Rohingya-Rückführung verschoben

 Rohingya-Flüchtlinge in Cox's Bazar in Bangladesch. Foto: epa/Epa-efe/tracey Nearmy
Rohingya-Flüchtlinge in Cox's Bazar in Bangladesch. Foto: epa/Epa-efe/tracey Nearmy

COX'S BAZAR/RANGUN (dpa) - Gerade sind die Rohingya zu Hunderttausenden geflohen, schon will Bangladesch sie zurück nach Myanmar schicken. Die Rückführung ist zwar verschoben, aber nicht aufgehoben. Und die Flüchtlinge haben Grund, sich Sorgen zu machen.

Es war ein rätselhafter Deal: Noch während täglich Tausende Rohingya auf der Flucht vor Gewalt aus Myanmar in Bangladesch ankamen, vereinbarten im November die Nachbarländer eine Rückführung der Flüchtlinge. Diese sollte am Dienstag beginnen. Der Beginn wurde zwar im letzten Moment wegen andauernder Vorbereitungen auf unbestimmte Zeit verschoben. Dass es jederzeit losgehen könnte, schwebt aber wie ein Damoklesschwert über den Angehörigen der Minderheit, die häufig als meistverfolgte der Welt bezeichnet wird.

Viele der mehr als 650.000 Menschen, die es seit Ende August über die Grenze geschafft haben und nun in notdürftigen Lagern ausharren, haben alles verloren. Ihre Dörfer im Norden von Myanmars Bundesstaat Rakhine wurden von Soldaten und Mobs niedergebrannt, ihre Angehörigen vergewaltigt und getötet. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass die Diskriminierung und Gewalt gegen sie in Myanmar bald aufhören. Viele der Flüchtlinge wollen deshalb unter keinen Umständen zurück.

«Die Armee würde mich umbringen», sagt die 80-jährige Gul Bahar, die seit vier Monaten in Nayapara lebt - einem der vielen Lager im bangladeschischen Bezirk Cox's Bazar, den die Flüchtlinge nicht verlassen dürfen. In die Heimat zurück, wo sie ihre Schwester verlor. «Lieber sterbe ich hier.»

Bangladeschs Außenminister Abul Hassan Mahmood Ali hat zwar am Sonntag erklärt, sein Land werde die Rohingya nicht zwingen, die Flüchtlingslager zu verlassen. Bangladesch hat sich aber mit Myanmar auf eine Quote geeinigt: Im Laufe der nächsten zwei Jahre sollen pro Woche 1.500 Rohingya zurückgeschickt werden.

Ali hat auch angekündigt, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR werde bei der Rückführung beteiligt. Bislang ist das aber nicht geschehen. Das UNHCR fordert Myanmar immer wieder auf, ungehinderten humanitären Zugang zu Rakhine zu gewähren. «Mit Stand heute fehlen die nötigen Schutzmaßnahmen, und es gibt andauernde Zugangsbeschränkungen für Hilfsorganisationen, Medien und andere unabhängige Beobachter», heißt es am Dienstag in einer UNHCR-Mitteilung.

Das ehemalige Birma verweigert den Angehörigen der muslimischen Minderheit seit 1982 die Staatsangehörigkeit, obwohl viele Familien schon damals seit Generationen in Rakhine lebten. Die Rohingya werden in Myanmar «Bengalen» genannt und als illegale Einwanderer aus Bangladesch behandelt. Der Staat verwehrt ihnen Grundrechte wie den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.

Das während der jahrzehntelangen Diktatur noch von Vielen verhasste Militär genießt Rückhalt in der Bevölkerung für die «Räumungsoperationen», die die Massenflucht ausgelöst haben. Die UN, USA und andere sehen die gewaltsame Vertreibung hingegen als «ethnische Säuberung» - ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Vorgehen war eine Reaktion auf Angriffe von Rohingya-Rebellen auf rund 30 Posten der Sicherheitskräfte in Rakhine am 25. August.

Die Rückführungsvereinbarung sieht vor, dass die Flüchtlinge in Myanmar zunächst in Übergangslager kommen. In solchen Camps leben dort bereits etwa 120.000 Rohingya seit einem Gewaltausbruch im Jahr 2012. So schlimm die Verhältnisse in den überfüllten Lagern in Bangladesch auch sind, bleiben die Flüchtlinge dann doch lieber dort.

«Allen Anzeichen nach werden die birmanischen Rohingya-Lager Freiluftgefängnisse sein», sagt der Asienchef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Brad Adams, in einer Mitteilung. «Derweil kommen weiter Flüchtlinge aus Rakhine in Bangladesch an.»

Viele fragen sich, wie ernst es die Regierung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi mit der Vereinbarung meint. Nach Angaben von Sozialminister Win Myat Aye müssen diejenigen ohne Papiere - was auf fast alle Rohingya zutrifft - Personalausweise beantragen. Dabei müssten sie allerdings ihre Identität und Herkunft verleugnen, denn in dem Antrag kann man unter ethnischer Zugehörigkeit nicht «Rohingya» angeben - wohl aber «bengalisch».

Beispiele aus der Vergangenheit zeigen allerdings auch, dass die Sorgen der Flüchtlinge, gegen ihren Willen zurückgeschickt zu werden, nicht unbegründet sind. Nach der Ankunft zahlreicher Rohingya-Flüchtlinge in den Jahren 1978 und 1991 habe Bangladesch diese mit Gewalt zur Rückkehr gezwungen, erinnert UNHCRs früherer Strategiechef Jeff Crisp in einem Beitrag für die Online-Plattform «News Deeply». Damals habe sich das Flüchtlingshilfswerk mitschuldig gemacht. Es sei nun in der Pflicht, eine Wiederholung zu verhindern.

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