Seehofer bringt Optimismus in den Tarifstreit

Kommt der Durchbruch?

Foto: Ralf Hirschberger/Dpa
Foto: Ralf Hirschberger/Dpa

POTSDAM (dpa) - Nach tagelangen Warnstreiks soll im Nahverkehr, in den Kitas, im öffentlichen Dienst insgesamt wieder Ruhe einkehren. Die Zeichen im Tarifpoker stehen auf Einigung. Welche Rolle spielt Horst Seehofer dabei?

Mehr als zehn Minuten nimmt sich Horst Seehofer Zeit für die Demonstranten. Mit Trillerpfeifen und Fahnen haben die Angehörigen des öffentlichen Dienstes den CSU-Innenminister in Potsdam erwartet. Von ihm, dem Tarifneuling, erwarten die Gewerkschaften so großes Entgegenkommen, dass es schnell zu einem Durchbruch kommt. Massive Warnstreiks hatten Hunderttausenden Fluggästen, Pendlern und Eltern von Kita-Kindern über Tage das Leben schwer gemacht. Nun könnte der Tarifstreit um das Einkommen der 2,3 Millionen Beschäftigten von Kommunen und Bund rasch enden.

Weder Gewerkschaften noch Arbeitgeber wollen ein Scheitern dieser Tarifrunde. Doch für Seehofer wäre ein Misserfolg besonders blamabel. Dem Vertreter des starken Staats, dem erklärten Verfechter guter Löhne für gute Arbeit eilt am Verhandlungsort der Ruf voraus, Wegbereiter einer schnellen und möglichst sogar großzügigen Lösung zu sein. Als der 68-Jährige da ist, sagt er: «Ich habe auch ein persönliches Interesse, dass wir für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu einem Abschluss kommen, denn diese Beschäftigten erbringen für unser Land einen ganz wichtigen Dienst für das Land und für die Menschen.»

Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, freut sich: «Wenn er die bayerische Politik der Wertschätzung für den öffentlichen Dienst auf Bund und Kommunen überträgt, können wir uns schnell einigen.» Doch in Bayern sprudeln seit Jahren die öffentlichen Einnahmen besonders stark. Und im aktuellen Tarifstreit kann der Verhandlungsführer des Bundes bei weitem nicht allein entscheiden. Die meisten Betroffenen sind bei den Kommunen beschäftigt - und von denen sind viele klamm.

Doch auch der kommunale Verhandlungsführer, VKA-Präsident Thomas Böhle, zeigt sich zum Start zahm. Von breiter Kompromissbereitschaft spricht er. Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Einkommen. Das findet Böhle zuviel. Aber besonders strikt lehnte er bisher den ebenfalls geforderten Mindestbeitrag von 200 Euro für die Kleinverdiener im öffentlichen Dienst ab. Denn dies würde bei ihnen ein Lohnplus von bis zu 11,4 Prozent bringen.

Nun erläutert Böhle die unterschiedlichen Interessen: Die Gewerkschaften wollten für ihre vielen Mitgliedern mit geringen Löhnen möglichst viel herausholen - die Kommunen eher für die immer schwerer zu gewinnenden Fachkräfte. «Wenn wir für die Fachkräfte etwas tun können, dann kann ich mir auch vorstellen, dass es gewisse Verbesserungen für die unteren Entgeltgruppen geben wird.»

Verdi-Chef Frank Bsirkse meint, offenbar habe Seehofer Verständnis für Menschen mit unteren und mittleren Gehältern. Mit neuen Streiks im Fall eines Scheiterns will der Gewerkschaftsboss diesmal nicht offen drohen. Er sagt nur: «Würde es jetzt nicht gelingen, einen Durchbruch zu erzielen, wäre das ein Zeichen für eine Eskalation des Konfliktes.» Lediglich dbb-Chef Silberbach droht noch direkt mit verstärkten Arbeitskämpfen im Fall einer Nichteinigung. Aber er geht nach eigenen Angaben fest von einem Durchbruch an diesem Montag oder am frühen Dienstag aus.

Für Seehofer sind die Weichenstellungen im Bund auch mit Blick auf die Erfolge seiner CSU bei der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober von großer Bedeutung. Für Bayern hat Markus Söder, Seehofers Nachfolger als Ministerpräsident, bereits vorgelegt: Der Freistaat bekommt zur Unterstützung der Bundespolizei wieder eine eigene Grenzpolizei.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Jürgen Franke 16.04.18 21:27
Es ist widerlich und beschämend
wenn man erfahren muss, wie der öffentliche Dienst wieder einmal betteln muss, um an mehr Geld zu kommen, wo auf der anderen Seite für eine Bankenrettung in Hamburg (Scholz, jetzt Finanzminister, war in der Verantwortung) Steuergelder verpulvert werden müssen.