Rechte Parteien als Chance

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Seit der Brexit-Entscheidung im Juni 2016 stolpert die westliche Welt von einer nicht für möglich gehaltenen Überraschung zur nächsten. Während Chinas Staatschef Xi Jinping im fernen Osten nach fünf Jahren im Amt mächtiger und autoritärer denn je Chinas Erfolgsgeschichte fortschreibt, hadert der Westen mit den Entscheidungen seiner Bürger. 2016 wurde Donald Trump zur Überraschung vieler zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt, 2017 erzielen rechte Parteien in Europa erstaunliche Wahlerfolge.

Bei den Bundestagswahlen in Deutschland im September 2017 erhielt die AfD fast 13 Prozent der Wählerstimmen. In einem Bundesland wurde die Partei sogar zur stärksten politischen Kraft. Eine Woche später bei der Nationalratswahl in Österreich wird die Wahl durch rechte Themen entschieden. Die konservative ÖVP erhält 31,6 Prozent der Stimmen, die FPÖ holt 26 Prozent. Der politische Beobachter denkt zunächst 17 Jahre zurück als die EU Sanktionen gegen Österreich verhängt hat, da der damalige Kanzler Schüssel mit der FPÖ koaliert hatte. Heute ist die ÖVP selbst nach rechts gerückt und spricht dieselbe Sprache wie Wilders in den Niederlanden, Le Pen in Frankreich oder Parteien wie Forza Italia, die kroatische HDZ oder die ungarische Fidesz. Auch Tschechien rückt nach rechts. Die Partei Ano des EU-Skeptikers Andrej Babis erzielte vor einigen Tagen bei der Parlamentswahl 29,6 Prozent der Stimmen und ist damit mit Abstand die stärks­te politische Kraft. Die bisher regierenden Sozialdemokraten stürzten auf magere sieben Prozent ab, noch etwas besser als die proeuropäischen Konservativen, die sich mit etwas mehr als fünf Prozent der Stimmen zufriedengeben mussten.

Gründe für das Wahlverhalten

Was passiert hier? Gibt es plötzlich so viel mehr rechtspopulistische oder rechtsextreme Wähler als noch vor einigen Jahren? Sieht beispielsweise die Mehrheit der Österreicher die Zukunft ihres Landes in der Vergangenheit und verweigert sich den Notwendigkeiten einer modernen Gesellschaft? Sicher nein. Die große Mehrheit der Wähler rechter Parteien dürften Protestwähler sein, die mit der Leistung der etablierten Parteien grob unzufrieden sind und sich nicht anders zu helfen wissen als etwas Neues zu versuchen. In der Tat sind die messbaren Ergebnisse der etablierten Politik während der letzten Jahrzehnte lausig. Wurden etwa sichtbare Konsequenzen aus der Finanzkrise 2008 gezogen? Fehlanzeige. Was wurde aus dem Projekt Energiewende 2011 in Deutschland? Unbekannt (abgesehen von wesentlich höheren Strompreisen). Gleichzeitig spüren die Menschen von Jahr zu Jahr mehr, dass die Arbeitswelt vor einem gravierenden Umbruch steht und in relativ naher Zukunft viele Jobs wegfallen werden. In diesem Umfeld ereignete sich dann 2015 die Flüchtlingskrise, die vielen Bürgern in Europa letztlich den Kontrollverlust einiger Staaten plastisch vor Augen führte. Nach Abklingen der akuten Flüchtlingskrise quälten CDU und CSU das staunende Publikum in Deutschland mit einer Obergrenze-Diskussion, ohne zu sagen, wen sie eigentlich meinen. Nach der Wahl im September wurde das Scheingefecht prompt mit einem Scheinkompromiss beendet und der Beobachter reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, worüber eigentlich gestritten worden war.

Fazit: Rechte Parteien in Österreich, Deutschland und anderswo können eine Chance sein, wenn sie von den etablierten Parteien endlich als Weckruf verstanden werden. Der Primat der Politik muss schleunigst zurückerobert werden. Zwei Beispiele: Der Wähler wird sicherlich wahrnehmen, welche Regierung es wagt, das geltende Steuerrecht für Konzerne auf der Ebene der EU oder der G20 auf den Prüfstand zu stellen und für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Genauso werden sich Politiker fragen müssen, ob sie große Anwaltsfirmen zum Staat im Staate werden lassen wollen. Tut es dem Gemeinwesen gut, wenn Kanzleien Gesetzestexte schreiben und Behörden vorgeben, was diese tun und lassen müssen? Sicher nicht.

Insgesamt gibt es derzeit keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Wenn es die Regierenden schaffen, die großen Herausforderungen unserer Zeit endlich zu adressieren und kompetente Lösungsansätze zu entwickeln, wird sich das Blatt zum Guten wenden.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Norbert Kurt Leupi 12.11.17 23:20
Rechte Parteien als Chance ?
Deutschland- das einzige Land, in das Millionen reinkommen und angeblich die Arbeitslosenrate weiter sinkt? Man wünschte dem Land ,dass es wieder ist , wie es einmal war ! Dass man Fenster und Türen nicht doppelt sichern muss , dass niemand einsteigt ! Dass Mädchen und Frauen wieder angstfrei nachts durch die Innerstädte laufen können und dass das Geld aus Steuereinnahmen auch für die ausgegeben wird , die es einbezahlt haben oder denen es als Bürger/innen dieses Landes zuerst zusteht ! Darf man das so sagen ? Jawohl, aber als denkender Mensch ist man " unangenehm " für den "korrupten " Staat !
Jürgen Franke 12.11.17 23:18
Herr Rasp, Ihrer Situationsbeschreibung stimme
ich zu, da es den etablierten Parteien bisher nicht gelungen ist, die Wünsche der Bevölkerung zur Kenntnis zu nehmen, und anschließend noch nicht einmal den Mut hatten, Konsequenzen aus dem Wahldebakel zu ziehen. Die neue Regierung, die jetzt zusammen gebastelt wird, wird keine lange Lebensdauer haben und platzen. Die AfD wird stärker werden, wenn sich an der Spitze dieser Partei vernünftige und rhetorisch bessere Protagonisten endlich eingefunden haben.