«Sewol»-Kapitän festgenommen

Fähre wurde zum Unglückszeitpunkt von einer wenig erfahrenen Offizierin gesteuert

SEOUL: Der Kapitän der Unglücksfähre «Sewol» gerät zunehmend in die Kritik. Kurz vor der Havarie gab er die Führung an eine unerfahrene Offizierin ab. Außerdem soll er früh das sinkende Schiff verlassen haben. Nun sitzt er hinter Gittern.

Die gesunkene südkoreanische Fähre «Sewol» ist zum Unglückszeitpunkt nicht vom Kapitän, sondern von einer wenig erfahrenen Offizierin gesteuert worden. Der 68 Jahre alte Lee Jun Seok habe die Schiffsführung an die 26-jährige Dritte Offizierin übergeben, bevor das Schiff mit 475 Menschen an Bord zu sinken begann, teilten die Ermittler am Freitag mit.

Ein Gericht erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen den Kapitän, die Offizierin sowie gegen ein weiteres Besatzungsmitglied. Am Samstagmorgen (Ortszeit) wurde er festgenommen, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap meldete. Ihm werden mehrere Straftaten vorgeworfen, darunter fahrlässige Pflichtverletzung und die Verletzung des Seerechts.

Widriges Wetter und eine starke Strömung erschwerten weiter die Bergungsarbeiten vor der Südwestküste Südkoreas. Fast 270 Menschen galten auch am Freitag - zwei Tage nach dem Untergang der Fähre - als vermisst. An Bord waren 325 Schüler auf dem Weg zu einem Ausflug. Ragte zunächst die Bugwulst noch aus dem Wasser, war später am Freitag nichts mehr von der Fähre zu sehen.

Lee wird beschuldigt, das sinkende Schiff im Stich gelassen zu haben. Das Verhalten des Kapitäns und der Crew wurde schon unmittelbar nach dem Untergang stark kritisiert. Überlebende berichteten, der Kapitän habe das Schiff als einer der ersten verlassen. Zudem war den Passagieren zunächst über Lautsprecher mitgeteilt worden, sich nicht zu rühren - da war das Schiff bereits in starke Seitenlage geraten.

Nach Ansicht von Experten ist durch die späte Evakuierung kostbare Zeit verloren gegangen. Die Küstenwache befürchtet, dass viele der insgesamt 475 Menschen im Innern des Schiffes eingeschlossen wurden. «Die Aussicht, dass da noch Überlebende sind, ist sehr gering», sagte der Experte und Leiter von Australian Marine Consultants, Des Ward, dem südkoreanischen Sender Arirang.

Bis Freitagnachmittag (Ortszeit) wurden 28 Leichen aus dem Wasser rund um die Fähre gezogen. Fast 180 Menschen waren gerettet worden. Der Rest gilt als vermisst.

Erschüttert zeigte sich Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier angesichts der Katastrophe: «Wir trauern um die vielen Menschen, die beim Untergang der "Sewol" umgekommen sind und wünschen uns, dass unter den Vermissten noch Überlebende geborgen werden können», sagte der SPD-Politiker am Freitag. «Gerade auch der Tod von jungen Schülerinnen und Schülern auf einem gemeinsamen Ausflug berührt besonders schmerzlich.»

Der erste Vorstoß von Tauchern ins Innere des Wracks endete ohne sichtbaren Erfolg. Nach Berichten südkoreanischer Medien riss in der starken Strömung unter anderem das Führungsseil der Taucher. Auch war der Weg in den Frachtraum der Auto- und Personenfähre versperrt. Die Rettungsmannschaften begannen jedoch damit, Luft in das Schiff zu pumpen.

Das Schiff war am Mittwoch in Seenot geraten und gesunken. Als Ursache gilt ein scharfer Kurswechsel. Es wird vermutet, dass dadurch die Autos und Container verrutscht und so das Schiff in Schieflage geraten sein könnte. Fest steht für die Ermittler, dass der Kurswechsel am Ort der Havarie vorgenommen wurde. Auch wird nicht ausgeschlossen, dass die Fähre einen Felsen unter Wasser rammte.

Vor allem Angehörige der Vermissten hoffen nach wie vor, dass Überlebende gefunden werden. Einige der Passagiere könnten Experten zufolge den Untergang zunächst in einer Luftblase überlebt haben. Allerdings sei es angesichts der niedrigen Wassertemperatur und des schwindenden Sauerstoffs schwierig, darin mehr als zwei Tage zu überleben.

Familien von Vermissten richteten schwere Vorwürfe gegen die Regierung. In einer Erklärung warfen sie ihr vor, nicht genug für die Rettung möglicher Überlebender zu tun. «Unsere Kinder schreien im eiskalten Wasser nach Hilfe, bitte helft ihnen», hieß es in einer Erklärung. Viele Angehörige harren in der Nähe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo aus.

Auf dieser Insel soll sich indes ein Lehrer erhängt haben. Der Mann war stellvertretender Direktor der Oberschule nahe Seoul, von der ein Großteil der jungen Passagiere kam. Offensichtlich habe er Schuldgefühle gehabt, weil er gerettet wurde, während viele unter seiner Obhut mitreisende Schüler vermisst werden, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die Polizei.

US-Präsident Barack Obama sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Einsatzkräfte der US-Marine seien zur Unterstützung am Unglücksort, sagte er am Donnerstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus.

Laut Fernsehberichten wurden am Freitag vier riesige Schwimmkräne von Werfthäfen in die Nähe der Unglücksstelle gebracht. Experten diskutierten noch darüber, wie das Wrack am besten gehoben werden könnte. Auch ein Schwimmdock könnte zur Unglücksstelle gebracht werden.

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Ernst Blum 19.04.14 17:12
Der Kapitän ist derselbe Feigling
Er ist so feige wie der Kapitän der Costa im Mittelmeer. Lebenslange Haft sei ihm sicher.
Traurig was jeden Tag passiert. Vor allem das Verhalten der Besatzung ist Schrecklich und soll genau Untersucht werden