Schenken kann vielerlei bedeuten

Schenken kann vielerlei bedeuten

Weihnachten ist vorbei. Jetzt ist die Zeit gekommen, die unwillkommenen Geschenke umzutauschen: Stress-Zeit für Verkäufer und Verkäuferinnen. Und ich frage mich: Was bedeutet schenken? Ich gehe mal auf Google: Geschenke kommt von einschenken, heißt es da. Geschenke waren ursprünglich Gaben für die Götter. Heute heißt es: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Weihnachten oder Geburtstag ohne Geschenk, das geht gar nicht. Ich habe Freunde und Bekannte, die niemals etwas schenken, weder zu Weihnachten noch zum Geburtstag. Ich nehme es ihnen nicht übel. Ich werde weiterhin bei jedem Anlass darüber nachdenken, womit ich ihnen eine Freude machen kann, selbst dann, wenn sie es nur mit einem Kopfnicken zur Kenntnis nehmen. Natürlich denke ich trotzdem über sie nach. Sind sie geizig, sind sie selbst als Kinder nie beschenkt worden oder sind sie nur auf sich bezogen? Vielleicht wissen sie nicht, wie viel Freude sie mit einer kleinen Aufmerksamkeit auslösen können. Wie lange hat der Schenkende darüber nachgedacht, womit er mir eine Freude machen kann? Hat er versucht, sich in mich hineinzuversetzen und überlegt, was mich vielleicht beglü­cken könnte? Ich kenne beide Ansichten gut genug, um zu sagen, dass meine Meinung dabei keine Rolle spielt. Ich bin kurz vor Beginn des großen Krieges am 1. Weihnachtstag geboren. Es gab nicht viel zum Schenken und schon gar nichts zum Verschenken. Meine Mutter lockte meine Spielkameraden zum Kindergeburtstag, indem sie ihnen kleine Geschenke versprach – natürlich auf meine Kosten. Ich bekam dafür nichts.

Derjenige, der ohne ein Geschenk zu einem Fest geht, hat wahrscheinlich keinen Augenblick daran verschwendet. Er hofft auf einen schönen Abend mit angenehmen Freunden oder Bekannten. Warum sollte er sie beschenken? Er ist der Gast, er selbst ist das Geschenk, er macht aus diesem Abend ein Geschenk für alle Anwesenden. Wunderbar! Und auch kein Grund undankbar zu sein. Ich gebe zu, ich bin da anders gestrickt. Ohne ein kleines Geschenk, über das ich mir zum Teil lange Gedanken gemacht habe, gehe ich zu keinem Fest. Ich weiß, der Gastgeber hat sich viel Mühe gegeben, seine Gäste zu überraschen und glücklich zu machen. Da genügt es meiner Meinung nach nicht, sich angemessen zu kleiden, da gehört auch ein kleines Gastgeschenk dazu, ein Duftwasser, ein Buch, eine DVD oder eine besondere CD. Ja, ich weiß: solche Gedanken haben für einige Leser nichts mit einer spitzen Feder zu tun. Aber es hat etwas mit Menschlichkeit zu tun. Es hat damit zu tun, wie Menschen miteinander umgehen, und – um diesen Gedanken weiter zu spinnen – letztlich auch mit Krieg und Frieden. Wenn wir unseren Nachbarländern entgegenkommen, dann dürfen auch wir auf Entgegenkommen setzen. Wenn wir ihnen aber unsere Waffen vor die Tür stellen, dürfen wir nicht erwarten, dass sie uns als Freunde betrachten.

Wenn es uns damit ernst ist, den Weltfrieden zu erhalten, dann sollten wir peinlich darauf achten, dass unsere Nachbarländer unsere Aktivitäten positiv betrachten und nicht als Bedrohungen.

Die meisten Leser dieser Kolumne sind wahrscheinlich in Friedenszeiten geboren und aufgewachsen – im Gegensatz zu mir. Ich würde gerne die letzten Jahre meines Lebens auch noch in Frieden erleben, selbst wenn ich weiß, dass im letzten Jahr mehr Waffen in alle Welt geliefert wurden als je zuvor. Wenn dann ein Politiker mir erzählt, das seien Geschenke für befreundete Staaten, die uns helfen, den Frieden zu bewahren, dann sage ich ihnen: Damit schafft ihr keinen Frieden. Damit bereitet ihr den nächsten Krieg vor. Und den will ich nicht mehr erleben.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Dracomir Pires 08.01.17 22:17
Sie bekriegen sich auch ohne deutsche Waffen
"Wenn es uns damit ernst ist, den Weltfrieden zu erhalten, dann sollten wir peinlich darauf achten, dass unsere Nachbarländer unsere Aktivitäten positiv betrachten und nicht als Bedrohungen". Grosse Worte, doch ich als Schweizer finde die deutschen Aktivitäten aufgrund des unsäglichen "Wir schaffen das" als nachhaltig sehr bedrohlich. Die Schweiz ist doch ein Nachbarland, oder? Aber vielleicht meint die Spitze Feder mit "Nachbarländer" jemand ganz anderen, jemand weit entfernten. Dort werden sie sich leider die Köpfe einhauen, wenn nicht mit deutschen Waffen, dann halt mit jenen made in China, Russland, USA, Frankreich usw.