Neulich, am Strand: Schlechter Tag heute

Neulich, am Strand: Schlechter Tag heute

Sichtlich angeheitert kommt ein Berg von einem Farang mit seiner Thai zum Platz vor uns. Gegenüber ihm wirkt die zierliche Dame wie eine Hungerlatte. Bei seinem schwankenden Gang schwingt er allen Leuten seine Tasche um die Ohren, bekommt aber selber nichts mit davon. Seine Thaibegleitung hat größte Mühe, ihren Kunden sicher durch die Sitzreihen zu lotsen. Beinahe wirft es ihn um, aber er kann sich gerade noch an einem Sonnenschirm festhalten. Dieser wird fast aus der Verankerung gerissen. Die Begeisterung der anderen Gäste über den Neuankömmling hält sich entsprechend im Rahmen.

Wie er sich auf den Liegestuhl setzen will, kracht er durch den Stuhl hindurch und hockt nun, zusammengedrückt vom Gestell, alle Viere von sich streckend, mit seinem Allerwertesten im Sand. Seine Thai kann sich das Lachen nicht verkneifen. Er aber lässt seinem Ärger freien Lauf und flucht drauf los. „Ja, da kanns­te lachen, ick habe schon immer jesacht, du bist die Tochter des Teufels. Los hilf mir“, wettert er los.

Mit Müh und Not, und auch den hilfreichen Händen der Thai und des Liegestuhlbesitzers, pellt sich der Fleischberg wieder aus dem lotterigen Holzgestänge heraus. Die Stange, die den Stoff hält, war herausgefallen. Das Teil liegt neben dem Stuhl im Sand. Alle amüsieren sich. Nur einer nicht. „Ick habe schon immer jesacht, die Thais taugen nichts. Nich mal een Strandstuhl aufstellen können se. Scheiß glump, des Zeuch. Keene Qualität, die Lottergestelle. Da ist denn bei uns schon wat anderes anjesacht“, poltert er los.

„Mai pen rai. Nix passiert“, beruhigt ihn die Thai-Lady. „Oh, sorry“, entschuldigt sich die Vermieterin, kann aber ihr Lachen ebenfalls nicht verbergen. „Ja, ja. Sorry. Det kenn ick. Nächstes Jahr fahr ick wo anders hin. Immer dasselbe hier. Nix im Griff.“, lästert er.

Die Vermieterin repariert den Stuhl und hilft dann dem Koloss, wie einem Dattergreis, sich zu setzen. Eigentlich müsste er ihr nun den Hals umdrehen, deutet er ihr an. Doch sie hat sich bereits abgewendet und bekommt davon nichts mit. Mit einem Blick, wie es Bernhardinerhunde haben, schaut er in die Runde. Doch er kann keine Blicke des Mittleids ernten. „Das hast du letztes Jahr auch schon gesagt, wo anders hinfahren. Und das Jahr davor auch“, erinnert die Thai den Farang.

Meckern wie ein Rohrspatz

„Ja dir macht det ja nix aus, am Boden zu hocken. Du bist och ne Thai. Det machen de Schimpansen ja och so. Die hocken auch auf dem Boden. Kuck mal da, eene janze Familie. Und da och noch eene“, zeigt er auf die Promenade, wo die Thais eine Party an der anderen steigen lassen. „Und essen tun die auch aufm Boden, wie die Affen. Jawohl. Und manchmal lausen sie sich gegenseitich, genauso wie de Schimpansen. Und haste schon gesehen, wie die Thais überall ihre Matten hinlegen, wenn sie ein Picknick machen? Wenn's sein muss, mitten im Gehweg“, meckert er weiter.

„Hast du einen schlechten Tag heute?“, fragt ihn seine Thai. „Nee, ick hab een janzes Jahr!“, kommt prompt zurück. „Und wenn se essen, dann mit den Fingern und alles, wat fliegt, hüpft, oder kriecht“, fährt er fort. „He, du bist in den Ferien. Mensch, was willst du mehr?“, empört sich seine Frau. „Zu Hause hast du die letzten sechs Monate über Deutschland geflucht. Das ist nicht gut, das ist schlecht. Am Liebsten würdest du nach Thailand auswandern, und diesem Sch... Deutschland den Arsch zeigen. Allen Leuten hast du das gesagt. Und jetzt? Jetzt hockst du hier am Strand und meckerst wie ein Rohrspatz. Wenn du in Berlin bist, willst du nach Thailand, und wenn du hier bist, willst du wieder nach Berlin“, wäscht sie ihrem Mann den Kopf.

„Nach Spandau, du Tochter des Teufels. Ike bin een Spandauer, keen Berliner“, versucht er das letzte Wort zu behalten. „Ach, was will ich denn“, meint sie und setzt nach: „Du hast halt keine Kultur! Ich glaube, ich spreche mal mit meinem Vater. Der wird schon noch eine Schaufel zum Kohleschippen für Dich haben.“

Wie wenn er einen Kübel Wasser über den Kopf bekommen hat, schaut er seine Frau an. „Aha, jetzt gibst es zu, Tochter des Teufels“, triumphiert er. „Klar. Du hast vergessen, dass an unserer Hochzeit der Teufel getanzt hat. Nur du warst ja zu besoffen, um das zu merken“, lacht sie ihn an. „So, und jetzt vertragen wir uns wieder. Ich bestelle ein Essen. Wenn du nicht wieder dauernd schmatzt, darfst du mitessen“, kneift sie ihn. „Ok, wir sind ja schließlich kultivierte Gäste hier“, behält er das letzte Wort.

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