Radar für unfallfreien Weltraum

Ein für die Europäische Raumfahrtbehörde ESA erarbeitetes Simulationsmodell, das die Verteilung und Bewegung des Weltraummülls heute und in Zukunft darstellt. Foto: dpa/TU Braunschweig
Ein für die Europäische Raumfahrtbehörde ESA erarbeitetes Simulationsmodell, das die Verteilung und Bewegung des Weltraummülls heute und in Zukunft darstellt. Foto: dpa/TU Braunschweig

KOBLENZ (dpa) - Rund 2.700 Tonnen Weltraumschrott rasen derzeit auf einer erdnahen Umlaufbahn umher - das kann für Satelliten gefährlich werden. Schon sehr kleine Teile können großen Schaden anrichten.

«Denken Sie daran, was passieren würde, wenn mitten im Champions League Finale der ASTRA-Fernsehsatellit ausfallen würde», sagte Dominik Wullers, Sprecher des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz. Von dem dortigen ehemaligen Standortübungsplatz Schmidtenhöhe aus sollen künftig solche Müllkollisonen verhindert werden - mithilfe des geplanten Weltraumradars German Experimental Surveillance and Tracking Radar (GESTRA).

Die Zerstörungskraft des Schrotts hänge mit seiner hohen Geschwindigkeit zusammen, sagte der Abteilungsleiter Weltraumlage und Verantwortliche für das Projekt GESTRA beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn, Gerald Braun. «Der Müll ist unglaublich schnell, den sehen Sie auch nicht, wenn er auf Sie zukommt. Der ist wesentlich schneller als eine Gewehrkugel.»

Schon Stücke, die kaum größer als ein Millimeter seien, könnten Schaden anrichten. Träfen sie beispielsweise auf die Solarmodule der Satelliten, führten sie zur Korrosion und damit zur Alterung der Module. Von solchen Winzlingen gebe es ungefähr 3.000 Millionen Stück im Weltall, sagte Braun. Schrottteilchen von einem Zentimeter könnten einen Satelliten auch komplett zerstören.

Mithilfe von Radaren werde deshalb schon Tage vor einer möglichen Kollision die Bahn eines Teilchens vermessen, um einen Satelliten rechtzeitig umzulenken. Das Problem: Je kleiner die Stücke, desto schwieriger sind sie zu finden. Radare in den USA erkennen laut Braun Müll, der größer als zehn Zentimeter ist. Wer Teilchen mit einer Größe von mindestens einem Zentimeter erkennen wolle, brauche spezielle, äußerst kostspielige Systeme.

Das Weltraumradar GESTRA soll ab Herbst 2018 aus einem Sender sowie einem Empfänger bestehen. Der Sender schicke gepulste Signale in den Weltraum, erläuterte Braun. In etwa 400 Kilometern Höhe werde aus den Signalen eine Art dichtes Netz. Der Projektleiter spricht von einem «Suchschirm im Himmel». Jedes Müllstückchen, das das Netz durchfliege, bemerke der Empfänger auf der Erde, und die Flugbahn des Teilchens könne vorhergesagt werden. Eine einmalige Prognose reicht aber nicht aus: Der Müll verändert laut Braun etwa durch Sonnendruck alle paar Tage seine Bahnen, die dann neu überprüft werden müssen.

Für eine noch genauere Müllbeobachtung werde GESTRA künftig außerdem zusammen mit dem Weltraumradar TIRA den gleichen Teil des Weltalls betrachten. TIRA wird vom Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik in Wachtberg (Nordrhein-Westfalen) betrieben. Die räumliche Nähe zu Koblenz - die beiden Orte sind rund 60 Kilometer voneinander entfernt - sei der wichtigste Grund für die Standortwahl von GESTRA gewesen, erklärte Wullers. Insgesamt seien 400 Bundeswehr-Liegenschaften in einem Umkreis von 150 Kilometern um das Fraunhofer-Institut in den Blick genommen worden. Doch nur die Schmidtenhöhe habe alle wichtigen Kriterien erfüllt.

Die Wissenschaftler versprechen sich viel von GESTRA. «Zum einen fangen wir an, einen deutschen Bahndatenkatalog von Weltraumtrümmern aufzubauen. Den brauchen wir zivil und militärisch», sagte Braun. Denn bislang müsse auf amerikanische Daten zurückgegriffen werden. Zum anderen sei GESTRA auch ein Prototyp, um gezielt die Forschung für künftige Weltraumbeobachtungen zu fördern. «Mit einem Radar allein kommt man noch nicht sehr weit.»

Am Montag (16. Oktober) informieren Bundeswehr und DLR in Koblenz die Öffentlichkeit über das geplante Weltraumradar.

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