Neulich, am Strand: „Wall of Champions“

Neulich, am Strand: „Wall of Champions“

Einige Kumpels von mir sitzen auf dem Mäuerchen der Promenade und unterhalten sich. Im Schatten der großen Bäume lässt es sich gut ein gemütliches Schwätzchen halten.

„Siehste, nu wenn du kommst, is es de Wall of Tschämpions“, amüsiert sich einer und klopft dabei auf die Mauerkrone. „Wall of Champions ist genau die richtige Bezeichnung. An der sind ein Weltmeister nach dem anderen hingecrasht und gescheitert. Und wenn ich euch so sehe, könnte man meinen, ihr seid auch alle gecrashte Weltmeis­ter“, ziehe ich die Männergesellschaft auf.

„Det is der kleene Unterschied! In Kanada crashen de Weltmees­ter in de Mauer, in Thailand hocken se uf de Mauer und jeniessen das Leben“, kommt prompt retour. „Ja, ja. Die Weltmeis­ter hocken an der Promenade auf der Mauer und begutachten die Damen wie auf einem Catwalk“, entgegne ich ihm.

„Det is de Belohnung für junsere einzich artigen Fähigkeiten. Jeder von uns hier is een Winner. Und de Muse, sich de hübschen Ansichten in Ruhe zu jeniessen, is unsa Privilech. Det hättest de Zuhause nich. Da ginge es im Regenwetta einfach trübsam weita. Tach für Tach“, werde ich von seiner Argumentation erschlagen. Ich gebe es auf. Bei einer solchen Gesellschaft wird man nie das letzte Wort haben können. Zudem muss ich ihm sogar zugestehen, dass er nicht so unrecht hat. Teilweise.

Der Österreicher in unserer Runde, sieht etwas mitgenommen aus. „Schwere Zeit gehabt gestern?“, frage ich ihn. „Was heißt hier gestern? Ich bin immer noch mitten im Auge des Hurrikans“, entrüstet er sich. „Aha, demnach noch nicht im Bett gewesen heute, hä?“, stelle ich fest. „Man lebt nur einmal. Wenn man pennt, könnte man das Wichtigste im Leben verpassen“, belehrt er mich. „Alles klar“, denke ich. Die Herumstehenden lachen.

Da kommt eine Thai-Lady direkt auf meinen Kumpel zu, grüßt kurz und beginnt auf ihn einzureden. Halb Thai, halb Englisch quasselt sie auf ihn ein. „Aha, nix verpassen, im Leben, hä“, stoße ich ihn mit dem Knie an. „Ne, ne. Die will nur Kohle abzocken“, erklärt er mir, während die Thai unbeirrt weiter auf ihn einlabert.

„Gestern hat sie mir erzählt, ihr Freund habe ihr ihren Schmuck versetzt und ihr Geld verzockt statt die Miete zu zahlen“. „Sicher ein Thai“, wende ich ein. „Nein, ein Farang sei es gewesen. Deswegen wolle sie nun die Kohle von einem anderen Farang wieder zurück holen.“ „Thai-Logik, aber weswegen von dir?“, will ich wissen. „Weiß ich auch nicht“, sagt er und wendet sich an die unbeirrt sprechende Thai: „Hör mal. Das ist ja alles gut, was du da erzählst. Aber es ist dein Problem. Ich hab kein Geld. Also suche woanders.“ Die Thai erschrickt sichtlich, das sich der Farang sich erlaubt, ihr einfach so ins Wort zufallen. „Ja, versuch es doch bei ihm“, fügt er hinzu und zeigt zu meinem Erschrecken auf mich. Doch der Österreicher lacht über das ganze Gesicht.

Sofort beginnt die Thai auf mich einzureden. Ihr Freund gebe ihr ihre Kleider nicht heraus. Gestern habe sie Schluss gemacht mit ihm, diesem Sch..farang. Nun brauche sie Geld für neue Kleider. „Ja, ich verstehe. Gib mir die Telefonnummer des Farang, ich werde mit ihm sprechen“, unterbreche ich den verbalen Schwall. „No, no. Du verstehst nicht. Ich brauche Geld“, widerspricht die Thai. „No, no. Du verstehst MICH nicht“, gebe ich zurück. „Ich werde dir kein Geld geben. Aber ich spreche mal mit diesem bösen Farang, der dir dein Geld abgenommen hat. Es interessiert mich, wie er es geschafft hat, einer Thai die Kohle abzunehmen“, sage ich zu ihr. Gleichzeitig stoße ich meinem Kumpel den Ellenbogen in die Seite. Der amüsiert sich köstlich.

Die Thai-Lady merkt nun, dass sie nicht zum Ziel kommt. „Oh, please. No eat today“, beginnt sie nun. Vielleicht wirkt dieser letzte Kniff, um wenigstens ein bisschen Geld zu erbetteln. Ich schaue den Deutschen an meiner Seite an. Der merkt aber vermutlich sofort, was ich vorhabe und wendet sich an die Thai. „Wat biste den für een doofes Weib. Haste nen Farang der dir de Kohle abzieht, verplemperst deene Klamotten, und hängs­te alles noch an die große Glocke. Und nu willste, dass mer dir deene Kasse auffüllen. Du haste doch net alle“, mit einem Fingertippen an der Schläfe zeigt er ihr an, was er von ihr hält, falls sie nicht verstanden hätte. Sie hat aber verstanden und zieht ab.

Ein paar Meter weiter hockt noch ein anderer Farang auf der Mauer. Interessiert schauen wir ihr hinterher. Mal beobachten, ob sie bei ihm Erfolg hat und abkassieren kann. „Ach, ja. Danke für deine Empfehlungen. Ich bin so glücklich, wenn ich als solventer Herr empfohlen werde“, wende ich mich an den Österreicher. „Keine Ursache. Können wir bei Gelegenheit wiederholen“, lacht er.

Ein paar Minuten später greift der von der abgebrannten Thai bearbeitete Farang in seine Tasche hinten rechts und schon wechseln einige Scheine den Besitzer. „Na, siehste. Es sind halt doch nich alle Tschämpions. Der da drüben is aber schnell een jeknickt“, meint der Deutsche, der die Szene mit verfolgt hat. „Zum Glück haben wir dich“, meine ich zu ihm. „Ich hätte doch vorher fast mein letztes Geld hergegeben. Die arme Thai. Sie so leiden lassen“, flunkere ich. „Ja, wenn det so is, dann kanns­te drüben im Lade eene Runde Bier holen gehen. Det is doch massiv billicher, als wenn du de Kohle an ne Thai wegschmeißen würdest“, kommt prompt die Antwort. „Na, normalerweise spendiert doch der Meister die Fete“, wende ich ein. „Ich muss mich jetzt erst mal erholen. Ihr seid ja so was von anstrengend“, tadle ich meine Kumpel.

„Ich bin dann mal im Liegestuhl da drüben, falls ihr es auf meine Scheine abgesehen habt“, verabschiede ich mich fürs erste. „Schon ok. Du kannst ja gehen, lass aber deine Kohle da“, ruft noch einer hinter mir her. „Ein verrückter Haufen“, geht mir durch den Kopf. Aber was soll's.

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