Schlecker-Prozess auf der Zielgeraden

Foto: epa/Jan-philipp Strobel
Foto: epa/Jan-philipp Strobel

STUTTGART (dpa) - Anton Schleckers Zeit auf der Anklagebank nähert sich allmählich dem Ende. Seit März läuft gegen den einstigen Drogeriemarkt-König ein Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Das geplante Zeugenprogramm ist nun durch, damit kommt das Ende des Verfahrens in Sicht. Ein Überblick über den Stand der Dinge.

Worum geht es?

Der Schlecker-Konzern war ein Drogerie-Riese in Europa, doch im vergangenen Jahrzehnt liefen die Geschäfte immer schlechter. Konkurrenten wie Rossmann oder dm punkteten mit gutem Design und besseren Preisen - Schlecker wurde zum «Schmuddelkind» der Branche, wie ein Zeuge im Prozess sagte. Anfang 2012 kam es dann zum Kollaps, das Unternehmen ging in die Insolvenz und wurde später abgewickelt.

Als eingetragener Kaufmann haftete Schlecker mit seinem privaten Vermögen. In den Jahren vor der Pleite aber hatte er Geld aus der Firma gezogen und es an seine Familie übertragen. Nach Darstellung der Ankläger durfte er das nicht, die Verteidigung bestreitet hingegen Verfehlungen.

Was genau sind die Anklagepunkte?

Die Liste der Vorwürfe gegen Anton Schlecker (72) sowie seine beiden Kinder Lars (46) und Meike (43) ist lang. Es geht unter anderem um vorsätzlichen Bankrott, Beihilfe zum Bankrott und Untreue. Würde der Bankrott als besonders schwerer Fall gewertet, könnte Anton Schlecker eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren drohen. Danach sieht es aber nicht aus. Als «normaler» Fall wären bis zu fünf Jahre möglich.

Wie sieht es also aus für Anton Schlecker?

Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Einerseits wird eine harte Haftstrafe immer unwahrscheinlicher. Andererseits jedoch ist es inzwischen so gut wie auszuschließen, dass Schlecker einen Freispruch bekommt - so lassen sich jüngste Andeutungen des Richters verstehen.

Was ist der entscheidende Punkt in dem Verfahren?

Der Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Ab dann hätte Schlecker keinen Cent mehr aus dem Firmenvermögen ziehen dürfen. Die Staatsanwaltschaft setzte den kritischen Moment in ihrer Klageschrift auf Ende 2009 an und kam damit auf einen Betrag von mehr als 25 Millionen Euro, die Schlecker widerrechtlich in private Kanäle umgeleitet und somit dem späteren Zugriff der Gläubiger entzogen habe. Verschiebt sich dieser Zeitpunkt nach hinten, sinkt die Schadensumme - somit würde ein Schuldspruch wohl schwächer ausfallen.

Was ist unlängst geschehen im Verfahren?

Zur Frage des Zeitpunktes haben sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung in einem öffentlichen Gespräch ausgetauscht. Beide Seiten sind von ihren ursprünglichen Positionen etwas abgerückt: Die Ankläger gehen jetzt von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ab Ende 2010 aus, die Verteidiger könnten mit einer Festlegung auf April 2011 leben. Der Vorsitzende Richter Roderich Martis hingegen tendiert zum 28. Januar 2011 - an diesem Tag lagen Schlecker schlechte Zahlen für 2010 vor, ab dann hätte er demnach das Unheil kommen sehen können.

Was bedeutet das?

Nehmen wir an, der Richter bliebe beim 28. Januar 2011 als Beginn der absehbaren Zahlungsunfähigkeit. Dann würde der erste Anklagepunkt wegen vorsätzlichen Bankrotts fast komplett wegfallen. Hierbei wirft die Staatsanwaltschaft Schlecker vor, vom Anfang Januar 2010 bis Ende Februar 2011 viel zu hohe Rechnungen einer Logistikfirma bezahlt zu haben, die den Kindern Meike und Lars gehörte. Dadurch sei, so die Staatsanwaltschaft, ein Schaden von 11 Millionen Euro entstanden.

Der Zeitraum für diesen Schaden würde mit der Festlegung auf den 28. Januar 2011 von 14 Monaten auf einen Monat schrumpfen - und die Schadensumme auf unter eine Million Euro fallen. Ein anderer Anklagepunkt zum Zeitraum vom März 2011 und der Insolvenzanmeldung im Januar 2012 bliebe hingegen bestehen.

Wie geht es weiter?

Der nächste Verhandlungstermin ist der 16. Oktober - er dürfte wenig ereignisreich verlaufen, es ist kein weiterer Zeuge geladen. Die Plädoyers und das Urteil könnten im November folgen. Könnten - denn es kann auch sein, dass sich der Prozess hinzieht. Zunächst muss die Beweisaufnahme geschlossen werden. Dies könnte sich aber hinziehen.

So hatte die Verteidigung ihren Unmut über ein Gutachten einer Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes zur drohenden Zahlungsunfähigkeit geäußert. Aus Sicht der Anwälte hat diese Analyse methodische Mängel. Gut möglich also, dass die Verteidigung ein weiteres Gutachten beantragt. Es könnte sogar sein, dass ein Urteil in diesem Fall erst Anfang 2018 gefällt wird.

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