Namensgebung

Der erste wichtige Anlass im Leben eines Neugeborenen ist die Namensgebung. Der Buddhismus kennt keine Taufe, wie im christlichen Glauben üblich. Doch auch hier wird in einer festlichen Zeremonie, wenn das Kind ein paar Wochen alt ist, ihm seine erste Locke abgeschnitten und sein Nickname gegeben. Alle Verwandten und Nachbarn, die dazu eingeladen, binden dem Baby Fäden mit Geldscheinen um das Handgelenk und tun sich im Gegenzug an den reichlich aufgefahrenen Speisen und Getränken gütlich.

Was zählt ist der Vorname

Thais haben einen vollen, im Personalausweis eingetragenen Namen, bestehend aus Familiennamen und Vornamen. Thailändische Familiennamen sind seit 1920 gesetzlich vorgeschrieben. Unter der Regierung von König Rama VI. wurden 1920 alle Staatsbürger verpflichtet, einen Nachnamen als Familiennamen anzunehmen, davor waren nur einfache Namen üblich. Trotzdem spricht man sich im offiziellen Verkehr nur mit dem Vornamen an, allenfalls erfolgt ein Funktionszusatz, wie Moor (Doktor) oder Adschaan (Lehrer). Auch Farangs werden grundsätzlich mit dem Vornamen angesprochen, ohne dass dies besondere Vertrautheit voraussetzt. Auch Namenslisten - wie Telefonbücher - sind alphabetisch nach den Vornamen sortiert.

Ein neugeborenes Thai-Baby wird erst zu einem Individuum, sobald es einen Namen bekommen hat und damit in dem beim zuständigen Amphoe (Bezirksamt) geführten Hausregister verzeichnet ist. Dieser Name ist aber für Farang oft schwer auszusprechen und wird auch im täglichen Verkehr zwischen Thais selten gebraucht. Aber außer dem eingetragenen Namen hat jeder Thai noch einen Nicknamen.

Dieser Nickname entspricht dem Thai-Naturell, möglichst einsilbige Wörter zu gebrauchen. Im täglichen Verkehr, zu Hause und unter Freunden, wird in der Regel nur der Nickname gebraucht. Wenn man einen Thai nach dem Namen fragt, wird er in der Regel seinen Nicknamen nennen. Dieser Spitzname bleibt ihm bis an sein Lebensende erhalten und wird von ihm derart verinnerlicht, dass der erwachsene Mensch auf Nachfrage manchmal nachdenken muss, um sich an seinen richtigen Namen zu erinnern.

Diese Nicknamen (chüe len = Spielname) beruhen entweder auf dem stark verkürzten Vornamen oder auf einer tatsächlichen oder gewünschten Eigenschaft der Person, oder auf deren Aussehen. Fast alle Nicknamen entstammen einer der folgenden Kategorien.

Früchte (som = Orange)
Nummern (nüng = eins)
Farben (daeng = rot)
Körperabmessungen (lek = klein)

Daneben stammen viele Namen aus dem Tierreich. So gibt es z.B. Namen wie Meo (Katze), Muh (Schwein), Mot (Ameise), Phet (Ente), Nok (Vogel), Tao (Schildkröte), Gai (Huhn), Nuh (Maus).

Von Schweinen und Mäuschen

Da der Nickname dem Baby in der Wiege gegeben wurde, hat er in der Regel nichts mit dem Aussehen oder Charakter der erwachsenen Person gemein. Es macht aber immer einen guten Eindruck, wenn der Farang in der Lage ist, den Nicknamen zu übersetzen. Das lässt den Thai vermuten, dass der Ausländer sich bemüht, seine Sprache zu lernen. Es ist zwar für den Farang schon etwas seltsam, ein nettes Mädchen mit Schwein ansprechen zu müssen, für Thais gelten aber Namen wie Schwein oder Maus nicht als Beleidigung.

"Nuh" = Maus oder Mäuschen kann man als Älterer auch unbesorgt benutzen, um ein junges Mädchen anzusprechen, dessen Namen man nicht kennt, z.B. um im Restaurant eine Kellnerin zu rufen.

Anstelle der Namen werden sehr viel häufiger als bei uns auch Titel verwendet. Zur Anrede genügt dann der Titel, der Name muss nicht hinzugefügt werden, z.B. Puh Jai (Bürgermeister) oder Khruh (Schullehrer).

Egal, was der Nickname nun bedeutet, höflich ist es, Erwachsene immer mit einem "khun" (Herr, Frau) oder, bei Höhergestellten und Mönchen, "thaan" vor dem Namen anzusprechen, und zwar auch dann, wenn man die Person in Englisch anspricht. Diese Regel gilt auch, wenn nicht zu jemandem, sondern über jemanden gesprochen wird. In Gegenwart von mehreren Personen sollte man allerdings, um nicht als unhöflich zu gelten, alle gleich anreden, also alle mit Nicknamen oder alle mit richtigem Namen.

Günther Ruffert

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