Neulich, am Strand: Wenigstens heil angekommen

Neulich, am Strand: Wenigstens heil angekommen

Ich komme zum Strand, wo ich mich mit meinem ehemaligen Nachbarn aus der alten Heimat verabredet habe. Heute Morgen ist er angekommen. „Na, gut geflogen?“, begrüße ich ihn. „Sieht es etwa so aus? Hä? Dämliche Frage!“, antwortet er grimmig. „Woher soll ich das wissen?“, pariere ich. Es fällt mir auf, dass er in Straßenkleidung dahockt. „Mein Koffer wird in Tokio, Rio oder sonst wo sein, Scheiße!“, klärt er mich gleich auf. Seine Mine verfinstert sich weiter.

„Aber wenigstens du bist heil angekommen“, beschwichtige ich ihn. „Hätte ich gewusst was mich erwartet, wäre ich zu Hause auf meinem Balkon geblieben. Schon das Taxi ist erst beim 2. Mal bestellen gekommen. Eine Stunde später als geplant bin ich zum Flughafen gekommen. Hat gerade noch gereicht“, beginnt er zu erzählen.

„Aber da bist du heil angekommen?“, frage ich.

Er schaut mich verdutzt an. „Natürlich, sonst wäre ich ja jetzt nicht hier", meint er gereizt. „Dann die Sicherheitskontrolle! Ouh, Mann. So eine Blamage!“ Er verdreht seine Augen.

Ohne auf meine fragenden Blicke zu achten, fährt er weiter.

„Du kennst das doch. Taschen leeren, Schuhe ausziehen, Gürtel und alles weitere in die Plas­tikschale. Mit den Händen hältst du dir die Hosen fest und marschierst durch den Detektorbogen.“

„Klar, kenne ich. Und?“, antworte ich.

„Na, bei mir kommt da ein Uniformierter, fordert mich auf die Arme auszustrecken, um mich abzutasten. Ich, Arme raus, meine Hose rauscht runter. So stehe ich in rotgepunkteten Unterhosen vor 2 Dutzend grölenden Chinesinnen! Eine hat sogar ein Foto gemacht!“

„Das hätte ich auch gerne gesehen“, amüsiere ich mich.

„Kannst du haben. Dir zeige ich es“, sagt er, steht auf und lässt seine Hose runter. Die herumstehenden Thai-Ladys lachen laut heraus und zeigen auf die gepunktete Unterhose, Größe 4xl. Sofort merkt er, dass Thais und Chinesen denselben Humor haben.

„Dann im Flugzeug: 3er-Sitz. Am Fenster ein Bodybuilder, Typ Gorilla-Silberrücken, am Gang einer auch mit 150 Kilo. Ich dazwischen. Schon da wäre ich am liebsten auf den Flügel hinausgehockt“, beginnt Resignation mitzuschwingen.

„Frische Luft tut immer gut“, setze ich dazu.

„Ja, genau das hätten wir gebraucht. Der Silberrü­cken hat mir sein ganzes Leben erzählt und dabei so aus dem Maul gestunken, so dass mir fast schlecht wurde. Wie kann man so übel aus Mund stinken, dachte ich. Aber genau mich muss es ja wieder treffen, Scheiße!“

„Das Leben ist ungerecht. Ich habe es auch schon erlebt, dass einer beim Kotzen die Tüte verfehlt hat. Trotz der Putzerei der Stewardessen roch der ganze Flieger“, helfe ich ihn zu beruhigen.

„Zur Krönung hat er dann seine Schuhe noch ausgezogen“, er schaut mich an und zieht seine Augenbrauen hoch.

Ich verstehe, was er sagen will.

Über den Wolken...

„Der Typ am Gang hat dauernd gehustet und die Sitze in spuckweite befeuchtet. Den habe ich aber gleich mal mit einem „bösen Blick“ bedacht. Nur für den Fall, dass er mich mit seiner Spucke beehren wollte. Das hat genützt.“

„Na, dann war ja alles palletti“, will ich mich abwenden. Doch da habe ich mich getäuscht.

„Aber da war noch das mit dem Tomatensaft. Zum Trost habe ich mir vor dem Schlafen einen Tomatensaft bestellt. Ich bereite den zu. Salz, Pfeffer hinein. Und wie ich ihn nehmen will, lässt der Vordermann seine Lehne runterrauschen. Ich, Stuhllehne im Gesicht, Tomatensaft zwischen den Beinen. Ich hätte den Scheißkerl erwürgen können. Nach dem Putzen wollte ich dann auch schlafen. Doch mit dem feuchten Pols­ter zwischen den Beinen, dem Muskelprotz, der seine Füße zu mir ausgestreckt hat, und dem anderen, der seine Lunge aus dem Leib hustete, war das gar nicht so einfach. Oben die Lehne im Gesicht, in der Mitte ein Feuchtgebiet, unten der Krieg um den letzten Platz für die Füße. Oh, Mann!“

Er schaut mich hilfesuchend an. Mein Besucher war wirklich nicht zu beneiden.

„Wenn man wenigstens ein, zwei Stunden schlafen kann, dann geht es ja“, versuche ich ihm mein Mitleiden mitzuteilen.

„Eine Weile ging es ja auch gut. Der Muskelmann hielt sein stinkendes Maul geschlossen, erst über dem Golf von Bengalen hat er mit Schnarchen begonnen. An den Fußgeruch hatte ich mich auch gewöhnt, sogar der Huster schlief, als auch ich ein bisschen einnickte. Doch über Indien hat einer dermaßen gefurzt, dass es allen den Atem verschlug. Zuerst wollte ich noch die Stewardess um ein Erfrischungstüchlein bitten. Doch dann dachte ich mir, mit meinem Tomatensaft im Schritt lässt du das vielleicht besser bleiben. Ich glaube, ich war ganz grün im Gesicht angelaufen.“

„Aber wenigstens du bist heil angekommen“, wiederhole ich.

„Ja klar, bin ich angekommen. Ich habe den Flug überlebt! Trotz allem! Selbst, wenn es ohne Koffer ist. Ich hocke jetzt da, ohne Klamotten. Du kannst aber auch den letzten Nerv ausreißen!“, braust er auf.

Noch bevor ich etwas sagen kann, klingelt sein Telefon. „Die Dame von der Rezeption. Der Koffer ist per Taxi geliefert worden.“

„Na dann ist ja alles gut. Wann fliegst du wieder zurück? Ich rufe dann die Fluggesellschaft an und melde denen, dass du den bösen Blick hast“, lache ich.

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