Neulich, am Strand: Der Ritter und die Prinzessin

Neulich, am Strand: Der Ritter und die Prinzessin

Es begab sich zu unserer Zeit, dass im verregneten, kalten Europa sich einige vereinsamte Edelmänner zum gemeinsamen Trunk trafen. Witwer, Geschiedene, von ihren Frauen Verlassene, solche, die gesehen haben, wie es ihren verheirateten Kumpels ergangen ist, sind da.

Jeder hatte schon seine schlechten Erfahrungen gemacht und teilt sich nun sein Leid mit den anderen. Gemeinsam leckten sie ihre Wunden. Sie lästerten über die Weiber, die sich nicht nach ihren Vorstellungen gebärdeten. Auch überzeugte Alleinstehende, die lieber schwul werden würden, bevor sie denn ein derartiges Weibsstück mit ins Haus nähmen, waren dabei. Aber auch einfach so Unglückliche. Und das waren sie, letztendlich, alle. „Doch, so kann das doch nicht weiter gehen“, sagte sich ein edler Herr aus einer solchen Runde. „Es wird doch sicher auf diesem Planeten noch diese Eine, die Richtige, geben. Keine dieser Kratzbürsten, wie wir sie hier haben. Ich muss sie nur finden“, sagte er sich und begab sich auf die Suche.

Auf in den Kampf

Er zog sich sein bestes Gewand an und wollte, eigentlich einem Ritter gleich, sein Pferd besteigen, um in die Fremde zu gehen. Da er aber ja in unserer Zeit lebte, begnügte er sich, ins nächste Flugzeug einzuchecken, das ihn nach Thailand brachte. Stolz präsentierte er sich den Thais. Die waren dauernd am Feiern. Das verwunderte unseren Mann so sehr, dass er beschloss, das ebenfalls auszukosten. Schluss mit Jammern, jetzt wird gefeiert. Auf diese Weise lernte er viele Eingeborene kennen. „Vielleicht treffe ich auf diese Weise die Richtige“, erhoffte er sich. Er ließ das alles seine Freunde zu Hause wissen, was hier abgeht. Und es verging keine lange Zeit, dass auch die anderen einsamen Herzchen sich in Thailand einfanden. Aber immer, wenn es außer dem Saufen und Fressen um ein bodenständiges Gespräch handelte, verstand er nichts. Ebenso die fremden Sitten und Gebräuche. „Das macht doch nichts“, sagte er. „Ich bin ja hier der edle Ritter, der die Eingeborenen vor Armut und Obdachlosigkeit bewahrt.“ Das wiederum hörten die thailändischen Familienfürsten. Sie besprachen mit ihren Töchtern, dass dem Ritter bei seiner Weltrettung zu helfen sei. So sandten die großen und kleinen Fürsten ihre Prinzessinnen und viele weitere Töchter zu dem dahergekommenen Farang-Ritter zu seiner Auswahl. Dieser hatte aber inzwischen seine Edeltextilien in Strandklamotten und Badelatschen eingetauscht. So hatte er sich kaum mehr von den übrigen Touristen unterschieden. Es war für die Prinzessinnen nun fast nicht mehr möglich, aus der Masse der Touristen den Retter zu erkennen. Also begannen sie, jeden Farang zu beackern, der ihnen über den Weg lief. Eine dieser Prinzessinnen aber traf auf unseren Ritter. Nur bemerkte sie zunächst gar nicht, wen sie da vor sich hatte. Auch dem Edlen aus den fremden Landen war es nicht bewusst, nach so vielen Fehltritten, vielleicht nun doch ein vermeintliches Glückslos gezogen zu haben. Und so berichtete der Herr der Dame aus der Provinz, wie es ihm ergangen ist. Von den bösen Frauendrachen zu Hause, die nichts anderes zu tun haben, als ihm das Saufen zu verbieten. Ihm, dem edlen Herrn, der selber weiß, was zu tun sei. Oder, dass ihm die Weiber zu Hause auch gleich das Geld aus der Tasche ziehen, sobald er seinen Lohn bekommen habe. Und das müsse noch nicht einmal die eigene Ehefrau sein! Er war froh, endlich seine Empörung rauslassen zu können.

Die Prinzessin, obwohl sie kein einziges Wort verstanden hatte, bedauerte den Fremden sehr und tröstete ihn mit allem, was sie konnte. Das gefiel dem Herrn natürlich und er ließ sich das gerne gefallen. Wie sie sich nun auf diese Weise näher kamen, sagte die Prinzessin zu ihrem Ritter: „Du hast aber eine schöne Lanze!“ Doch der Ritter war nur erstaunt. Hatte er doch alle Waffen am Flughafen abgeben müssen. „Du meinst die Lanze in der Hose?“, fragte er. Schon begann er sich als junger Heißsporn zu fühlen. „Ja, natürlich diese“, antwortete die Prinzessin und schaute dem Mann ganz tief in die Augen. „Doch nicht die Lanze, die du vorne trägst. Die taugt nichts mehr. Die Plastiklanze, an deinem Hintern, mit der du jeden ATM-Automaten zur Herausgabe von Bargeld zwingen kannst, das ist eine scharfe Waffe. Wie machst du das? Nur mit der Karte, wie ein Dolch in den Schlitz der Maschine eingeführt, den ATM zur Aufgabe zu zwingen, so dass er all sein Geld ausspuckt. Du bist mein Held!“, bezirzte die junge Tochter des Fürsten den Herrn. Diesem war das mehr als nur recht. Endlich mal eine Dame, die ihn bewundert und das auch noch sagt! Dazu ist sie jung und hübsch. Genau so etwas hatte er sich doch immer erträumt. Tausche Schlachtschiff von zu Hause gegen Katamaran in Thailand! „Du bekommst mich aber nur mit beiden Lanzen“, besteht der Herr. „So soll es denn sein“, freut sich die Prinzessin und brachte den Edelmann nach Hause in den Norden, was alle freute. Und so bediente sich die ganze Familie von dem Besten, was der Farang zu bieten hatte. Seine „Lanzen“. Die Prinzessin beanspruchte beide, der Rest der Familie die „Lanze“ für die Geldmaschinen. So lange, bis der stolze Mann ausgelaugt war. Auf beiden Seiten. Dafür steht jetzt eine bescheidene Bleibe im Isaan und das Dorf hatte eine lange Zeit gut gelebt. „Kannst du nicht einen neuen Edelmann senden, wenn du endlich bald einmal nach Hause gehst und hoffentlich nicht mehr kommst?“, rief die nun angesäuerte Prinzessin unserem mittlerweile verarmten Ritter zu. Worauf der Ritter gedemütigt wieder in seine Heimat zog.

Normalerweise enden Märchen mit: Und sie lebten glücklich, bis ans Ende ihrer Tage. Doch in Thailand ist auch das anders. Hier heißt es: Und sie lebten glücklich, bis der ATM nichts mehr hergab. Schließlich beindrucken Farangs, die nicht einmal einen ATM zum Geldspucken veranlassen können, die Prinzessinnen nicht.

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