Endlich, nach endlosen 11 Monaten zuhause, bin ich heute Morgen dem Flieger in Bangkok entstiegen. Der 11-Stunden-Flug war doch anstrengend. Ich fühle mich entsprechend gerädert. Mein Knie schmerzt, im Rücken zieht es andauernd. In einem solchen abgewrackten Zustand finde ich mich also endlich auf meinem heiß geliebten Stammplatz am Strand ein. Mein bestelltes Bier steht bereit und so kann der Urlaub beginnen. Einfach perfekt! Mensch, was willst du mehr?
So freue ich mich auf meinen ersten erholsamen Ferientag am Strand. Die Strandhändler haben auch schon bemerkt, dass ein neuer Farang eingetroffen ist. Sie warten geduldig, bis ich es mir im Stuhl bequem gemacht habe. Die ältere Dame mit Doktorkittel bietet mir freundlich Pedicure und Massage an. „Nein danke, vielleicht später“, meine Antwort. Gleich hinter ihr folgt eine Verkäuferin mit Nasen- und Ohrhaarrasierer. „Danke“. Ich nippe an meinem Bier. In einer Gruppe laufen hintereinander ein Händler mit Buddhastatuen, je einer mit Sonnenbrillen, Strandtüchern, gefälschten Uhren, und Kokosnusschnitzereien an mir vorbei, um mir ihr Angebot zu machen. „Nein danke, vielleicht später“, winke ich ab.
Eigentlich hätte ich gerne frische Ananas und gelbe Mangos gehabt. Doch es ist weit und breit kein Fruchtverkäufer zu sehen. Mein suchender Blick durch die Stuhlreihen haben aber zwei Luckybird-, eine Lotterielos- und einen Tigerbalmhändler, sowie eine Gruppe T-Shirt- und Shorts-Verkäufer auf mich aufmerksam gemacht. „Nein danke, keine Lose, keine Vögel, ich bin gesund, danke, und Klamotten habe ich schon“, überstehe ich die Welle. Ich nehme mein Kreuzworträtsel zur Hand und suche in der Tasche nach meinem Kugelschreiber. Das wird von den vorbei kommenden Leinwandbilder-, Mützen-, Shrimps- und Seafoodverkäufern als Kaufsignal gedeutet. So stehen diese nun da und lächeln mich erwartungsvoll an. Alle warten gespannt, ob ich nun gleich mein Geld rausziehe. Groß ihre Enttäuschung, war es halt nur mein Kuli. „Danke“, nicke ich freundlich ab.
So widme ich mich jetzt dem Rätsel. Während dessen versammeln sich eine Dame mit einem Tablett voll Wackeldackel, ein Herr mit Zuckerwatte und Nüsschen, ein „Lolex“- Verkäufer, sowie eine Bettlerin mit einem Kleinkind auf dem Arm, an meinem Tischchen. „Nein danke, wirklich. Danke, danke. Heute nicht“, winke ich ab. Ich trage die leichten Antworten in das Rätsel ein, um später eine Hilfe bei den schwereren Fragen zu haben. Auf die Thais muss ich einen beschäftigten Eindruck gemacht haben, läuft doch gerade jetzt die Dame mit den Früchten an mir vorbei, ohne dass sie mich eines Blickes würdigt.
Warum bist du hier, wenn du nichts kaufst?
Als ich sie schließlich doch noch bemerke, ist sie bereits wieder so weit weg, dass ich auf die Nächste warten muss. Dafür erregte mein plötzliches Auffahren die Aufmerksamkeit des Muschel-, Orangensaft-, Hennatattoos- und der Perlenkettenverkäufer. „Vielen, vielen Dank, ja wirklich. Vielen Dank. Aber heute gerade nicht“, beginnt es mich langsam zu nerven. Ich will doch nur in Ruhe mein Kreuzworträtsel lösen und mich erholen. Doch die Thais kennen kein Erbarmen: In kurzer Reihenfolge erscheinen zuvorkommende, lächelnde Fritten-, Eiscreme-, Tintenfisch- und Shrimps-Anbieter (-innen) und versuchen ihr Glück. Bei mir ihren Umsatz zu steigern versuchen auch die weiteren Giraffenlampen-, Gürtel- und Lederwaren-, Schmuck- und Hütehändler.
Erfolglos. Jetzt, wo es spannend wird, weil die kniffeligen Fragen anstehen, steht eine Thai, mit einem Gitter vollbehangen mit Haarspangen, vor mir und haut mich an. „Hallo. Long time not see you.“ „Ja, siehst du denn nicht, dass ich keine Haare mehr habe? Hä? Ich - Glatze“, deute ich verärgert. Wortlos, aber mit zufriedenem Gesichtsausdruck, latscht sie davon. Immerhin hat sie es versucht.
Ich will weiterrätseln, als ein Händler mit Schwimmringen sich zwischen den Stühlen zu mir durchringt. „Ja, genau. Der will mir seine Schwimmflügel und Kinderschnorchel andrehen“, geht es mir durch den Kopf. Er wird doch sehen können, dass ich alleine, ohne Kinder, hier bin. Doch er wäre kein Thai, wenn er es nicht wenigstens versucht hätte, mir den Ramsch anzudrehen. „Nein, diese Kinder da sind nicht meine!“, antworte ich auf sein Deuten in Richtung des Strandes, während sich weit unten in meinem Bauch ein Kloss bildet. Ich kenne dieses Magengefühl von zuhause. Immer wenn ich Ärger hatte, oder Post vom Steueramt geöffnet habe, beschlich mich dasselbe Gefühl.
Ein letztes Mal versuche ich mich an meinem Rätsel, als eine junge Thai vor mir steht und eine Teleskopstange zum Selfiesschießen anbietet. Hinter ihr folgen die Zigaretten-, die Burmaschmuck-, Papaya Salat-, Badehose-, Bettüberwurf-, Fruchtschalen-, Maiskolben-, Faltkarten-, Viagra-, und Zeitungsverkäufer. Die bereits vorher schon vorbeigezogenen Verkäufer haben auch kehrt gemacht und kommen nun wieder zurück. Die werden es sicherlich ein zweites und drittes Mal versuchen.
Ich gebe es auf. Entnervt stecke ich das Rätselheft in die Tasche. Ich werde mich im Zimmer in Ruhe meinem Rätsel widmen und so dem Schicksal ein Schnippchen schlagen. Doch auch das hat bereits zurückgeschlagen: mein Bier ist inzwischen auf 30 Grad Umgebungstemperatur gekommen. Resigniert packe ich meine Sachen, bezahle und verabschiede mich. „Bis morgen“. „Bis morgen“, rufen die Händler, die auf der Strandmauer sitzen, und winken zurück. Den einzigen, den ich heute nicht gesehen habe, war der Zahnstocherverkäufer.