Panama Papers bezeichnet als Schlagwort den größten Scheinfirmen-Skandal in der Geschichte. Enthüllungsjournalisten haben elf Millionen Dokumente zusammengetragen, die Licht ins Dunkel fragwürdiger Steuerpraktiken von Konzernen bringen sollen.
Diese Enthüllungsjournalisten gehen ein großes Risiko ein, da sie sich straf- und zivilrechtlicher Verfolgung aussetzen. Auf europäischer Ebene hat man zwar ein Gesetz beschlossen, welches Journalisten schützt, die berufliches oder sonstiges Fehlverhalten oder andere illegale Tätigkeiten aufdecken, wenn die Aufdeckung des Fehlverhaltens im allgemeinen öffentlichen Interesse liegt. Ob dies als Schutz genügt, darf bezweifelt werden. Die Gegenreaktion der Konzerne, zunächst so viel Information wie möglich unter Geschäftsgeheimnis zu subsummieren, wird bereits sichtbar. Im Ergebnis dürfte sich das Risiko für Enthüllungsjournalisten de facto eher erhöhen als verringern.
Dies jedoch nur als einleitenden Gedanken. Viel bezeichnender ist, dass sich vor allem die deutsche Regierung trotz zusätzlicher Enthüllungen – beispielsweise im Fall TTIP – nicht im Ansatz vom massiven und wachsenden Widerstand in der Bevölkerung beeindrucken lässt. Die Regierung, allen voran die Kanzlerin, treiben eine rasche Unterzeichnung des Abkommens gegen den Widerstand weiter Teile der Bevölkerung sogar noch schneller voran. Bedenken in Sachen Verbraucherschutz, Umweltstandards oder Rechtsstaatlichkeit werden einfach übergangen. Besonders erschreckend ist allerdings eine Gewissheit nach den letzten Enthüllungen, die vorher nur Vermutung war: Europa verhandelt nicht auf Augenhöhe mit den USA. Die Enthüllungen haben ergeben, die USA lehnen die europäischen Positionen rundweg ab. Die europäischen Verhandlungsführer scheinen nicht die richtigen Kaliber zu sein, um europäische Interessen durchzusetzen. Ob sie überhaupt klare Vorstellungen haben, welche Mindestpositionen sie durchsetzen wollen, darf nach aktuellem Stand der Kenntnisse bezweifelt werden. Das Verschweigen dieser Maximalposition der USA gegenüber der eigenen Bevölkerung muss als hochproblematisch eingestuft werden.
Sicher ist allerdings, mit der bisherigen Politik der Geheimniskrämerei wird man die zweifelnde Öffentlichkeit nicht für das Handelsabkommen gewinnen können. Gefragt sind vielmehr konkrete Verhandlungsergebnisse, welche die Berücksichtigung europäischer Interessen widerspiegeln. Davon ist bisher nichts im Ansatz zu sehen.
Am 21.4.2016 hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ eine Umfrage veröffentlicht, wonach nur 17 Prozent der Deutschen TTIP für eine „Gute Sache“ halten. Die Politik scheinen solche Zahlen nicht zu stören. Besonders bedenklich ist, es handelt sich um keinen Einzelfall. Das Ignorieren oder Aussitzen von Problemen ist in Mode gekommen. Nur leider funktioniert es immer schlechter. Der „ARD-Deutschland-Trend“ zeigt, mehr als 80 Prozent der Deutschen sind der Meinung, die Bundesregierung habe die Flüchtlingskrise nicht im Griff. Leider ist die Machtfülle einer großen Koalition kein gutes Mittel, um Veränderungen zu erzwingen. Die Korrosionserscheinungen in beiden Lagern sind allerdings unübersehbar. Die Union fremdelt zunehmend mit der eigenen Kanzlerin und bei den Roten verspielt Sigmar Gabriel gerade den Markenkern der Partei, indem er sozialdemokratische Kernanliegen der Koalitionsräson opfert.
Es bleibt spannend, wie sich die Lage in den nächsten Monaten bis zur Bundestagswahl weiter entwickelt. Ein Blick nach Österreich kann jedoch keinesfalls schaden. Dort ist vor kurzem Bundeskanzler Faymann zurückgetreten. Ein Kanzler, der nicht in erster Linie durch eigene Positionen glänzte und es sogar fertig brachte, die Flüchtlingskrise nicht zur Chef-Sache zu machen. Diese Politik dürfte sowohl die Schwierigkeiten der großen Koalition erklären als auch den Aufstieg der FPÖ zur beliebtesten Partei des Landes.
Fazit: Es fehlt in der Breite an Politikern und Verhandlungsführern, die klare Vorstellungen von ihren Zielen haben und diese der Bevölkerung verständlich erklären können. Das ständige Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten ist kaum geeignet, die Bevölkerung aus dem Schlaf zu reißen und wieder mehr in den politischen Prozess zu integrieren als dies in den letzten Jahren der Fall war.
Es gilt aber nach wie vor: Wer länger schläft, wird später wach.
Über den Autor Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |