Prozessauftakt in Schweizer-Spitzelaffäre

Foto: epa/Oliver Berg
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UPDATE - FRANKFURT/MAIN (dpa) - Mit seinem gepflegten grauen Haar und sorgfältig gestutzten Bart wirkt Daniel M. wie ein braver Beamter der Schweizer Bahn oder der eidgenössischen Finanzverwaltung.

Doch der ehemalige Polizist aus der Nähe von Zürich, der seit Mittwoch auf der Anklagebank in Frankfurt (Hessen) sitzt, gilt als Schlüsselfigur der deutsch-schweizerischen Spionageaffäre. Der Fall hat politisch mächtig Staub aufgewirbelt und das Verhältnis zwischen beiden Ländern belastet.

Der 54-Jährige soll vom Berner Geheimdienst NDB zwischen 2011 und 2015 auf die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung angesetzt worden sein, die unter ihrem damaligen Minister Norbert-Walter Borjans die
Schweizer Behörden jahrelang mit dem Ankauf von CDs und den Namenslisten deutscher Steuerhinterzieher schwer geärgert hat. M. soll in Düsseldorf sogar einen «Maulwurf» platziert haben.

Zum Prozessauftakt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bemühen sich die Verteidiger, von ihrem Mandanten die Aura eines großen Spions zu nehmen. Sein Hamburger Verteidiger Robert Kain sieht den Fall «politisch und medial überfrachtet» - und bei seinem Mandaten eine eher geringe kriminelle Energie am Werke.

Schon vor dem Prozess hat der Angeklagte in einem Teilgeständnis eingeräumt, Daten von drei nordrhein-westfälischen Steuerfahndern vervollständigt zu haben, die beim Schweizer Geheimdienst nur lückenhaft vorlagen. An diese Daten soll er mit Hilfe eines Inhabers einer in Hessen ansässigen Sicherheitsfirma gekommen sein. Damit war aus Sicht der Staatsanwaltschaft für die Schweizer Behörden eine
Strafverfolgung der Beamten möglich - im Fall der Einreise in die Schweiz.

Der weit gravierende Vorwurf, M. habe eine nachrichtendienstliche Quelle in der NRW-Finanzverwaltung installiert, wird von der Verteidigung bestritten. Auch mit Hilfe einer aparten Argumentation: Kein deutscher Finanzbeamter lasse sich mit 90.000 Euro bestechen, sagt der Verteidiger im Prozess.

Zuvor hatte die Verteidigung die Verständigung aller Verfahrensbeteiligten auf eine Bewährungsstrafe angeregt. Dem wollten sich die Bundesanwaltschaft und auch das Gericht nicht verschließen - machen jedoch «glaubhafte Darstellungen» des Angeklagten zur Bedingung, wie der OLG-Senatsvorsitzende Josef Bill mehrfach betont.

Denn laut Anklage war M. vom Geheimdienst nicht nur ein Aufwandshonorar von 90.000 Euro zugesagt worden. 60.000 Euro habe er erhalten. Jeweils 10.000 Euro sollen er und der Chef der erneut involvierten hessischen Sicherheitsfirma behalten haben. 40.000 Euro davon sollen aber an Unbekannte geflossen sein. Auch die Bundesanwaltschaft kam aber bei der Entschlüsselung der Identität der angeblichen Quelle in der NRW-Finanzverwaltung nicht weiter.

Über die Hintergründe der Geldflüsse will das Gericht jedoch Bescheid wissen - das hat das OLG klargemacht. Das gelte auch für die mehrere Monate bezogene Pauschale von 3.000 Euro, die der Angeklagte vom Geheimdienst erhalten habe. M. will nun eine schriftliche Erklärung am nächsten Verhandlungstermin am 26. Oktober abgeben.

Anschließend könnte schon sehr bald ein Urteil kommen - mit einem Strafmaß zwischen eineinhalb und zwei Jahre auf Bewährung. Die Höhe der Bewährungsauflage - die Bundesanwaltschaft brachte eine Summe von 50.000 Euro ins Spiel - ist auch noch umstritten.

Die Schweiz wäre sicherlich glücklich, wenn die hochnotpeinliche Affäre bald beendet wäre. Das Land will den Ruf loswerden, weltweiter Zufluchtsort für Schwarzgeld zu sein. Banken und Behörden sind in den
vergangenen Jahren zu einer «Weißgeldstrategie» übergegangen. Seit Jahresbeginn gibt es auch einen automatischen Informationsaustausch zwischen Deutschland und der Schweiz.

Für die Bundesländer hat sich der Ankauf der oft viele Millionen teuren Steuer-CDs finanziell gelohnt: In NRW haben sich nach offiziellen Angaben die Steuernachzahlungen und Geldbußen bis Mitte 2015 auf mehr als 1,8 Milliarden Euro summiert.

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