Müllproblem Samui: Zum dritten Mal 5 vor 12

Alarm der Verwaltung Tesaban: Deponien in acht Monaten erschöpft

Die Müllproblematik auf der Deponie bei Hua Thanon schlägt sich längst auch im täglichen Straßenbild nieder. Vor allem Thailänder werfen Müllsäcke oft achtlos in die Natur oder an den Fahrbahnrand. Fotos: Sam Gruber
Die Müllproblematik auf der Deponie bei Hua Thanon schlägt sich längst auch im täglichen Straßenbild nieder. Vor allem Thailänder werfen Müllsäcke oft achtlos in die Natur oder an den Fahrbahnrand. Fotos: Sam Gruber

KOH SAMUI: Wie oft kann es 5 vor 12 sein? Im Jahr 365 Mal, auf Koh Samuis Müllproblematik zugespitzt: ebenfalls jeden Tag. Seit Jahren stinken die Abfallberge auf der Ferieninsel zum Himmel, und aufgrund der seit mehr als 12 Jahren stillstehenden Müllverbrennungsanlage wachsen die Deponien an – doch Lösungen gegen einen gefährlich schwelenden Albtraum fielen nicht vom Himmel.

Koh Samuis Bürgermeister Ramnate Jaikwang war vor zweieinhalb Jahren ein Ultimatum gestellt worden. Nach der Machtübernahme der Militärjunta in Thailand im Jahr 2014 landeten flutweise schriftliche Beschwerden beim Nationalen Rat für Frieden und Ordnung (National Council for Peace and Order, NCPO). Ins Visier genommen hatten die zumeist aus Hua Thanon stammenden Bürger die unweit ihres Dorfes gelegene riesige Mülldeponie, deren Verwaltung gescheitert ist und deren Kapazität durch verzweifelte Deponieerweiterungen Jahr um Jahr erhöht worden war.

Jetzt gesteht der Bürgermeister, seit neun Jahren im Amt und ein gebürtiger Samuianer aus dem Ort Lamai, seine Ohnmacht ein. Ramnate Jaikwang sagte Ende August bei einem Treffen, dass das Ende der Fahnenstange erreicht sei und die zuletzt vor einem Jahr gebaute jüngste Ablagerungsgrube in spätestens acht Monaten ihre Grenzen erreichen werde. Was danach passiere, könne er, so Jaikwang, nicht mehr alleine verantworten.

Bis zu 200 Tonnen Abfall täglich fallen an:

Solche alarmierenden Feststellungen eines katastrophalen Status Quo der Müllproblematik sind nicht neu. Neu ist allenfalls die Deutlichkeit, mit der sich der Bürgermeister eine Brücke aus der Verantwortlichkeit baut. Zwischen 150 und 200 Tonnen Müll fallen täglich auf der Insel an – und dieser wird von den orangefarbenen Müllwagen zur Deponie hinter Hua Thanon gekarrt. Die Bevölkerungszahl auf Koh Samui hat sich in zehn Jahren verdreifacht. Nicht eingerechnet sind die Touristen, von denen statistisch rund 1,5 Millionen pro Jahr kommen.

Die Situation ist grotesk und dadurch nicht minder prekär. Das Ultimatum für den Bürgermeister zur Vorlage eines Müllkonzeptes im Frühjahr 2015 ist ohne Folgen verstrichen. Solange die Müllverbrennungsanlage nicht funktioniert und das Aufkommen sich nicht erkennbar reduziert, kann auch ein Zauberer Merlin nicht Ramnate Jaikwangs Abfallproblem wegzaubern. Die Insel produziert Müll, mit steigender Tendenz, das Umweltbewusstsein der Einheimischen tendiert gegen Null, die Touristen wollen in ihren schönsten Wochen des Jahres nichts von Abfall und Gestank hören oder lesen.

Der Bürgermeister liebäugelt in seiner Ohnmacht mit einer Art von ‚Mülltourismus‘ aufs Festland, soll heißen: Raus mit dem Abfall aus den übervollen Deponien und runter von der Insel in Richtung Surat Thani. Wie das logistisch funktionieren soll und wer die Milliarden von Baht dafür bezahlt, das bleibt die Existenzfrage. Es gab seit Verhängung des Ultimatums mehrere Treffen mit Entsorgungsunternehmern und Experten – allein, eine nachhaltige Lösung gab und gibt es nicht.

Samuis Bürgermeister Jaikwang steht unter Beschuss:

Dass vor allem die Anlieger der Mülldeponie vor Hua Thanon protestieren, sich bei der Militärregierung lautstark Gehör verschaffen und mehrmals im Jahr die Zufahrt zum Müllgelände blockieren, hat die Gemüter erhitzt. Der Bürgermeister steht unter Beschuss und wird alleine nichts ausrichten können. Was fehlt, ist ein von der Inselverwaltung, der Provinzregierung in Surat Thani und der Militärjunta in Bangkok erarbeiteter Konsens: Wer macht was bis wann und wo?

Zur Entlastung von Ramnate Jaikwang könnte angemerkt werden, dass er bei seinem Amtsantritt im Jahr 2008 eine tickende Müllzeitbombe übernommen hatte. Unter seiner Führung sind Samuis Straßen erneuert und ausgebaut worden, der Hochwasserschutz wurde optimiert. Im Riesenhaufen aller Müllberge dieser Insel blieb auch er hilflos stecken. Daran war nichts zu verdienen, kein Geld und kein Wohlwollen.

Sein Wahlvolk macht es ihm nicht einfach. Viele Thais entsorgen bis heute achtlos und ohne Skrupel ihren eigenen Müll in der freien Natur. Darunter sind einige, die ihn beim nächsten Mal wieder wählen sollen. Das weiß der Bürgermeister genau. Vielleicht erklärt sich so die Diskrepanz zwischen rasant steigenden Steuereinnahmen und chronisch leerer Kassen, wenn es um Koh Samuis vordringlichstes Problem geht. Müll stinkt. Geld nicht.

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Leserkommentare

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Chris Star 03.09.17 22:16
Müllschiffe...
@ Oliver Harms: ... wären eine Steilvorlage hin und wieder auch mal einfach etwas ins Wasser zu verlieren...
TheO Swisshai 03.09.17 17:04
@ Der Farang / Sam Gruber
Ein sehr gut geschriebener Artikel, der sagt was Sache ist und die Probleme beim Namen nennt. Es ist meiner Meinung nach wichtig, diese tickende Zeitbombe immer wieder mal zu thematisieren und damit beizutragen, die Behörden unter Druck zusetzen. Dieses Problem muss endlich im gebührenden Masse angegangen werden. Vielen Dank dafür, Herr Gruber.
Jürgen Franke 02.09.17 22:20
Herr Gruber, ich kann mir richtig vorstellen,
wie Sie sich fühlen müssen, beim Verfassen dieses Berichtes. Als Außenstehender kann man lediglich fassungslos diese Zeilen lesen. Grundsätzlich haben doch auch die Verantwortlichen Thailands, die Möglichkeit sich zu erkundigen, wie andere Länder dieses Problem lösen. In Deutschland funktioniert die Müllentsorgung, seit dem sie keine hoheitliche Aufgabe mehr ist, sondern durch Privatunternehmen geregelt wird. Am Ende steht eine Müllverbrennungsanlage. Am Anfang jedoch die Mülltrennung. Das bedeutet eine Änderung der Mentalität, Erziehung und Bildung. Wäre doch auch einmal eine sinnvolle Aufgabe der sogenannten sozialen Medien.
Oliver Harms 02.09.17 14:59
es gibt eine ganz einfache lösung!
mobile müllverbrennungsanlagen auf schiffen.
die können zwischen den inseln verkehren und den aktuell anfallenden müll an bord holen.
es handelt sich da bei auch nicht um eine neue unbekannte erfindung sondern um ein bereits seit den 1960er jahren genutztes system.aber ich fürchte,dass wäre zu einfach und logisch.