Russland und Partner vereinbaren Schutzzonen für Syrien

Foto: epa/Yuri Kochetkov/pool
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ASTANA/ANKARA (dpa) - Hoffnung für die kriegsgeplagten Menschen in Syrien oder ein Trick? Schutzzonen im Land sollen Flüchtlingen Zuflucht bieten. Hauptfrage bleibt, ob Russland Luftangriffe auf diese Gebiete unterlässt.

Russland, die Türkei und der Iran haben die Einrichtung von Schutzzonen im Bürgerkriegsland Syrien vereinbart. Das Memorandum wurde am Donnerstag bei den Syrien-Gesprächen in der kasachischen Hauptstadt Astana unterzeichnet. In Regionen, die von Gegnern der syrischen Führung gehalten werden, soll die Bevölkerung in vier sogenannte Deeskalationszonen flüchten können. Dort soll nach russischen Angaben von Samstag an (6. Mai) nicht mehr gekämpft werden. Die US-Regierung reagierte mit Skepsis auf die Einigung. Sie stört sich vor allem an der Rolle des Irans.

Die Erfolgsaussichten der Zonen werden unterschiedlich beurteilt. Syriens Opposition erklärte, sie sei nicht Teil des Abkommens. «Das Abkommen könnte gut sein, wenn es umgesetzt würde», sagte Oppositionssprecher, Jihja al-Aridi. «Aber normalerweise sagen das syrische Regime und der Iran das eine und tun das andere.»

Außerdem hat Russlands Luftwaffe in den vergangenen Monaten trotz Waffenruhe unter dem Vorwand von Terrorbekämpfung Angriffe auf Rebellengebiete geflogen. In den künftigen Schutzzonen ist die Al-Kaida-nahe Extremistengruppe Tahrir al-Scham stark.

Kritiker führten bislang außerdem an, dass die Sicherheit in solchen Schutzzonen notfalls auch militärisch durchgesetzt werden müsste. In dem seit mehr als sechs Jahren dauernden Krieg in Syrien sind schon über 400 000 Menschen getötet worden.

Drei Vertreter der syrischen bewaffneten Opposition verließen aus Protest gegen die Beteiligung des Irans an dem Memorandum die Sitzung in Astana. Einer von ihnen rief: «Iraner sind Verbrecher, sie dürfen nicht unterzeichnen.» Moskau und Teheran kämpfen aufseiten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Gemeinsam mit der Türkei treten Russland und der Iran als Garanten der seit Ende 2016 geltenden Waffenruhe auf. Gleichzeitig werden aber die russische Luftwaffe und iranische Milizen für viele Verletzungen der Feuerpause verantwortlich gemacht.

Die Schutzzonen sollen sich nach türkischen Angaben über die gesamte Provinz Idlib sowie über Teile der Provinzen Latakia, Aleppo, Hama, Homs, Damaskus, Daraa und Kuneitra erstrecken. Die notleidende Bevölkerung dort solle versorgt werden, teilte das Außenministerium in Ankara mit. Details sollten in Arbeitsgruppen zwischen den Garantiemächten Russland, Türkei und Iran festgeschrieben werden.

Der russische Staatschef Wladimir Putin hatte zuvor mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan und mit US-Präsident Donald Trump über die Schutzzonen gesprochen. Erdogan wurde danach mit den Worten zitiert, dieser Schritt könne 50 Prozent des Syrien-Konflikts lösen. Er hat die Einrichtung solcher Zonen seit langem gefordert.

Die Schutzzonen würden von Luftangriffen verschont, wenn dort die Waffen schweigen, stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Aussicht. Zugleich sagte er: «Das bedeutet aber in keiner Weise eine Pause im Kampf gegen Terrorismus.»

An der vierten Runde der Gespräche in Astana nahmen erstmals der UN-Sonderbeauftragte im Syrien-Konflikt, Staffan de Mistura, und ein ranghoher US-Vertreter teil.

Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, erklärte anschließend in Washington, die USA begrüßten alle Vereinbarungen, die die Gewalt in Syrien reduzierten. Man habe bei dem Abkommen aber Bedenken, insbesondere was die Rolle des Irans angehe.

«Die iranischen Aktivitäten in Syrien haben nur zur Gewalt beigetragen, statt sie zu stoppen, und die bedingungslose Unterstützung für das Assad-Regime hat das Elend für normale Syrer fortgesetzt», erklärte Nauert. «Angesichts der Misserfolge bei vergangenen Vereinbarungen haben wir Grund, vorsichtig zu sein.»

De Mistura kündigte an, dass die Syrien-Verhandlungen unter Führung der UN in Genf Ende Mai fortgesetzt sollen. Die fünfte Runde der von Russland, der Türkei und dem Iran organisierten Gespräche in Astana solle Mitte Juli stattfinden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums von Kasachstan.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zog nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern am Donnerstag aus der strategisch wichtigen Stadt Al-Tabka im Norden Syriens ab. Mitte April war ein von Kurden angeführtes Bündnis erstmals in Vororte von Al-Tabka eingerückt. Die Stadt gilt als wichtig für die Rückeroberung der IS-Hochburg Al-Rakka, die etwa 55 Kilometer entfernt liegt.

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