QUO VADIS, THAILAND?

QUO VADIS, THAILAND?

Der Isaan im Nordosten Thailands gilt immer noch als Armenhaus des Landes. Der Schulbesuch der Kinder ist – wenn überhaupt – kurz. Arbeit auf dem Reisfeld ist für sie alltäglich. Oder sie folgen ein paar Jahre später ihrer Mutter, um genau wie sie, in den Touristenzentren Geld zu verdienen – wobei die Auswahl nicht groß ist.

Sie sind mehrheitlich nach wie vor Anhänger des früheren Ministerpräsidenten Thaksin, der, wahltaktisch clever, dieser großen Volksgruppe finanzielle Hilfen und ein wenig Infrastruktur zukommen ließ. Was er damals allerdings sträflich vernachlässigte, war die Bildung. Die Lehrer, schlecht ausgebildet und noch schlechter bezahlt, sind völlig überfordert, wenn es um den normalen Unterricht geht. Auswendig lernen und nachplappern ist bis heute die Regel. Für ein gutes Zeugnis lassen sie sich auch gerne ihr schmales Gehalt aufstocken. Der Isaan ist Heimat der sogenannten „Rothemden“, die im Kampf gegen die in den Zentren lebenden „Gelbhemden“ letztlich dafür verantwortlich waren, dass das Militär putschte und die Macht in Thailand übernahm. Seitdem ist eine gewisse Ruhe eingetreten, trotz einiger Terrorattacken, aber zwischen „Rot“ und „Gelb“ schwelt untergründig immer noch der Krieg, der auch durch die neue Verfassung wahrscheinlich nicht beendet werden kann. Das Volk ist geteilt in die einfache Mehrheit der Landbevölkerung und in die gebildete Schicht der sogenannten Demokraten, die teilweise sogar die Forderung aufgestellt haben, den Isaan-Bewohnern das Wahlrecht abzuerkennen wegen ihrer politischen Unkenntnis. Das kann sicherlich nicht dazu beitragen, das Land zu einen, und ohne Einigung wird es auch keinen Fortschritt geben. Wenn man bedenkt, dass es daneben im Süden noch die Muslime gibt, deren Aktivisten mit Bombenanschlägen für ihre Autonomie kämpfen, dann muss man sich fragen, wie dieses Land jemals wieder zur Normalität zurückfinden will. Thailand ist dreigeteilt, durch und durch korrupt, von Drogen und Kriminalität durchsetzt, und obendrein ist die Demokratie zurzeit außer Kraft gesetzt. Da macht sich mancher Sorgen um die Zukunft dieses Landes, das über so viele Attraktionen verfügt, die jedes Jahr viele Millionen Urlauber ins Land locken, die von den Problemen in der Regel kaum etwas mitbekommen.

Wie ist dieses Dilemma zu lösen? Die häufigsten Antworten lauten: Die Bildung muss verbessert werden, die Lehrer müssen besser ausgebildet und bezahlt werden, und die Korruption muss effektiver bekämpft werden, nicht nur im Großen, sondern vor allem in den kleinen Alltagsmauscheleien, die hier an der Tagesordnung sind. Dazu gehört auch, dass kleine Beamte und Polizis­ten ein besseres Gehalt bekommen, damit sie für Korruption weniger anfällig werden. Zwar haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass dies nicht der Fall sein wird, weil, wer mehr hat noch mehr haben will. Dagegen ließe sich ein System einführen, indem man anonym korrupte Staatsdiener anzeigen kann, die dann nicht nur versetzt sondern entlassen werden. Das wäre sicher ein erfolgreiches Rezept.

Aber noch ein weiteres Problem liegt mir am Herzen: In diesem Land leben etliche Volksgruppen und Bergvölker, die teilweise schon vor Jahrhunderten nach Thailand eingewandert sind und bis auf den heutigen Tag als staatenlos gelten. Ob Akha, Lahu, Hmong Karen oder Yao, als Animisten mit eigener Sprache und teilweise exotischen Riten bilden sie heute oft die Staffage für touristische Exkursionen. Ohne die Hilfe der NGO’s könnten die meisten von ihnen gar nicht überleben. Hier muss ein Umdenken einsetzen, ebenso wie gegenüber den Seevölkern im Süden. Sie alle leben seit Generationen in diesem Land und haben ein Anrecht darauf, hier anerkannt zu werden, als Staatsbürger hier zu leben und an den Bildungseinrichtungen des Landes teilzunehmen. Aus all dem ergibt sich, dass dieses Land vor großen Aufgaben steht und dass es riesiger Anstrengungen bedarf, um diese Probleme zu lösen. Das einfache Volk scheint sich all dieser Schwierigkeiten gar nicht bewusst zu sein, spendet den Mönchen Nahrung, hofft auf Glück in der Lotterie, will das Leben genießen und verschont bleiben von Nachrichten, die es davon abhält. Wer soll die Karre aus dem Dreck ziehen? Es kann nur so gehen, dass alle vernünftigen Kräfte dieses Landes sich zusammenschließen und endlich gemeinsam die notwendigen Reformen einleiten, die notwendig sind, um Thailand wieder nach vorn zu bringen. Dieses wunderbare Land ist umringt von Staaten, die alle auf dem Sprung nach vorne sind, ob es Vietnam ist, Laos, Kambodscha, Myanmar oder Malaysia. Thailand ist in Gefahr, seinen Vorsprung einzubüßen. Und der Grund dafür ist seine Uneinigkeit, seine Unentschlossenheit und auch seine Angst vor einer echten Demokratie. Uns Ausländern, die wir hier gerne leben, bleibt nur die Hoffnung auf eine Allianz der besten Köpfe des Landes, der es gelingt, Freiheit, Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit durchzusetzen, um Thailand wieder den Platzt einzuräumen, der ihm in dieser Welt zukommt: Friedlich, fröhlich und tolerant ein Land zu werden, in dem Urlauber aus aller Welt sich wohlfühlen, möglichst ohne Kriminalität und Drogen, ohne Korruption und ohne Unterdrückung von Minderheiten. Nein, ich rede nicht von einem Operettenland, nicht einmal von einem Paradies, das gibt es nur im Kino. Mir reicht es völlig aus, wenn Thailand die Charta der Menschenrechte erfüllt und dafür sorgt, dass nicht nur die Urlauber sondern auch die Einwohner und die Ureinwohner hier glücklich leben können.

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