Neujahrsfest auf dem Land

Neujahrsfest auf dem Land

Ein Leser berichtet über das Songkranfest im Isaan:

Über viele Jahre hinweg, in denen ich in Pattaya-Jomtien lebte, war ohne Zweifel Songkran ein Fest, das einen Höhepunkt im jährlichen Kalender darstellte. Die Vorbereitungen auf diesen Tag nahmen immer einige Zeit in Anspruch. Es galt erstmal, die „Wasserwerfer“ zu überprüfen und falls diese von der letzten Wasserschlacht beschädigt oder sonst wie unbrauchbar waren, musste eine neue Wasserwaffe gekauft werden. Dabei musste strategisch sorgfältig vorgegangen werden, da es einige Punkte zu beachten gab. Wie groß war der Wasserbehälter? Wie groß war die Reichweite des zu verschießenden Wasserstrahls? Wie war die Handhabung? Wie schnell konnte nachgeladen werden? Es waren also akribische Tests durchzuführen, bis man die richtige und passende Wasserwaffe gefunden hatte.

Am Tag vor dem Ereignis wurde dann die Kleidung ausgesucht. Als unkompliziert erwies sich dabei die Tatsache, dass im Schrank das bunte Songkran-Hemd des Vorjahres hing, das man wieder anziehen konnte. Die Hose durfte schon etwas älter sein, in Erwartung der Wassermassen und damit verbunden auch der eigenen Unachtsamkeit, die diese verschmutzen würde. Bei der Auswahl der Schuhe war es so einfach wie beim Hemd, Gummilatschen waren bevorzugt, da diese für den Tag das einzig richtige Schuhwerk waren.

Am großen Tag trafen sich dann alle Gäste und Bekannte unseres Condiminiums am späteren Vormittag und zogen mit allerbester Laune in das Lokal an der Beach Road, das jedes Jahr angesteuert wurde und wo man, in der ersten Reihe sitzend, einen guten Blick auf die Straße, die Pickups mit den „Gegnern“ und den großen Wassertank vor der Nase stehend hatte. Es folgte dann ein ausgelassener Tag mit viel Gelächter und Spaß, unterbrochen um etwas zu trinken und zu essen, um sich danach, egal in welchem Alter, wieder wie Kinder um, im und am Wasser balgen zu können. Es war ein toller Tag, der noch für eine Woche Gesprächsstoff lieferte, um die Heldentaten aufzuzählen, wie man was und wen nassgespritzt hatte.

Seit ein paar Jahren lebe ich jetzt im Isaan auf dem Land. Zwar nicht so weit von Korat entfernt, aber eben doch ländlich. So wie in Pattaya, so ist auch hier Songkran ein großes Ereignis, wenn nicht sogar das größte Fest des Jahres für die Thais überhaupt. Tage vorher wird alles aufgeräumt und gesäubert. Im Garten und im Haus. Es wird geputzt, geschrubbt, gebügelt und zurechtgerückt. Alle in der Familie sind mit Feuereifer dabei und die zufriedenen und glücklichen Gesichter lassen bei der Arbeit überhaupt keine Anstrengung erkennen. Auf den Straßen sieht es aus wie bei einer Völkerwanderung. Tausende von Menschen, deren Familien im Isaan leben, sind mit dem eigenen Pick-up oder Bus auf dem Weg, um über Songkran Zuhause zu sein. Alleine diese Menschenbewegung zeigt die große Bedeutung dieses Tages.

In unserer Familie ist das Oberhaupt die 87-jährige Mama. Sie ist die Mutter meiner Lebensgefährtin und die Patriarchin der Familie, seitdem ihr Mann vor etlichen Jahren verstorben ist. Sie muss sich gar nicht ihrer Rolle als Patriarchin bewusst sein, jeder in der Familie erkennt sie als Oberhaupt an, da sie die Älteste ist und das Alter sehr geehrt und respektiert wird.

Von Wasserschlachten ist man hier auf dem Land weit entfernt, da hier Songkran noch thailändisch rituell gefeiert wird, so wie es seit ewigen Zeiten Brauch ist. Am Morgen gehen die Familienmitglieder ins Wat, um Buddha um ein gutes Leben zu bitten und für das Bisherige zu danken. Danach kommen alle wieder nach Hause und treffen sich dann bei uns im Garten, da unsere alte Mama bei uns im Haus wohnt. Ihre vier Töchter mit den auch inzwischen verheirateten Kindern und deren Kindern erscheinen dann und es sind vier Generationen beisammen. Insgesamt sind dann 20 Personen zusammen und das Ritual sieht vor, dass die Mama als Älteste und Oberhaupt der Familie in einem Stuhl auf der Terrasse Platz nimmt. Da ich in der Familie der Zweitälteste bin und gleichzeitig ein männliches Pendant, werde ich neben die Mama platziert. Danach, es beginnt mit den jüngeren Familienmitgliedern, kniet jeder vor Mama beginnend nieder und schüttet ihr etwas Wasser über die Füße mit einer kleinen Schale, die Wasser mit einigen Blumenblüten enthält. Diese ehrerbietige Fußwaschung wird dann auch an mir, dem Farang, vorgenommen. Ich gebe zu, ich bin sehr glücklich und stolz darüber, dass man mich so respektvoll behandelt und damit zeigt, dass ich ein festes Familienmitglied geworden bin.

Danach kommt dann ein weiterer Höhepunkt. Das Essen wird aufgetragen und es wird dann über längere Zeit gemütlich geschmaust. Die Kinder tollen und spielen im großen Garten und dürfen sich dabei mit den Gartenschläuchen mit Wasser bespritzen, was sie laut kreischend auch machen. Die etwas älteren Familienmitglieder schauen sich Garten und Haus an und holen sich ein paar Anregungen, da sie evtl. auch ein Haus bauen wollen. Über all dem sollte die Mama thronen. Bescheiden wie sie ist, sitzt sie etwas im Hintergrund und hört sich das Geschnatter der weiblichen Familienmitglieder an, die, das muss jedoch gesagt werden, sich liebevoll um sie mit allen anderen kümmern. Wenn es am Abend ruhiger und dunkel geworden ist, verteilt sich die Gesellschaft auf die jeweiligen Häuser der Familie zur Nachtruhe und alle haben mit Sicherheit einen seligen Schlaf.

Das Schöne an diesem Neujahrsfest ist, das es sich jährlich wiederholt und wir alle hoffen, dass die Familie wieder gesund und heil zusammenkommt, wie in diesem Jahr. Buddha wird schon auf uns aufpassen.

Ingo Kerp & Samroeng Chalaemklang, Nakhon Ratchasima

Die im Magazin veröffentlichten Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. DER FARANG behält sich darüber hinaus Sinn wahrende Kürzungen vor. Es werden nur Leserbriefe mit Namensnennung veröffentlicht!


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Mike Dong 12.04.18 16:54
@Hr.Kerp / vielen Dank
Gerne habe ich Ihre nette Schilderung der Gegebenheiten zu Songkran ausserhalb der Touri-Hotspots gelesen. Zu ergänzen hätte ich noch das rituelle Waschen der Familien Buddhas, das an diesem Fest gemacht wird. Auch werden die Hände der Erwachsenen von den Kindern aus Respekt gewaschen. Das Alles hat so gar nichts mit dem Chaos z.B. in der Khao San Rd, Pattaya, Phuket, Hua Hin zu tun hat. Es ist dabei festzustellen, daß die Farangs in den Touri-Hotspots noch viel prolliger feiern, als die Thais. Leider hat das auch auf die lokale Bevölkerung abgefärbt u das eigentlich schöne Fest ist zum Ballermann-Abklatsch mutiert.