Nutzt Hongkong die Regenschirm-Revolution?

Nutzt Hongkong die Regenschirm-Revolution?

Die Vorkommnisse in Hongkong scheinen die Leser des Farang besonders zu interessieren, zumindest wenn man nach dem Leserfeedback geht. Eine Leserin stellte beispielsweise die Frage, was denn nun wirklich im Interesse des Normalbürgers in Hongkong wäre. Eine interessante und zentrale Fragestellung, welche die Beleuchtung des Themas aus dieser Perspektive durchaus rechtfertigt.

Vielleicht beginnt man am besten damit festzuhalten, was Hongkong sicherlich nicht braucht: Den Rat von Heuchlern und Pharisäern. An vorderster Front in dieser Kategorie tut sich der letzte Gouverneur von Hongkong hervor. Chris Patten, so heißt der Mann, schreibt seit Beginn der Demonstrationen leidenschaftliche Artikel in der South China Morning Post und anderen Leitmedien, in denen er die Protestierenden unterstützt (in der Bangkok Post kann man eine Kostprobe in der Ausgabe vom 30.10.2014 in der Rubrik Demokratie nachlesen). Ein Scherz, wenn man weiß, dass Hongkong vor 1997 für mehr als 150 Jahre britische Kolonie war. Dutzende von Gouverneuren wurden direkt und nur von London aus ernannt. Wenn sich der letzte dieser Gouverneure nun an die Spitze der Demokratiebewegung setzt und kluge Ratschläge erteilt, so ist das kaum zu überbietende Heuchelei.

Die Universität von Hongkong hat eine sehr interessante repräsentative Umfrage durchgeführt, die hilft, die Vorgänge einzuordnen. Danach inte­ressieren sich 80 Prozent der Bevölkerung vorwiegend für Themen, welche die Wirtschaft oder ihren eigenen Wohlstand betreffen. Politische Fragestellungen hingegen beschäftigen nur ca. 10 Prozent der Wähler. Auch ein Zahlenvergleich ist interessant: Nach der Gründung der Occupy-Bewegung in Hongkong gaben 800.000 ihre Unterschrift für die Bewegung ab, aber 1.300.000 haben bei der Gegenbewegung Anti-Occupy unterschrieben.

Wohlstand lässt sich nur mit Peking halten

Das Letzte, was Hongkong braucht, sind Proteste wie in der Ukraine oder in Ägypten, wo ein relativ kleiner Anteil der Bevölkerung das Land in Geiselhaft nimmt und paralysiert. Der ideologisierte Ansatz der Protestbewegung mit der letztendlich naiven Forderung nach sofortiger und vollständiger politischer Selbstbestimmung verkennt die Lebensrealität in der schönen Stadt am „duftenden Hafen“. Zum einen, weil die Möglichkeiten der politischen Beteiligung in Hongkong noch nie so groß waren wie heute, und zum anderen, weil es die böse Tyrannei in Peking, die den Bürgern in Hongkong zentrale Rechte der Selbstbestimmung vorenthalten möchte, so nicht gibt.

Die derzeitige Kampagne gegen Peking fällt nur deshalb auf fruchtbaren Boden, weil viele Menschen zunehmend Angst um ihre Zukunft bekommen. Immer mehr Bürgern von Hongkong wird langsam, aber sicher klar, dass die einstigen unschlagbaren Vorzüge der Stadt (beispielsweise als einziger Hafen von und nach China) von Jahr zu Jahr an Bedeutung verlieren. Riesige Containerhäfen in Shenzhen (unmittelbare Nachbarstadt Hongkongs im Mutterland) oder in Shanghai symbolisieren Chinas stetig voranschreitende Entwicklung und eigene Integration in das globale Wirtschaftsnetzwerk. Gleichzeitig hat Hongkong über die letzten Jahrzehnte seine eigene Produktion beinahe vollständig in das günstigere Mutterland verlegt. Im Ergebnis sind die Löhne in Hongkong in den letzten Jahrzehnten nicht mehr gestiegen, wohl aber die Lebenshaltungskosten und ganz besonders die Mieten.

Hier ist auch die Antwort auf die Frage zu suchen, was Hongkong wirklich dringend braucht. Statt ideologisch verbrämt Maximalforderungen nach demokratischer Selbstbestimmung in Peking durchsetzen zu wollen, sollte man besser Antworten auf die Frage suchen, wie Hongkongs Rolle in zehn oder zwanzig Jahren aussehen soll. Unmittelbare Sorgen muss man sich freilich nicht machen, denn anders als in der Ukraine oder in Ägypten verfügt Hongkong über sehr große Ressourcen und ein funktionierendes Rechtssystem. Eines sollte allen Protestierenden jedoch klar sein: Der relativ hohe Wohlstand der Menschen in Hongkong wird sich nur mit und nicht gegen Peking halten lassen. Das mit der Revolution ist daher vielleicht doch keine so gute Idee.

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Feedback erwünscht!

Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:

E-Mail: cr@cr-management-consulting.com

Webseite: www.cr-management-consulting.com

Telefon: +66 32 512 253

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.