Skandal-Rocker Pete Doherty taumelt zwischen Punk und Poesie

Der britische Musiker Pete Doherty steht am 24.02.2017 bei seinem Konzert in Hamburg auf der Bühne der Großen Freiheit auf der Reeperbahn. Foto: Christian Charisius/Dpa
Der britische Musiker Pete Doherty steht am 24.02.2017 bei seinem Konzert in Hamburg auf der Bühne der Großen Freiheit auf der Reeperbahn. Foto: Christian Charisius/Dpa

HAMBURG (dpa) - Und plötzlich steht Pete Doherty da. Mit 20 Minuten Verspätung und damit viel früher als erwartet. Vor ein paar Tagen in Frankfurt mussten Konzertbesucher seiner Deutschlandtournee mehr als zwei Stunden auf ihn warten. Aber genau genommen sind die Anwesenden in der ausverkauften Großen Freiheit in Hamburg am Freitagabend froh, dass der 37-Jährige überhaupt erschienen ist. Zu seinem Auftritt beim letztjährigen Reeperbahnfestival war Doherty gar nicht erst gekommen.

Großer Jubel brandet auf, bevor der für seine Drogeneskapaden bekannte Musiker überhaupt den ersten Ton gesungen hat. Schnittig und erschlankt sieht der Ex-Freund von Supermodel Kate Moss in seinem schwarzen Anzug aus, unter dem er ein weißes Hemd und dunkle Hosenträger trägt. Sein mittlerweile ergrautes Haar liegt so zerzaust, als wäre er gerade erst dem Bett entstiegen. Passend dazu torkelt Doherty mehr über die Bühne als dass er geht. Seine Arme hängen dabei an ihm runter wie Gummi.

Und Doherty lallt ganz schön, als er erzählt, wie es einem Kölner Security-Mann missfiel, als er die deutsche Nationalhymne summte – dabei würde er Deutschland doch trotz Brexit so gerne mögen. Ist Doherty zugedröhnt oder ist er so, weil es die Fans mittlerweile von ihm erwarten? Da ist man sich nicht ganz sicher. Egal wie: Seine Musik, die kann er. Mit seinem Hamburg-Konzert bringt er die Songs seines zweiten Soloalbums dorthin zurück, wo sie entstanden sind.

«Hamburg Demonstrations» heißt das von Kritikern gelobte Werk, das mit Produzent Johann Scherrer in der Elbmetropole aufgenommen wurde. Ein halbes Jahr hatte sich Doherty dort in die Künstlerwohnung einquartiert. In der Zeit spielte er Spontankonzerte im Club «Golem» und torkelte auch sonst gerne durch die Hansestadt. Dass ein international bekannter Rockstar sich hier niederlässt, das hatte es seit den Beatles nicht mehr gegeben.

Klar, dass die Hamburger sich geschmeichelt fühlen und das Konzert für Doherty wie ein Heimspiel ist. Neben den Songs seiner zwei Soloalben spielt er auch Lieder seiner Garagenrock-Bands The Libertines und Babyshambles. Flankiert wird er dabei von fünf Musikern, darunter auch Babyshambles-Bassist Drew McConnell und Dohertys Freundin Katia de Vidas, die mehr schlecht als recht das Keyboard bedient. Neben den klassischen Instrumenten Gitarre, Bass und Schlagzeug dekorieren Geige, Banjo und Mundharmonika die Lieder, was dem rauen Sound eine schöne liebliche Note verpasst.

Bei den druckvollen Stücken greift Doherty auch selbst zur Gitarre. Und immer wieder blitzt sein unglaubliches Talent als romantischer Songpoet auf. Dass es auf der Bühne allerdings diverse Rückkopplungs- und Übersteuerungs-Laute gibt, lässt ihn nur schmunzeln. Sauer macht ihn eher, dass wiederholt mit Bechern auf ihn gezielt wird: «Da musst du wohl noch üben», raunzt er in Richtung eines Zuschauers, als ihn ein Wurfgeschoß nur knapp verfehlt. «Ja, ja, und in die Augen gucken kannst du mir auch nicht.»

Je später der Abend, umso mehr schmeißt allerdings auch Doherty mit Sachen um sich: Durch die Luft fliegen Plastikflaschen, Mikrofonständer und sogar seine Gitarre, die ein Roadie so gekonnt auffängt, als hätte er das schon öfter gemacht. Ein gewisses Maß an Chaos gehört zu Dohertys Auftritten nun mal dazu. Und seine Unberechenbarkeit macht ihn vielleicht zum einzig wahren Rockstar in einem ansonsten durchkalkulierten Geschäft.

In der Zugabe kredenzt er die bekannte Babyshambles-Hymne «Fuck Forever», und alle liegen sich bierselig in den Armen und singen lauthals mit. Als das Bühnenlicht längst an ist und der Abbau schon im vollen Gange, kommt Doherty mit nacktem Oberkörper und seiner Band noch einmal auf die Bühne. Spielen dürfen sie nun nicht mehr, aber das Publikum ist sich einig: Die Hamburger haben den besten Doherty bekommen, den man derzeit kriegen kann.

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