Nahles macht Juso-Chef Vorwürfe

Foto: epa/Till Rimmele
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BERLIN (dpa) - Drei Tage vor dem richtungsweisenden SPD-Parteitag in Bonn spitzt sich der innerparteiliche Streit über die mögliche Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu.

Fraktionschefin Andrea Nahles warf den GroKo-Gegnern vor, es mit den Fakten nicht so genau zu nehmen. «Was der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert in Sachsen-Anhalt zum Thema Rente gesagt hat, ist schlichtweg falsch», sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Die Jungsozialisten machen dagegen weiterhin massiv Stimmung gegen eine Neuauflage des Regierungsbündnisses mit der Union. Kühnert will am Donnerstag (11.00 Uhr) in Berlin im Willy-Brandt-Haus für «#NoGroKo» werben.

Am Sonntag stimmen auf einem Parteitag in Bonn 600 Delegierte und der SPD-Vorstand darüber ab, ob es Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU geben soll. Kritiker aus den Reihen der SPD beurteilen die Sondierungsergebnisse von Union und SPD als unzureichend und wünschen sich «Nachbesserungen», etwa bei der Steuerpolitik oder beim Gesundheitssystem. Viele haben aber auch prinzipielle Bedenken gegen eine erneute große Koalition.

Nahles rief ihre Partei dazu auf, nicht mit falschen Hoffnungen in mögliche Koalitionsverhandlungen mit der Union zu gehen. Sie warne «vor Illusionen», sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Trotzdem werde es harte Koalitionsverhandlungen geben. Die Fraktionsvorsitzende gab die Einschätzung ab, ein Drittel der Delegierten sei noch unentschlossen.

Am Mittwoch hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel größere Nachverhandlungen ausgeschlossen. Die Union habe bereits «herbe Konzessionen» gemacht, sagte die CDU-Vorsitzende mit Blick auf entsprechende Wünsche in der SPD.

Am Mittwochabend empfahl die Spitze der saarländischen SPD die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union im Bund. Mit 18 zu 1 Stimmen fiel das Votum im Landesvorstand deutlich aus, wie der Landesvorsitzende, der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas, via Twitter mitteilte. Die saarländische SPD stellt 24 der 600 Delegierten auf dem SPD-Parteitag in Bonn. Aus den Landesverbänden hatte es zuletzt unterschiedliche Voten dafür und dagegen gegeben.

Aus dem SPD-Wirtschaftsforum kamen scharfe Warnungen vor einem Scheitern der GroKo-Pläne. Harald Christ, Präsidiumsmitglied des Forums auf Bundesebene, sagte der «Mainzer Allgemeinen Zeitung» (Donnerstag): «Es wäre verheerend, wenn der SPD-Parteitag am Sonntag Verhandlungen über eine GroKo ablehnen würde.» Unerlässlich sei jetzt die Bildung einer stabilen Regierung. Die aktuellen Sondierungsergebnisse seien für die SPD sehr zufriedenstellend.

Auch ehemalige Parteigrößen empfahlen den Delegierten, für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu stimmen. «Es spricht mehr dafür, in Koalitionsverhandlungen einzutreten als Nein zu sagen», sagte der frühere SPD-Vorsitzende Kurt Beck der «Saarbrücker Zeitung» (Donnerstag). Ähnlich äußerte sich Erhard Eppler, über Jahrzehnte Vertreter des linken Flügels der SPD. «Wenn ich, immerhin seit 62 Jahren Mitglied der Partei, gefragt werde, ist die Antwort: Ich bin für das Ja», schreibt der 91-Jährige in einem Gastbeitrag für die «Süddeutsche Zeitung» (Donnerstag).

Dagegen legte der CDU-Wirtschaftsrat der SPD den Rückzug in die Opposition nahe. «Es ist besser, die SPD regelt ihr Führungsproblem in der Opposition und regeneriert sich dort», sagte der Vorsitzende Wolfgang Steiger der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag).

Derweil ergaben Berechnungen eines Finanzexperten, dass die Pläne von SPD und Union für eine neue große Koalition Steuer- und Beitragszahler spürbar entlasten würden. «Sowohl Geringverdiener als auch mittlere Einkommen und gut bezahlte Facharbeiter profitieren», sagte der Finanzwissenschaftler Frank Hechtner dem «Handelsblatt» (Donnerstag). Nach seinen Berechnungen hätte ein Geringverdiener- Ehepaar mit zwei Kindern und jeweils 1.000 Euro Monatsverdienst 1.096 Euro mehr im Jahr in der Tasche. Für Spitzenverdiener lägen die Entlastungen teils bei über 3.000 Euro im Jahr.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur wünschen sich beim Zustandekommen einer neuen großen Koalition mehr Bürger Sigmar Gabriel auf dem Vizekanzlerposten als Martin Schulz. Demnach sprachen sich 33 Prozent dafür aus, dass Gabriel Stellvertreter von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) bleibt. Nur 22 Prozent wünschten sich seine Ablösung durch SPD-Chef Schulz. Sechs Prozent sprachen sich für einen anderen Kandidaten aus, 39 Prozent machten keine Angaben.

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