Satire ist ein künstlerischer bzw. humoristischer Ausdruck der Kritik und darf – laut Tucholsky – alles, auch wenn dem nicht jedermann zustimmen wird.
Die Thais können mit Satire wenig anfangen. Sie ist ihnen kaum zu vermitteln, denn sie sind anders gepolt. Spott nehmen sie ernst und können dabei leicht ausrasten.
Mit dem türkischen Präsidenten Erdogan bin ich im Fall der sogenannten Böhmermann-Schmähkritik ausnahmsweise einer Meinung. Kritik? Klar! Immer drauf! Aber Beleidigung, Entwürdigung? Nein. Was ist an der Bezeichnung „Ziegenficker“ Satire? Egal, ob damit ein Staatsführer gemeint ist oder irgendein anonymer Bürger – das ist nichts als beleidigend. Okay, ich halte das nicht für strafwürdig, aber moralisch ist es für mich nicht akzeptabel. Ich habe nichts dagegen, dass deutsche Gerichte darüber entscheiden. Ich selbst bin als Fernsehredakteur oft genug zensiert worden und im eigenen Theater von den Medien beschimpft worden – allerdings zu einer Zeit, als Schwule in der Bundesrepublik noch ins Gefängnis gesteckt wurden und Kritik am Bundespräsidenten, der damals schon dement war, ebenfalls bestraft wurde. Die Zeiten haben sich verändert. Der überholte Paragraph gegen Majestätsbeleidigung soll in naher Zukunft aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Es jetzt zu tun würde den Eindruck einer „Lex Erdogan“ erwecken. Was unbedingt vermieden werden soll.
Böhmermann wird, davon bin ich fest überzeugt, freigesprochen werden, auch wenn ich sein Elaborat für geschmacklos halte. Aber ich finde es ebenso geschmacklos, wenn Touristen halbnackt an Feiertagen in Pattayas Edelrestaurants auftauchen. Natürlich nicht strafbar, aber höchst unangenehm. Außerdem ist es Sache des Wirtes, ob er dieses Verhalten zulässt, möglicherweise, weil er auf jeden Gast angewiesen ist…
Kritik an der Regierung oder an der Religion ist bis heute in vielen Ländern ein Delikt, das oft mit dem Tod bestraft wird, zumindest mit lebenslanger Haft. Natürlich handelt es sich bei diesen Ländern um Diktaturen, und wer, wie Erdogan, Tausende von kritischen Journalisten mit Strafanzeigen überschüttet, der ist in meinen Augen zutiefst gestört.
Es gab Zeiten, als auch in Deutschland Satiriker eingelocht wurden, wie beispielsweise der Herausgeber der „Weltbühne“ und spätere Nobelpreisträger Carl von Ossietzky. Man warf ihm Spionage vor – ähnlich wie später dem „Spiegel“-Herausgeber Augstein - und steckte ihn ins KZ. In Diktaturen werden Satiriker oder Kritiker immer als Terroristen bezeichnet und entsprechend behandelt.
Wenn ich meinen Nachbarn in Deutschland einen Päderasten nenne, obwohl er das nachweislich nicht ist, wird er mich vermutlich anzeigen, und ich werde zu Recht bestraft werden. Warum? Weil das keine Satire ist sondern schlicht und einfach eine strafbare Ehrabschneidung. Eine Meinungsäußerung hingegen wäre straffrei.
Manchmal wenn ich die „Heute-Show“ im ZDF sehe, stockt mir der Atem. Zu meiner Zeit (ich war von 1965 bis 1978 zuständiger ZDF-Redakteur der Abteilung Kabarett) wäre ich dafür fristlos entlassen worden. Die zaghaften Anfänge der Satire im ZDF hießen „Ein Platz für Satire“, „Express“ oder „Notizen aus der Provinz“ mit Dieter Hildebrandt. Alle diese Sendungen wurden massiv zusammengeschnitten, und der jeweils zuständige Redakteur musste sich regelmäßig vor dem politisch mehrheitlich rechts zusammengesetzten Fernsehrat verantworten. Die ARD war damals schon viel fortschrittlicher. Gott sei Dank hat sich inzwischen bei uns einiges verändert.
Außerhalb seiner Heimatländer sollte man sich rechtzeitig schlau machen, was man sich satirisch erlauben darf, ohne vor Gericht gezerrt zu werden. So ist in Thailand jegliche Kritik an der Monarchie streng verboten. Inzwischen ist auch der öffentliche Widerstand gegen die geplante Abstimmung über das neue Grundgesetz des Militärregimes unter Strafe gestellt. Einem Farang, der hier auf Dauer leben möchte, würde ich dringend vor jeder Kritik abraten. Selbst Witze fallen unter diesen Strafparagraphen. Ich könnte einige erzählen, habe aber nicht den Wunsch, meine letzten Lebensjahre im Gefängnis zu verbringen.
Tatsache ist: der Fall Böhmermann hat eine Diskussion in Gang gebracht, die längst überfällig war – nicht nur in Deutschland.
Erdo, wie?
Erdo, wo?
Erdo, wann?