Mit Harmonie und seltenen Konflikten - Kerber dank Beltz Nummer eins

Foto: epa/Wallace Woon
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SINGAPUR (dpa) - Beim Saisonabschluss ist Angelique Kerber im zweiten Gruppenspiel gegen Simona Halep aus Rumänien gefordert. Die Kielerin will in Singapur ihren Status als Nummer eins untermauern. Ihr Trainer, ein langer Schlaks aus dem hohen Norden, hat sie an die Spitze geführt.

Manchmal hört Angelique Kerber nicht auf ihren Trainer. Beim gemeinsamen Shoppen sind die Geschmäcker verschieden, die Ratschläge von Torben Beltz nimmt die erste deutsche Nummer eins seit Steffi Graf dann nicht an. «Wenn ich sage grün, nimmt er blau - und andersherum ist es genauso», berichtete die 28-Jährige bei den WTA Finals in Singapur schmunzelnd. Kerber liebt Schuhe, Beltz sieht sich als «nicht so der Shopping-Mensch». Beim Saisonabschluss der besten acht Tennis-Damen, wo Kerber am Dienstag auf Simona Halep trifft (13.30 Uhr/ARD), wäre die Gelegenheit zum Bummeln günstig. Direkt neben der Halle liegt ein Einkaufszentrum.

Der 2,02 Meter große Schlaks aus dem hohen Norden hat Kerber zur Weltranglisten-Ersten geformt und als Motivator und Taktik-Tippgeber auch bei ihrem umkämpften Erfolg gegen Dominika Cibulkova am Sonntag eine entscheidende Rolle gespielt. Doch schon lange verbringen beide nicht mehr nur gemeinsam Zeit auf dem Tennisplatz. Sie gehen shoppen, essen und ins Kino oder spielen Backgammon. Ob Beltz eine Art Animateur sei? «Nein, das ist nicht das richtige Wort», sagte die Kielerin. Zwischen ihnen hat sich eine Freundschaft entwickelt.

Auf der Tour ist der 39-Jährige aus Itzehoe wichtigste Bezugsperson für die Norddeutsche, gerade wenn Mutter Beata nicht wie in Singapur oder New York als Glücksbringer mitreist. «Wenn man so viel Zeit miteinander abhängt, sind natürlich Konflikte da», sagte Beltz. Aber wann die beiden Schleswig-Holsteiner aneinanderraten, verriet er nicht. «Es ist jetzt nicht so, dass wir jede Woche streiten. Die Harmonie ist gut. Deswegen denke ich auch, dass sie gut spielt.»

Beltz kennt Kerber wohl so genau wie sonst kaum jemand. Seit ihrer Jugend arbeiten sie zusammen. Eine Auszeit, in der Kerber es mit dem forscheren Benjamin Ebrahimzadeh probierte, hielt nicht lange an. Als die Linkshänderin Anfang 2015 in einer Krise weder ein noch aus wusste, kehrte sie zu Beltz zurück. Ihre gemeinsamen Wetten sind inzwischen fast ebenso legendär wie seine Tradition, sich erst zu rasieren, wenn Kerber verliert. Auch bei den Finals wächst der Bart.

Mit seiner stets guten Laune weiß der zweifache Vater, wie er Kerber anpacken muss. Er weiß, wann er sie in Ruhe lassen muss. Wann er mit ihr hart trainieren kann und wann sie nur leichte Einheiten wie am Montag auf dem Centre Court im Singapur Indoor Stadium braucht. Der sehr gute Tennisspieler hat mit Kerber am Aufschlag gearbeitet und an einem aggressiveren Spielstil, beides entscheidende Schritte auf dem Weg zur Nummer eins. «Er weiß genau, was zu tun ist», lobte Kerber.

Bei den WTA Championships tritt die Linkshänderin nun in ihrer siebten Woche als Nummer eins an. Einmal mehr hat sie es Zweiflern bewiesen, die nach dem Sprung an die Spitze mutmaßten, sie könne sich dort kaum halten. Bis zum Ende des Jahres wird die bescheidene Norddeutsche länger oben thronen als Venus Williams (11 Wochen), Steffi Grafs Rivalin Arantxa Sanchez-Vicario (12) oder Bastian Schweinsteigers Ehefrau Ana Ivanovic (12). Weil Serena Williams wegen ihrer Schulterprobleme gar nicht erst nach Singapur reiste, behält Kerber den Spitzenplatz auf jeden Fall bis zum Jahresende.

Natürlich ist der Topgesetzten bewusst, dass die Erwartungen hoch sind und viele - samt der Zuschauer bei der ungewohnten Übertragung in der ARD - auch gegen Halep auf einen Sieg setzen. Am Sonntag interessierte sich das TV-Publikum kaum für ihren Sieg. 940 000 Zuschauer (6,3 Prozent) guckten zwischen 14 und 16.10 Uhr im ZDF zu.

Doch aus ihrem neuen Status zieht sie auch neue Kräfte. «In wichtigen Momenten sage ich mir selbst, du bist hier die Nummer eins», sagte Kerber. «Ich weiß, ich gehöre da oben hin». Dieses Bewusstsein könnte ein Trumpf gegen die Weltranglisten-Vierte Halep und für den erstmaligen Einzug ins Halbfinale beim Saisonfinale sein. Gegen die Rumänin Halep, French-Open-Finalistin von 2014, dürfte Kerber wieder voll gefordert sein. Beltz wird in der Box auf der Tribüne sitzen.

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