GENF (dpa) - Die Gewaltwelle in der Unruheregion Rakhine in Myanmar hat schon mehr als eine Viertelmillion Menschen in die Flucht getrieben.
In Bangladesch seien in den vergangenen zwei Wochen mindestens 270.000 Muslime aus dem Nachbarland eingetroffen, berichteten die Vereinten Nationen am Freitag in Genf. Das sind rund 100.000 mehr als bislang angenommen. Der Grund: Viele Menschen kampierten an Straßen und in Feldern, und die Hilfsorganisationen hätten heute einen besseren Überblick als noch vor wenigen Tagen, sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR).
Die Rohingya sind eine im überwiegend buddhistischen Myanmar in Südostasien verfolgte muslimische Minderheit. «Die Rohingya sind eine staatenlose muslimische Minderheit, die in Myanmar seit Jahrzehnten mit Diskriminierung und extremer Armut konfrontiert ist», sagte UNHCR-Sprecherin Duniya Aslam Kahn. Am Donnerstag hatte das Flüchtlingshilfswerk noch von 164.000 geflohenen Rohingya gesprochen.
Was genau in der Unruheprovinz Rakhine vor sich geht, weiß niemand. Die Vereinten Nationen haben keinen Zugang. Geflüchtete berichteten, dass ihre Häuser niedergebrannt wurden und Familienangehörige erschossen worden seien. Überprüfen ließen sich solche Angaben nicht.
Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi machte «Terroristen» für die neue Welle der Gewalt verantwortlich. Seit 25. August sollen mindestens 400 Menschen getötet worden sein. Der Regierung zufolge hatten Rohingya Polizei- und Militärposten angegriffen. Nach deren Darstellung ging die Gewalt von Sicherheitskräften aus.
«Ich bin sehr enttäuscht von ihrer Haltung», sagte der frühere Direktor des norwegischen Nobel-Instituts Geir Lundestad am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. «Sie sieht dies einfach nur als eine Frage von Terrorismus, und sie hat keine Bemühungen unternommen, in dieser sehr schwierigen Lage eine politische Lösung zu finden.» Ihre Auszeichnung aus dem Jahr 1991 könne Suu Kyi gemäß den Statuten der Nobel-Stiftung aber nicht aberkannt werden, betonte er.
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) appellierte am Freitag an alle Seiten, zur Deeskalation beizutragen und die Zivilbevölkerung zu schützen. Im Vordergrund müsse jetzt die Linderung des Leids für die betroffenen Menschen stehen, sagte Gabriel laut Auswärtigem Amt. Deshalb müsse die myanmarische Regierung Hilfs- und humanitären Organisationen unbegrenzten Zugang zu den betroffenen Gebieten ermöglichen.