Schweizerentscheiden über bedingungsloses Grundeinkommen

Archivbild: epa
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Basel (dpa) - Als erstes Volk der Welt können die Schweizer an diesem Sonntag über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für jeden Einwohner entscheiden. Umfragen deuten allerdings darauf hin, dass die meisten der rund fünf Millionen Wahlberechtigten gegen eine entsprechende Volksinitiative stimmen wollen. Deutlich mehr als 70 Prozent wollen sie nach Einschätzung des Forschungsinstituts gfs.bern ablehnen.

Die Initiatoren würden allerdings nach eigenen Angaben selbst eine Zustimmung von nur 20 Prozent bei dem seit langem in der Schweiz und auch in Deutschland heftig debattierten Thema als Erfolg werten. «Wir wollten mit dem Referendum ein Signal setzen, die Debatten über das Thema Grundeinkommen werden in den nächsten Jahren auf alle Fälle weitergehen», sagte Mitinitiator Philip Kovce der Deutschen Presse-Agentur im Basler Hauptquartier der Initiative.

Die Schweizer sind außerdem zur Abstimmung über eine Gesetzesreform aufgerufen, mit der eine Beschleunigung der Asylverfahren erreicht werden soll. Dabei zeichnet sich laut Umfragen eine Zustimmung ab. Knapp angenommen werden könnte außerdem eine Initiative, mit der staatseigene Unternehmen wie die Post oder die Bahn verpflichtet werden sollen, Bürgerinteressen vor das Streben nach Profit zu stellen. Sollte der Vorschlag durchkommen, dürften Spitzenmanager solcher Unternehmen nicht mehr höher entlohnt werden als Regierungsmitglieder. Zudem stimmen die Eidgenossen über eine Neustrukturierung der Straßenbaufinanzierung und neue Regeln für die Präimplantationsdiagnostik ab.

Als das mit Abstand am heftigste debattierte Thema ragte die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommens aus der mehrwöchigen Referendumskampagne heraus. Jeder Erwachsene soll nach den Vorstellungen der Initiatoren 2500 und jedes Kind 625 Franken pro Monat bekommen - derzeit sind das umgerechnet rund 2260 sowie 565 Euro. Im Gegenzug würden Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Renten wegfallen.

Gegner einer solchen Grundabsicherung für jedermann halten sie für nicht finanzierbar. Sie warnen vor dann angeblich notwendigen erheblichen Steuererhöhungen. Angesichts der Schweizer Volksabstimmung sind auch in Deutschland Rufe nach einem bedingungslosen Grundeinkommen vom Staat lauter geworden. Die Debatte hierüber werde dauerhaft bleiben, «bis sich die Idee des Grundeinkommens durchgesetzt hat, und die Skeptiker auch zustimmen können», sagte Linke-Chefin Katja Kipping der «Huffington Post».

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele forderte seine Partei in der Online-Zeitung dazu auf, das Grundeinkommen zum zentralen Thema für die Bundestagswahl 2017 zu machen. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hingegen hält ein bedingungsloses Grundeinkommen für einen «großen Irrweg». «Wenn jeder unabhängig von seiner Leistung und Bedürftigkeit erst einmal 1000 Euro im Monat bekäme, würden Solidaritätsgedanke und Leistungsprinzip auf Dauer außer Kraft gesetzt», sagte sie der «Passauer Neuen Presse» (Samstag).

Bei den Linken und den Grünen gibt es seit Jahren Fürsprecher für die Reform, aber auch entschiedene Gegner. Zuletzt hatte sich auf dem Linken-Parteitag in Magdeburg gezeigt, dass viele sich ein Eintreten ihrer Partei für das Grundeinkommen wünschen. Co-Parteichef Bernd Riexinger zählt indes zu den Gegnern. Im politischen Spektrum insgesamt wäre das Vorhaben auf absehbare Zeit wohl kaum durchsetzbar.

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Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:00
Urnengang in Hell-Vetien
Geehrter Jürgen, nach den ersten Hochrechnungen sind die Wahlen,ausser dem Grundeinkommen, nach meinem "Gusto" verlaufen! Verlierer sind die der AfD nahestehenden SVP- ler ! Ein Dank ans Schweizer -Volk sich für die Vernunft entschieden zu haben !
Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:00
Wahltag ist Zahltag !
Diesmal aber nicht für die erfolgsverwöhnte und abgehobene Volkspartei der Jodler,Fahnenschwinger, Musikantenstadler, Hornusser, Heimatverteidiger und Rechtspopulisten !Gleich zwei "Ohrfeigen" mussten sie einstecken,die erste für die Aenderung des Asylgesetztes und die zweite für die "Milchkuh-Initiative" ! Das ist natürlich auch ein gewaltiger Tiefschlag für die vom "SVP-Virus" angeschlagenen Ausland-Schweizer, besonders der Sektion Pattaya,denen die Niederlage der "Mutterpartei" einige Magenschmerzen bereiten wird ! Die Sieger dieser Wahl sind als erste,die gemässigten Eidgenossen selbst, dann der Bundesrat und man höre und staune, die SP Schweiz ! Historisch ist, dass die christlich-katholen Stadt Luzern einen SP-Mann zum Stadtpräsidenten gewählt hat und noch historischer ist, dass die Schweiz als erstes Land der Welt über ein Grundeinkommen abstimmen liess , wobei die Ja-Sager auf beachtliche 23% der Stimmen kamen ! Ein guter Wahl-Sonntag für Hell-Vetien !
Jürgen Franke 05.06.16 23:01
Lieber Jack
es wird interessant werden, welche Lehren jetzt die Deutschen aus dem Wahlergebnis ziehen. Interessant für mich ist die Frage, wie in zukünftig Managerbezüge reguliert werden. Den Schweizer Vorschlag finde ich gut. Es war unverständlich, wie man einer einzelnen Person so viel Verantwortung auferlegen konnte, die eine Gehaltszahlung von 18 Millionen Euro im Jahr gerechtfertigt hat. Diese Summe hatte Winterkorn als VW Chef kassiert und hat trotzdem den Laden gegen die Wand gesetzt. Das Grundeinkommen ist unsinnig. Hier ist für Deutschland eine vernünftige Rentenreform erforderlich. Aber das muss für heute erstmal reichen. ich wünsche Dir eine gute Nacht..