„Weißt du, ich habe mir dieses Jahr schon Gedanken gemacht, ob ich überhaupt noch einmal hierher kommen soll oder nicht“, wendet sich mein Besuch an mich. Wir suhlen uns in den Liegestühlen unter den Sonnenschirmen. „Ach, ja?“, bin ich erstaunt, „und warum?“ „Stell dich doch nicht so blöd an.
Du siehst doch die Zustände hier“, rappelt er sich auf. Mit ausgestrecktem Arm deutet er über den Strand. „Das Dreckwasser, den Müll am Strand, die Ratten und…“, beginnt er. Doch ich unterbreche ihn. „Das ist doch allen klar und bekannt. Müll ist hier normal. Wen kümmert es? Zudem begreifst du nicht, wie die Thais ticken. Für die ist das so, weil es so ist.“ Mein Kollege schaut mich ungläubig an. „Man merkt bei dir aber schon jetzt, dass es an einem Tag keine Sonnenschirme mehr gibt. Hast du zu viel Sonne bekommen?“ Er bestellt uns das nächste Getränk und fährt fort: „Du meinst also allen Ernstes, dass das hier normal ist? Oh, Mann. Dir hat es die letzten Hirnzellen weggeblasen.“ Verständnisloses Kopfschütteln folgt. Ich merke schon, dass ein wenig Aufklärung in Sachen Thai-Logik gut tut. So gebe ich zur Antwort: „Schau, das Wasser hier ist in den Augen der verantwortlichen Thais nicht schmutzig. Das kristallklare Nass ist lediglich mit Zusätzen versetzt. Darum siehst du im knietiefen Wasser deine Zehen nicht. Von Dreck keine Spur. Die Thais geben sich Mühe ihren Touristen das Thai-Feeling zu vermitteln. Bora-Bora, Waikiki oder Copacabana, das ist doch alles steril mit dem klaren Wasser. Du verstehst nicht, was es für die Thais bedeutet, ihre Strände für uns ‚Touris‘ so herzurichten. Und nun motzt du noch.“ Mein Gegenüber macht ein ständig längeres Gesicht: „Du verteidigst also diese stinkende Kloake noch?“, will er wissen.
Bora-Bora ist doch nix
„Nein, das nicht. Aber ich erkläre dir die thailändische Sichtweise. Schau, was du als Müll am Strand betitelst, betrachten andere als modernes Stranddesign. Wo denn schon bekommst du einen solch grandiosen Anblick eines derartig verschönerten Strandes? Da musst du doch zugeben, dass andere Strände der Welt nur aus langweiligem Sand, ein paar Palmen und reinem Salzwasser bestehen. Das ist doch nix! Kommt dazu, dass Schildkröten, die zum Eierlegen an den Strand kommen, keinen Umsatz generieren.“ Mich streift ein erzürnter Blick. „Dir ist wirklich nicht mehr zu helfen“, resigniert mein Kumpel. „Du hockst in einer Kloake inmitten einer Müllhalde, Strand genannt, und findest es ok. Warum macht denn niemand etwas dagegen?“ „Na, sie machen doch. Schau, alle drei, vier Wochen kommen einige von der Gemeinde, um den Strand blitzeblank zu putzen, wenn sie denn Zeit haben. Wow, und du siehst das nicht. Bist du auch so ein Farang, der alles besser weiß? Aber ich wüsste schon, wie du hier etwas verbessern könntest. Du gehst ins Rathaus und schlägst vor, am Strand ein, vielleicht zwei, ‚Müll ablagern verboten`-Schilder aufzustellen. Ein solches Schild beeindruckt jeden Thai ungeheuer! Dann hat sich die Sache für alle Ewigkeit erledigt.“ Ich lache ihn an und halte die Flasche zum Prosten hin. Er stößt mit mir an und meint: „Ich sehe schon, du hast einen gewaltigen Sonnenstich. Ist ja auch klar, wenn nun die letzten schönen Alt-bäume massakriert und durch Spargelpalmen ersetzt werden, musst du ja in der Sonne grillieren. Da ist das letzte bisschen Schatten weggekillt mit der Kettensäge. Aber das wirst du ja auch gut finden, hä?“ Er zieht seine Augenbrauen hoch. „Du kapierst immer noch nicht. Die Thais glauben doch, dass die bleichen Touris kommen, um Farbe zu kriegen. Was willst du dich drei Wochen in den Schatten legen, um ein wenig angebraten nach Hause zu gehen? Da denken doch die zuhause Gebliebenen: ‚In Thailand scheint also auch nicht immer die Sonne‘. Die Schattenbäume wegzuhauen ist also nur logisch. Thailand bietet so den ultimativen Turbo-Bräuner im XXL-Format. Du bist halt zu doof, um zu verstehen!“ Ich schaue etwas geduckt rüber, um die Wirkung meiner Rede zu erforschen. Doch mein Kollege sitzt nur da und dreht seine grüne Flasche immer und immer wieder in seinen Händen. Aber ich sehe, wie er nachdenkt. „Ok“, meldet er sich schließlich. „Ich hocke im Müll, bade in der Jauche und lasse mich durch die Sonne zwangsgrillieren. Du kannst mir das erklären, dass ich der Doofe bin. OK! Aber wenn ich nun auch noch von der Polizei in der nächsten Kontrolle abgezockt werde, wird das für dich auch ok sein.“ Mit zweifelndem Blick schaut er auf. „Ich sehe schon. Du bist ein hoffnungsloser Fall. Mit unserer Logik kommst du hier nicht weit.“, antworte ich. „Der Polizist will doch nur, dass du ein besserer Mensch wirst. Deswegen erzieht er fehlbare Farangs, damit sie als bessere Menschen nach Hause gehen – logisch! So gesehen ist ein Thailandaufenthalt eine Bildungsreise. Und überhaupt: Du kannst ja hier auch noch einen Abenteuerurlaub erleben. Da gibt es den Hindernisparcours an der Promenade, Wildwasserrafting nach jedem Regen mitten in der Stadt, Schlaglöcher suchen mit dem Moped, oder eine vierspurige Straße überqueren. DAS ist Action! Das ist es, was die Leute brauchen. Du bist der perfekte Qualitätstourist. Trotz allem, was die Thais verbocken, kommst du hierher, um deinen Sparbatzen unter die Leute zu bringen. Gratuliere!“
Aber ich sehe, er begreift es nie. Genauso wie ich selbst und vermutlich auch Sie. Es könnte aber auch sein, dass sich Thailand von den Touristen erholen will. Wer weiß es schon? Vielleicht ein Thai? Das bezweifle ich.