Philippiner setzen vor Präsidentenwahl auf Haudegen mit Killer-Image

Wie die USA mit Trump haben die Philippinen einen unkonventionellen Präsidentschaftskandidaten: Duterte kokettiert mit seinem Image als Killer und punktet mit Gossensprache. Foto: epa/Mark R. Cristino
Wie die USA mit Trump haben die Philippinen einen unkonventionellen Präsidentschaftskandidaten: Duterte kokettiert mit seinem Image als Killer und punktet mit Gossensprache. Foto: epa/Mark R. Cristino

Davao (dpa) - «Ein Monster», sagt Clarita Alia über Rodrigo Duterte, den führenden Präsidentschaftskandidaten auf den Philippinen. Der Bürgermeister habe vier ihrer Söhne auf dem Gewissen. «Wenn Duterte für das Land tun kann, was er für uns in Davao getan hat, wäre das doch wunderbar», sagt Unternehmerin Catherine Beling dagegen.

Der Bürgermeister aus Davao, einer 1,2-Millionenstadt auf der Insel Mindanao, führt kurz vor den Wahlen am 9. Mai in Umfragen mit über zehn Prozentpunkten vor seinen Rivalen. Seine Anhänger jubeln, er habe Davao aufgeräumt und sicher gemacht. So einen brauche das korruptionsgeplagte Land. Kritiker fürchten aber den Absturz in die Diktatur. Duterte, auf Wahlplakaten mit erhobener Faust, spaltet.

Ein Augenschein in Davao: dass hier die Straßen blitzsauber gefegt sind, fällt sofort auf. Rauchen ist weitgehend verboten, außer auf Parkplätzen. Autos halten sich an Tempo 30, jeder ist angeschnallt. Minderjährige dürfen ohne Begleitung nach 22.00 Uhr nicht mehr auf die Straße. Und Wiederholungstätern droht die Kugel. Duterte hat offen gewarnt: «Wer in meiner Stadt straffällig wird, ist bald tot.»

Dass er Todesschwadronen unterhält, bestätigt er natürlich nicht. Aber er kokettiert mit seinem Killer-Image. «Wer nicht weiß, wie man jemand umbringt und Angst vor dem Sterben hat, ist nicht fit Präsident zu werden», sagt er. Oder: «Wenn ich Präsident bin, mache ich in sechs Monaten Schluss mit der Kriminalität. Richtet schon mal mehr Beerdigungsinstitute ein.» Er prahlt mit seinem Sexdrive, verstört Frauen mit derben Witzen über ein Vergewaltigungsopfer, das so schön war, dass er am liebsten als erster «dran» gewesen wäre.

«Meine Jungs haben gerne einen draufgemacht, das war alles», beteuert Alia. Auf offener Straße wurden sie erstochen: Richard (18), Christopher (16), Bobby (14) und Fernando (15). «Das haben Dutzende gesehen, aber der Einzige, der sich als Zeuge meldete, ist auch umgebracht worden», sagt die 62-Jährige. Sie sitzt in ihrer kleinen Hütte, kaum mehr als ein Holzverschlag, und kramt vergilbte Fotos hervor. Die Morde passierten zwischen 2001 und 2007.

Vielleicht gehörten Alias Jungen einer Bande an, vielleicht haben sie geklaut, sagen andere. Aber umbringen? «Zwischen 1998 und 2015 haben die Todesschwadronen in Davao 1424 Menschen umgebracht», schreibt Pater Amado Picardal, der lange in Davao lebte. «Es ist bis heute niemand zur Rechenschaft gezogen worden, es hat keine Untersuchung der Polizei oder Stadtbehörden gegeben.» Auch mindestens zwei Duterte-kritische Journalisten wurden nach seinen Angaben ermordet.

Rubylyn Abi-Abi (47), Mutter von zehn Kindern, hat erst im Januar ihren Sohn Arvee (21) beerdigt. Ja, er habe mit Drogen gedealt, aber er sei ein kleiner Fisch gewesen. «Würden wir sonst in dieser armseligen Hütte sitzen?», sagt sie in ihrer einfachen Behausung am Strand. Ihr Vater Rosendo Jemenico (72) zeigt, was vor den Augen aller passiert ist. Er nimmt seine Tochter in den Schwitzkasten und setzt die Finger wie eine Pistole an die Schläfe: «Eine Hinrichtung», sagt er. Die Familie traut sich nicht, Beschwerde einzulegen.

«Die, die umgebracht wurden, waren schlechte Typen», sagt Unternehmerin Beling. Sie betreibt Ärztepraxen mit Labor und ein Restaurant. Anderswo hat sie Überfälle auf ihr Geschäft, Schutz- und Schmiergelderpressungen erlebt. Vor fünf Jahren zog sie deshalb nach Davao. «Meine drei Töchter können draußen rumlaufen und es passiert ihnen nichts», sagt sie. «Die Leute halten sich hier an die Gesetze, weil sie von Frieden und Ordnung profitieren», sagt sie.

Die Philippinen sind seit dem Sturz von Diktator Marcos 1986 eine lebhafte Demokratie. Doch wirtschaften viele Politiker bis heute in die eigene Tasche. Der scheidende Präsident Benigno Aquino, Sohn eines ermordeten Marcos-Opfers, galt als sauber und war beliebt. Er hat Wachstumsraten von sieben Prozent im Jahr geschafft. Aber nach wie vor lebt ein Viertel der gut 100 Millionen Menschen in Armut. «Die Leute wollen jetzt einen Macher», sagt Benedikt Seemann von der Adenauer-Stiftung. «Duterte ist die Personifizierung von „Recht und Ordnung“, wobei es bei ihm wohl mehr um Ordnung als um Recht geht.»

«Ich mache mir Sorgen, aber die Leute haben einfach die Nase voll», sagt Benny Bacani, Direktor des IAG-Instituts zur Demokratieförderung in Mindanao. Ein Analyst bezeichnet Duterte als «faschistoid». «Die Demokratie ist womöglich bald vorbei», schreibt Analyst Richard Javad Heydarian. Duterte hat gedroht, wie einst Diktator Ferdinand Marcos Kriegsrecht zu verhängen, wenn das Parlament ihm im Weg steht. Marcos-Sohn «Bongbong», der seinen Vater rehabilitieren will, führt bei den Kandidaten für die Vizepräsidentschaft.

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