Sommer 2015 – Herausforderungen in Ost und West

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Der Sommer 2015 ist politisch und wirtschaftlich ein heißer Sommer. In China sind die Börsenkurse auf Talfahrt, während in Europa immer neue Flüchtlingswellen die Gesellschaften polarisieren. Was bedeuten diese Herausforderungen für die zukünftige Entwicklung in Asien und Europa?

Seit Mitte Juni 2015 ist der Leitindex in Shanghai um 40 Prozent eingebrochen. Die Schockwellen des Crashs waren global spürbar, für einige Schwellenländer jedoch - darunter Thailand - kommt er zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die meisten südostasiatischen Länder haben in den letzten Jahren ihre Wirtschaft zunehmend mit der chinesischen verflochten. Thailand liefert beispielsweise Kautschuk und Stoffe für die Bekleidungsindustrie in großen Mengen nach China. Wenn nun aufgrund des Börsenkrachs die Nachfrage aus China erheblich zurückgeht, so setzt dies die ohnehin schwächelnde Konjunktur in Thailand weiter unter Druck.

Die chinesische Führung gibt sich zugeknöpft und gereizt. Im chinesischen Internet jedoch fällt die Analyse eindeutig aus: Neben Premierminister Li Kequiang, der traditionell für die Wirtschaft verantwortlich zeichnet, wird vor allem dem Chef der chinesischen Kapitalmarktaufsicht der schwarze Peter zugeschoben, da er der offensichtlichen Blasenbildung nicht entgegenwirkte. Vom Hochmut mit dem Teile der chinesischen Führung die Finanzkrise im Westen seit 2008 goutierte, ist derzeit jedenfalls nichts zu spüren. Der Crash 2015 in China ist auf jeden Fall ein weiterer Beweis, dass sich ökonomische Gesetze nicht aushebeln lassen. Die weltweiten Spekulationsblasen bei Immobilien und Aktien sind die Folge der lockeren Geldpolitik der letzten Jahre. Objektiv betrachtet ist die jetzt erfolgte Korrektur keine große Überraschung. Viel mehr überrascht, dass einige Claqueure im Westen schon das Ende des chinesischen Wirtschaftswunders glauben sehen zu können. Wohl kaum. China wird die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinden und den Erfolgskurs fortsetzen – wenn auch mit verminderter Fahrt.

Flüchtlingskrise als Jahrhundertproblem

Schwerer fällt es, für Europa optimistisch in die Zukunft zu blicken. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung spricht bei der Flüchtlingsproblematik von einem Jahrhundertproblem. Er übertreibt nicht. Bedauerlich nur die Hilflosigkeit der verantwortlichen Politiker. Die Bundespolitiker lassen die Kommunen mit dem Problemen weitgehend allein, da kein Politprofi scharf darauf ist, die Hälfte seiner Wählerschaft zu verprellen. Nur: Vor dem Hintergrund von geschätzten 800.000 Flüchtlingen im Jahre 2015 in Deutschland alleine ist es keine Option mehr einfach auf Tauchstation zu gehen. Phrasen wie „wir sind gefordert, aber nicht überfordert“ beruhigen nicht mehr. Es gibt seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien einen nicht abreißenden Strom von Flüchtlingen aus dem Balkan, der im Jahre 2015 fast ausschließlich Wirtschaftsflüchtlinge nach Deutschland bringt, deren Asylverfahren zu 99 Prozent abgelehnt werden. Es gab so viel zu tun für die Politik in den letzten Jahren. So wenig wurde angepackt. Veröffentlichungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über das Asylverfahren erinnern in der Darstellung eher an ein Hotel im Tischleindeckdichland Deutschland als an ein Asylbewerberheim. Durch diese verheerend falschen Signale, die wie Werbung wirkten, nimmt der Strom der Wirtschaftsflüchtlinge zu. Seit ein paar Jahren generieren die einsamen geopolitischen Entscheidungen der USA nun eine zweite Flüchtlingswelle aus aktuellen Kriegsgebieten wie Syrien, die Europa ausbaden darf. So sehr jeder fühlende Mensch Mitleid verspüren mag, so falsch ist es gerade jetzt, den Verstand auszuschalten. So gut die Mär vom Abbau des Fachkräftemangels oder Integration durch Beschäftigung klingen mag, so wenig Aussicht auf Erfolg dürfte sie in der Realität haben. In der Wirklichkeit steigt die Produktivität der Wirtschaft in den entwi­ckelten Ländern stetig, es werden immer weniger Mitarbeiter mit geringer oder keiner Qualifikation gesucht, was das Heer der Hartz IV Empfänger weiter anwachsen lässt. Im Ergebnis blicken wir auf ein Pulverfass, das von Tag zu Tag an potentieller Zerstörungskraft zunimmt.

Aber wer weiß: Vielleicht hat es auch eine gute Seite, wenn die Regierungen Europas nun mit einem Problem konfrontiert sind, das sie nicht aussitzen oder verwalten können.

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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