Puigdemont fordert Dialog

Foto: epa/Stephanie Lecocq
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BARCELONA (dpa) - Der unerwartete Erfolg der Separatisten bei der Parlamentsneuwahl in Katalonien hat den Konflikt in der spanischen Region neu angefacht. Der Ende Oktober abgesetzte Separatisten-Chef Carles Puigdemont nutzte die neugewonnene Stärke am Freitag, um ein Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zu fordern.

Bei der Wahl hatten die für Unabhängigkeit eintretenden Parteien am Donnerstag entgegen der meisten Umfragen erneut eine absolute Mehrheit im Parlament von Barcelona errungen. Die Hoffnung von Gegnern einer Abspaltung auf ein Ende der Konfrontation, die auch zunehmend negative Auswirkungen auf die Wirtschaft der wohlhabenden Region hat, erfüllte sich damit nicht.

«Ich glaube, das Mindeste, was wir uns verdient haben, ist, dass wir angehört werden», sagte Puigdemont vor zahlreichen Journalisten in Brüssel. Katalonien sei der Unabhängigkeit wieder ein Stück nähergerückt, meinte er. Er wolle wieder Regionalpräsident werden. Allerdings besteht gegen den 54-jährigen Ex-Journalisten ein spanischer Haftbefehl. Bei einer Rückkehr aus Belgien müsste er mit seiner sofortigen Festnahme rechnen.

Puigdemonts Allianz JuntsXCat landete bei der Wahl zwar mit 34 Sitzen hinter den liberalen Unabhängigkeitsgegnern Ciudadanos (37) nur auf dem 2. Platz. Doch im Gegensatz zur regionalen Ciudadanos-Chefin Inés Arrimadas kann sich Puigdemont Hoffnungen auf eine erneute Wahl zum Regionalpräsidenten machen. Die Separatisten kamen zwar zusammen lediglich auf knapp 47,5 Prozent der Stimmen - aufgrund des Wahlgesetzes, das bevölkerungsarme Gebiete bevorzugt, werden sie aber 70 der 135 Parlamentssitze besetzen.

Die linksradikale Partei CUP erklärte sich am Freitag bereit, der Bildung einer Regierung unter Führung von Puigdemont zuzustimmen. Voraussetzung sei, dass Puigdemont weiter das Ziel «der Gründung einer katalanischen Republik» verfolge, sagte CUP-Spitzenkandidat Carles Riera. Beobachter sagen aber lange und schwierige Koalitionsverhandlungen voraus. Im Lager der Separatisten - das von JuntsXCat, CUP und der linksnationalistischen ERC gebildet wird - gibt es nämlich ebenso wie zwischen den sogenannten «verfassungstreuen» Parteien viele Differenzen.

Die Gegner der Unabhängigkeit verpassten die absolute Mehrheit überraschend deutlich. Arrimadas schloss bereits in der Nacht zum Freitag den Versuch einer Regierungsbildung aus. Das sei aufgrund des «ungerechten Wahlgesetzes» nicht möglich, sagte sie im spanischen TV. «Der historische Triumph von Arrimadas kann die Unabhängigkeitsbestrebungen nicht aufhalten», schrieb die Zeitung «El Mundo». Rajoy äußerte sich zunächst nicht, ließ aber für Freitagnachmittag eine Stellungnahme zum Wahlausgang ankündigen.

Puigdemont war nach der Abhaltung am 1. Oktober eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums und einem Beschluss zur Abspaltung von Spanien von Rajoy vor knapp zwei Monaten abgesetzt worden. Madrid stellte Katalonien zudem unter Zwangsverwaltung. Diese soll in Kraft bleiben, bis die neue Regionalregierung vereidigt wird.

Nach seiner Amtsenthebung hatte sich Puigdemont nach Belgien abgesetzt, um einer Festnahme zu entgehen. Wie ehemalige Mitstreiter riskiert der Ex-Journalist wegen Vorwürfe der Rebellion, des Aufruhrs und der Veruntreuung öffentlicher Mittel bei einer Rückkehr nach Spanien eine lange Haftstrafe. Die spanische Verfassung erlaubt keine einseitig von einer Region erklärte Abspaltung. Puigdemont deutete aber an, dass er bei einer Wahl zum Regionalpräsidenten in die Heimat zurückkehren würde.

Den Wahlausgang bezeichnete Puigdemont schon in der Nacht in Brüssel vor Journalisten und Hunderten jubelnden Anhängern als Niederlage «des spanischen Staates». Rajoy und seine Allierten hätten «von den Katalanen eine Ohrfeige bekommen». Am Freitag betonte er dann, die Katalanen wünschten die Abspaltung von Spanien. Nach der Neuwahl müsse man «neue Lösungen» finden. Seine Regierung sei im Oktober in illegaler Form abgesetzt worden.

Auch die linksnationalistische Partei ERC des in U-Haft sitzenden Spitzenkandidaten Oriol Junqueras schnitt gut ab und holte 32 Sitze. Ihm werden ebenso wie Puigdemont Rebellion und Aufruhr vorgeworfen. Fast 82 Prozent der 5,5 Millionen wahlberechtigten Katalanen waren zu den Urnen gegangen - ein neuer Rekord, der zeigt, wie wichtig den Bürgern die Unabhängigkeitsfrage ist.

Nach der Wahl forderte die Bundesregierung zum Dialog und zur Deeskalation auf. «Nun wird es an den Abgeordneten sein, eine Regierung zu bilden. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass es gelingt, die gegenwärtige Spaltung der katalanischen Gesellschaft zu überwinden und mit allen politischen Kräften Spaniens eine gemeinsame Zukunft zu gestalten», sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin.

Zur Lösung der Krise fordern Europaabgeordnete derweil Zugeständnisse der spanischen Regierung. «Ein Ausweg aus der Misere kann das ernsthafte Angebot einer Reform der spanischen Verfassung sein», sagte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Katalonien solle ähnlich wie das Baskenland mehr kulturelle und wirtschaftlich-finanzielle Eigenständigkeit bekommen. «Das sture Festhalten an alten Glaubenssätzen hilft jetzt nicht mehr weiter», meinte Leinen.

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Leserkommentare

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Norbert Kurt Leupi 27.12.17 10:43
Catalunya
Wie weiter ? Jetzt hat sich auch der König , Felipe der VI. , in den Konflikt " eingemischt " ! Er rief die Entscheidungsträger zu verantwortlichem Handeln auf ." In Katalonien darf der Weg nicht erneut zu Konfrontationen oder Ausschluss führen ", warnte der Monarch in seiner Weihnachtsansprache ! Auch der Abzug der 4000- 6000 Polizisten hat begonnen! Es werden komplizierte und emotionsgeladene Gespräche nach dem 6.Januar erwartet ! Sollte bis Mitte April keine neue Regierung gebildet sein , müsste Ende Mai /anfangs Juni wieder gewählt werden !
Jürgen Franke 25.12.17 20:14
Lieber Jack, ich habe lediglich die
Länder gemeint, die Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft waren. Alle anderen Kriegshandlungen waren aus Sicht der Nato erforderlich oder Religionskriege. Grundsätzlich sollten jedoch kriegerische Auseinandersetzungen vermieden werden. Das Problem Spanien kann nur friedlich gelöst werden. Die Abspaltung Kataloniens wäre eine Katastrophe.
Norbert Kurt Leupi 25.12.17 18:48
Frieden in Europa ... / Herr Jürgen Franke
seit 70 Jahren ? Hast Du die Balkankriege in den 90 - er Jahren vergessen ? Oder die Basken-Auseinandersetzungen? Oder der Religionskrieg in Nordirland ? Oder das Gemetzel in der Ost-Ukraine ? So wie Du das verharmlost , lieber Jürgen , war das wirklich nicht ! Es gab mindestens 10000 Tote bei " Kriegsspielen " in den letzten 30 Jahren im " friedlichen " Europa ! Vergesslich ?- Ich doch nicht !- Ich filtere nur " Unwichtiges " heraus ?
Jürgen Franke 25.12.17 18:17
In Europa hatten wir bisher 70 Jahre
Frieden und stehen jetzt vor einem Bürgerkrieg in Spanien, weil ein Populist der u.a. der Meinung ist, dass zu viel Geld von den Katalanen nach Spanien fließt. Nach wie vor gilt eine Verfassung, die jedoch auch von den Katalanen 1978 akzeptiert worden ist. Die wirtschaftlichen Folgen für Katalonien sind jetzt schon bereits dramatisch. Es ist zu hoffen, dass die Haftbefehle der Anführer weiter Bestand haben.
Norbert Kurt Leupi 25.12.17 15:09
Historia Catalunya /Herr M.Dong
" Mol bon " und auf den Punkt gebracht ! Nach Ihrer "Kurz - Geschichte " ( für Laien ) muss man sich eigentlich fragen , warum nur ist Katalonien immer noch in Spanien ??? Chapeau !
Mike Dong 25.12.17 14:15
Ich war 10 Jahre mit einer Katalanin verheiratet. Die war zuerst mal "Barcelona", dann "Katalan" u dann auch noch "Spanierin". Ihre Mutter hat mir viele Geschichten von der Franco-Zeit berichtet. Alles war verboten, die Sprache, die Tänze, die Gebräuche. Selbst bei den jungen Leuten, die im Übrigen alle gut ausgebildet sind (Info für Herr F.), ist man zuerst einmal Katalane. Und nach all den Geschichten u den Aktionen der Zentralregierung in Madrid kann ich das auch verstehen.
Jürgen Franke 25.12.17 09:10
Es ist zu hoffen, dass sich die EU
in diese innerspanische Angelegenheit, auch nicht zukünftig einmischen wird, nur weil ein populistischer Nationalsozialist nach seinem Willen die Verfassung, die übrigens nicht aus dem Mittelalter stammt, sprengen will.
Hardy Kromarek Thanathorn 24.12.17 21:35
Freiheit für Katalonien!
Alles andere, wie eine Anerkennung und volle Akzeptierung des Wahlergebnis von der Zentralregierung in Madrid, wäre das Ende der Demokratie in Spanien!!!!!!!!! Die Haftbefehle müssen sofort gegen sämtliche katalanischen Politiker auf gehoben werden! Die EU ist am Zug, der Zentralregierung in Madrid klar zu machen, das die vom Mittelalter geltenden Gesetze in Spanien, sofort geändert werden müssen! Ein Mitgliedsstaat Spanien in der " so frei liebenden EU "- freie Meinungsäußerung - Freiheit - Demokratie, die dann wieder die Diktatur einführen würde, passt ja nun wirklich nicht da hin! Oder?!
Ingo Kerp 24.12.17 15:08
Jetzt darf man aber gespannt sein, wie sich das katal. Parlament zusammensetzt. Rajoy bleibt stur und kompromißlos bei seiner Haltung. Katalanische Politiker sitzen im Gefängnis oder sind in Brüssel im Exil. Zur Vereidigung, so sieht es das span. Gesetz vor, muß ein Politiker vor dem Parlament erscheinen, um den Eid abzulegen. Sollen die Exilanten nach Katalonien zurückkehren, würden sie sofort verhaftet und ins Gefängnis kommen. Es wäre dann eine Einmaligkeit auf der Welt, das eine separatistische Regierung aus dem Knast regiert. Na ja, sie hätten dann aber eine Regierung und DE........?