Prozess gegen Todesfahrer: Deutsche Mutter klagt an

Der grausame Unfalltod des Lufthansa-Ingenieurs Andreas Walter hatte nicht nur in seiner Heimat für große Schlagzeilen und ebenso großes Entsetzen gesorgt – seine Familie will Gerechtigkeit. Fotos: Sam Gruber, privat
Der grausame Unfalltod des Lufthansa-Ingenieurs Andreas Walter hatte nicht nur in seiner Heimat für große Schlagzeilen und ebenso großes Entsetzen gesorgt – seine Familie will Gerechtigkeit. Fotos: Sam Gruber, privat

PHUKET: Zweiter Prozesstag im Fall des getöteten Lufthansa-Ingenieurs Andreas Walter (47) auf Phuket am 24. Juni: Jakarin R. (27) aus Nakhon Si Tammarat hatte den Deutschen am 3. Dezember mit seinem Honda Civic gerammt und dann beim Fluchtversuch mehrfach überrollt. Im Vorfeld der Gerichtsverhandlung schrieb die Mutter von Andreas Walter einen erschütternden offenen Brief an den Täter.

Der Fall hatte in Thailand und im gesamten deutschsprachigen Raum für Entsetzen gesorgt. Weshalb der junge thailändische Hotelangestellte in der tragischen Dezembernacht nach dem Unfall nicht einfach angehalten und dem schwerverletzten Unfallopfer und seiner thailändischen Ehefrau Patcharin aus Phuket geholfen hat – das fragt sich seine Mutter Helga Walter (77) immer und immer wieder. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten in Deutschland beweist eindeutig: Andreas Walter könnte noch leben, wäre Jakarin R. nicht panikartig bei seiner versuchten Unfallflucht mindestens dreimal über den unter dem Honda Civic eingeklemmten Deutschen gefahren.

Beim ersten Verhandlungstag Anfang Mai hatte der monatelang leugnende Unfallfahrer wohl auf Anraten seines Verteidigers die Schuld an dem Unfall am 3. Dezember 2015 in Karon auf Phuket eingeräumt. Er bekannte sich der fahrlässigen Tötung für schuldig, nicht jedoch des versuchten oder vorsätzlichen Mordes. Im Falle der Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Tötung drohen ihm nicht mehr als zwei Jahre Haft – durch sein Geständnis könnte die Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden.

Im hessischen Ort Babenhausen, 35 Kilometer östlich von Frankfurt, hoffen die Mutter Helga (77) und seine Geschwister Jochen (48) und Verena (44), dass das Provinzgericht auf Phuket die wahren Unfallumstände berücksichtigt und den Todesfahrer hart bestraft. Es könne nicht sein, dass dieser furchtbare Verkehrsunfall mit seiner noch schrecklicheren Nachgeschichte als normaler Fall abgehandelt werde, sagen sie.

Die ebenfalls von dem Honda Civic angefahrene Thaifrau von Andreas Walter sei zwar schwer verletzt worden, habe aber nach wenigen Tagen schon wieder das Krankenhaus verlassen können. Patcharin L. betreibt in Karon auf Phuket das bekannte Speiselokal ‚Elephant Cafe‘ und will heute nicht mehr an diesen traumatischen 3. Dezember erinnert werden. Sie hat – wie in Thailand üblich – ihr Leben wieder aufgenommen und versucht ohne ihren damaligen Lebenspartner weiterzumachen.

BILD-Chefreporter John Roth aus Frankfurt, selbst seit Jahren ein Thailandkenner und regelmäßiger Urlauber, hat die Familie im Nachgang des Unglücks persönlich beraten. Er legte der Familie nahe, unbedingt einen thailändischen Anwalt einzuschalten und so mit einer Nebenklage zu verhindern, dass der Fall wie so viele unter den Tisch gekehrt werde. An ihn übergab die Familie Walter aus Babenhausen jetzt den offenen Brief der Mutter Helga Walter, die an den Täter schreibt und ihn anfleht, wenigstens in der Stunde der Wahrheit auch die Wahrheit zu sagen. Obwohl Journalist Roth ihr erklärt hat, dass das nicht viel bringen werde.

Dennoch musste sich die Mutter von Andreas Walter diese Sätze von der Seele schreiben:

Hier einige Auszüge des offenen Briefes:

„Ich weiß nicht, wie ich Sie anreden soll, ich weiß nur: Sie haben meinen Sohn getötet!
Ich bin die Mutter von Andreas Walter aus Deutschland, der Ihr Land so geliebt hat. Dort so viele Freunde und eine thailändische Frau fand, die er nach Landessitte buddhistisch heiratete. Mit der er seinen Lebensabend verbringen wollte, bis Sie alles zunichte machten. Ihn mit Ihrem Auto buchstäblich zermalmt haben.

Sie hätten sich der fahrlässigen Tötung schuldig bekannt, heißt es. Wieso nur der fahrlässigen Tötung? Glauben Sie, sich so aus der Verantwortung stehlen, sich retten zu können? Erinnern Sie sich bitte: Jeder, der diese schreckliche Nacht mit erlebt hat, berichtet, Sie wären so lange und mit voller Absicht über Andreas' Körper gefahren, bis einige mutige Passanten Sie schließlich gestoppt hätten.

Es tut so furchtbar weh, zu wissen, auf welche Weise Sie ihn getötet haben – zu ahnen, wie schrecklich er noch gelitten haben muss! Alleine und verlassen ist er an seinem eigenen Blut erstickt, weil Sie ihm den Brustkorb und die Lungen kaputt gefahren haben.

Sie haben das Glück meiner ganzen Familie zerstört und dafür hasse ich Sie! Und appelliere nochmals an Ihr Gewissen: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung und lassen Sie meinem Sohn Gerechtigkeit widerfahren. Auch, wenn dies mir mein Kind nicht zurückbringen wird – so wenig wie alle Tränen, die ich in den letzten Monaten geweint habe. Aber es wird mir und meiner Familie helfen, mit allem fertig zu werden. Und vermutlich zuletzt Ihnen selbst, denn auch in Ihrem Glauben folgen auf ein schlechtes Leben stets Konsequenzen.“

Helga Walter, Babenhausen, Deutschland

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 19.06.16 10:59
Eigentlich bedauerlich Herr Steegel,
dass Sie sich zu dem Artikel von Sam Gruber nicht äußern, sondern dieses Forum lediglich dazu benutzen, um andere Leute zu verunglimpfen.
Jürgen Franke 17.06.16 10:49
Dieser Fall
erinnert mich sehr an die Tötung des Sohns von Oberbürgermeister von Köln Schramma. Die beiden türkischen Täter, die in der Kölner Innenstadt ein privates Autorennen veranstalteten, kamen mit Bewährungsstrafen davon. (unter: Googel nachzulesen.)