Neulich, am Strand: Krebse

Neulich, am Strand: Krebse

Ein herrlicher Tag heute. Ich sitze in meinem gewohnten Liegestuhl am Strand. Das Wetter passt - wie immer, das Bier ist kühl, der Lärm im Liegestuhlbereich ist im erträglichen Maß, kurz, es stimmt alles heute.

Inmitten des fast voll besetzten Platzes sind rechts vor mir zwei Farangs mit ihren Begleiterinnen und links ein Herr mit deutscher Lektüre, aber alleine. Er hat sich auf seinem Tischchen eingerichtet. Eine Flasche „Mekong“, Cola, ein Eisbottich, Sonnencreme usw. sind so in Reichweite, dass er sich nicht aufrichten muss. Er genießt anscheinend einen ruhigen Ferientag. Der Karawane der Händler begegnet er mit Gelassenheit, wenn auch zeitweilig genervt.

Unter den vielen vorbeiziehenden Händlern, die ihre Ware mehr oder weniger aufdringlich den Gästen anbieten, ist auch eine Krabbenverkäuferin mit ihrem dampfenden Topf. Zuoberst, schön geordnet übereinander gestapelt, orangefarbige Shrimps, daneben Krebse, deren Extremitäten mit einem Gummizug zusammen gehalten werden. Lächelnd bietet die Dame dem Farang ihre Leckereien an. Der schaut interessiert das im Dampf garende Getier an. Offensichtlich ist ihm aber nicht ganz geheuer, verzichtet er doch nach kurzem Hin und Her auf den Kauf.

Die beiden Thaibegleiterinnen vom Nebenplatz haben da schon weniger Hemmungen. Beherzt bestellen sie für sich und ihre Farangs ein Krebsfressgelage. Sie kaufen gleich alle Krebse auf. Die Verkäuferin ist begeistert. Sie macht sich nun daran, das Gelage vorzubereiten. Der Farang links, zurückgesunken in sein Liegestuhl, hält sich seine Lektüre vor sein Gesicht, schaut aber unentwegt der Vorbereitung der Krebse zu. So werden auf die Kartonteller Salatblätter gelegt, auf die die sorgfältig zerteilten Gebeine der gekochten Viecher gelegt werden. Alle, mit einem gekonnten Schlag auf den Panzer aufgeschlagen und geschält, essfertig. Eine feine Sauce dazu. Mensch, was willst du mehr? Das Festmahl kann beginnen. Die Stimmung erreicht einen Höhepunkt. Die Verkäuferin, ebenfalls happy, zieht mit den verbliebenen Shrimps weiter. So kann man hier im Paradies leben. Krebsparty am Strand - ha! Das sind Ferien! Und dazu die hübschen Mädels obendrein.

Der Herr zur Linken schenkt sich währenddessen bereits zum dritten, vierten Mal seinen Whisky-Cola nach. Wobei der Anteil an Cola im Getränk immer geringer wird. Nicht lange, und schon kommt im Heer der Händler der nächste mit Krebse im Topf herbei. Klar, dass sich nun der Farang diese Gelegenheit nicht entgehen lässt. „Was is denn des?“, zeigt er auf die Schalentiere. Der Händler, des Englischen und Deutschen nicht mächtig, plappert Unverständliches und fuchtelt mit den Händen herum. Mit ausladenden Gesten versucht er dem potenziellen Kunden den Verzehr schmackhaft zu machen. Und gleich: Mit drei Fingern der rechten Hand deutend, drei Stück für nur 200 Baht. Aktionspreis, nur gerade heute. „Aha, des is aber net grad billich“, entgegnet er dem Thai. „Yes, yes“, lacht der Thai ihn an. Nicht verstehen muss man auch richtig einsetzen. Als ob der Farang zugesagt hätte, beginnt er dem Farang vor der Nase die Krebse auf einem Kartonteller hinzulegen. Der Farang hat ja nicht abgelehnt, also sind die Dinger verkauft.

Misstrauisch nimmt der doch schon angesäuselte Herr einen zum Teilen bereitgelegten Krebs und begutachtet ihn. Oben, unten, hin und her dreht er ihn. „Na aber net nur die Kleenen. Da hast de ooch noch von de Großen, da“, beschwert er sich. Mit ausgestreckter Hand reicht er dem Thai den Krebs zurück. „Da und da“, zeigt er auf die größeren Exemplare. Verdutzt tauscht der Händler die Schalentiere. „Na, siehste. Geht doch“, triumphiert der Farang. Dem Händler ist seine Stimmung im Gesicht abzulesen. Wenn er könnte, würde er... Aber er braucht ja den Umsatz und Verdienst, also lässt er die „Langnase“ gewähren.

Umständlich kramt der Farang die 200 Baht aus der Tasche, behält sie aber noch in der Hand. Der Thai ist natürlich gleich auf die zwei 100er Scheine fixiert. Doch nun passt dem Herrn nicht, dass die Krebse kalt sind. „Haste net warme Dinger? Die hier frieren vor sich hin, als ob sie aus der Gefriertruhe meiner Oma kommen“, nörgelt er. „Wir Farange essen warm, weißte?“, erklärt er dem Thai. Ich weiß nicht, ob er ernsthaft erwartet, dass ihn der Thai versteht. Er nimmt die Krebse zurück, grapscht unter den Shrimps drei neue hervor, knallt diese auf den Karton und schnappt sich die zwei 100ter Scheine, die vor sein Gesicht gewedelt werden. „Ok?“, lächelt er zurück. „Du kannst mich mal“, zeigt nun der Thai dem Farang, indem er aufsteht und weg geht.

Krebs vs. Farang

So, nun hockt der Beschwips­te mit seinen toten Krebsen da und weiß nicht weiter. Zunächst einmal schenkt er sich einen weiteren Drink ein. Dann macht er sich an das Zerteilen der Viecher. Er reißt den Krebsen die Beine aus, verdreht ihnen die Gelenke, bis sie knackend auseinander fallen, verbiegt die Gliedmaßen zum Brechen. Doch diese sind hart und lassen sich nicht einfach von einem beduselten Farangweichei auseinander nehmen. Mit Ach und Krach kommt er mal an ein bisschen Fleisch, das er aus den Schalen lutscht, aber einen richtigen Happen zu essen bekommt er so nicht.

„Ihr Scheißviecher. Selbst im Tod macht ihr noch Probleme“, flucht er vor sich hin. Mit aller Kraft verbiegt er ein Krebsbein, rutscht aber ab und bekommt die Stachelvorsätze des Tieres zu spüren. Aus der Fingerbeere des Farangdaumens beginnt Blut zu quellen. Unter lautem Fluchen leckt er sich sein Blut ab. Immerhin etwas Nahrhaftes, denke ich. Der Farang leert Whisky über seinen Daumen und nimmt gleich noch einen kräftigen Schluck pur. „Ich werd euch fressen, ob es euch passt, oder nicht“, herrscht er die vor ihm liegenden Tierleichen an. Ich denke, es wird denen egal sein. Er nimmt ein Stück Bein und haut es auf die Tischkante. Das Krebsbein bleibt heil, aber das Whiskyglas landet im Sand. Hinterher rollt, den wertvollen Inhalt ausleerend, die offene Whiskyflasche. „Ja, leck mich am A..., ihr Scheißdinger“, entfährt es dem lallenden Leidenden. Entnervt packt er die Krebsbeine, -Zangen und -Körper mit Augen in einen Sack und schmeißt den in den Abfallkorb. 200 Baht zum Teufel, einen blutigen Daumen und trotzdem immer noch Hunger - Scheiße! Dann saufen wir halt den Rest des Whiskys noch aus, bevor der auch noch vor die Hunde geht.

Am Nachbartisch ist das Festmahl auch vorbei. Hier gönnt sich noch jeder ein Eis zur Nachspeise.

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dodojero 06.06.16 07:30
Kompliment!
Sehr schön und unterhaltsam mit viel Witz geschrieben. Prima!