruckgebieten. Der Juni des Jahres 2016 bringt entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft Europas mit sich. Das Bundesverfassungsgericht wird in Deutschland über die Frage entscheiden, ob sich die Bundesbank an der unbegrenzten Deckungszusage beteiligen darf, welche die EZB (Europäische Zentralbank) den Käufern von wackeligen Staatspapieren in der Eurozone gegeben hat. Durch diese Deckungszusage wurde das Ausfallrisiko der Gläubiger dieser Papiere auf die Steuerzahler der Länder transferiert, die hinter der EZB stehen. Kein gutes Geschäft aus der Perspektive eines österreichischen oder deutschen Steuerzahlers.

Die vom EuGH (Europäischer Gerichtshof) bereits abgesegnete Entscheidung der EZB kann nur noch vom Bundesverfassungsgericht gestoppt oder eingeschränkt werden. Das Gericht muss mit seiner Entscheidung unter Beweis stellen, dass es wie bisher in den Jahrzehnten seit dem zweiten Weltkrieg als letzte Instanz die Interessen Deutschlands uns seiner Bürger schützt. Vorsichtiger Optimismus, dass das Gericht die Entscheidung der EZB nicht einfach absegnet, ist gerechtfertigt, da die Aushöhlung des Budgetrechts des Bundestages durch diese Entscheidung offensichtlich ist.

Die zweite große Entscheidung, die diesen Juni ansteht ist der sogenannte BREXIT. Die Abkürzung steht für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU. Einer der Vorreiter für den Austritt ist Sir Nigel Farage, der mit seinen spektakulären Auftritten im EU-Parlament in den letzten Jahren, den Amts- und Würdenträgern in Brüssel immer wieder gehörig Dampf machte.

Obwohl ein Verbleib der Briten in der EU eher wahrscheinlich ist, wäre es alles andere als eine Katastrophe, wenn sich das Land anders entscheidet. Politisch würde sich zunächst dadurch nicht viel ändern, wirtschaftlich würde man allerdings beobachten können, ob sich der Austritt positiv oder negativ für die Briten auswirkt.

Zu begrüßen ist jedenfalls, dass die Luft für die Bürokraten in Brüssel dünner wird und die Re-Politisierung der Gesellschaften in Europa in vollem Gange ist. Die pauschale Diffamierung aller Personen als Rechts-Populisten, die nicht mit der Arbeit Brüssels oder ihrer jeweiligen Regierungen einverstanden sind, wird nicht mehr lange salonfähig bleiben (was selbstverständlich nicht umgekehrt heißen soll, dass man Rechtsradikale nicht mehr beim Namen nennen soll).

Wünschenswert ist aber, wirtschaftlich sehr wichtige und aktuelle Fragestellungen wieder beim Namen zu nennen, klar und in der Sache möglichst präzise zu formulieren. Jenseits von Experten, die für alle Standpunkte bekanntermaßen zahlreich zu finden sind, könnten messbare Folgen der Entscheidungen der letzten Jahre in den Vordergrund der Meinungsbildung rücken. Dies gut kommuniziert, könnte zumindest für unentschiedene Wähler wertvolle Hinweise geben, welcher politischen Partei sie die Zukunft ihres jeweiligen Landes anvertrauen wollen. Einige Beispiele in aller Kürze:

Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP): Zunächst ist die Frage zu stellen, ob der Schwerpunkt tatsächlich im Freihandel oder nicht beim Investorenschutz liegt. Vor allem Deutschland ist gut beraten, sich die Vorteile auf Seiten der EU sehr genau anzusehen, um letztendlich nicht als Verlierer aus den Verhandlungen zu gehen. Welche Ergebnisse wurden beim Verbraucher- und Rechtsschutz ausgehandelt, die der europäischen Bevölkerung offensichtlich sehr wichtig sind?

Energiewende: Deutschland hat vor fünf Jahren die Entscheidung getroffen, aus der Atomkraft auszusteigen und die sogenannte Energiewende voranzutreiben. Wie haben sich diese Entscheidungen auf die Energiepreise ausgewirkt? Sind zumindest Anzeichen sichtbar, dass die Pläne der Regierung mit Blick auf anderweitige Vorteile aufgehen?

Last but not least, die Flüchtlingsfrage: Obwohl die Entwicklung des öffentlichen Diskurses quälend langsam vor sich geht, besteht derzeit zumindest schon einmal Einigkeit, dass Deutschland Zuwanderung zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards ab spätestens 2030 braucht. Hat die Regierung dieses Thema in den letzten Jahren aufgegriffen und kompetent adressiert oder war sie getriebene des Flüchtlingsstroms ab Sommer 2015? Integrieren wir derzeit Menschen, die in Zukunft einen Beitrag leisten oder der Allgemeinheit Geld kosten?


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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