Mit der eigenen Geschichte aussöhnen

Mit der eigenen Geschichte aussöhnen

Eine Leserzuschrift zu der Kolumne „Mit spitzer Feder – Rätsel Thailand“ (FA03/2017):

Ich lese die Kolumne von Herrn Ce-eff im Allgemeinen recht gerne, ist sie doch eine erfrischende Abwechslung zu den vor allem in letzter Zeit zunehmend thailandkritischen Äußerungen meiner Landsleute, die mir beruflich oder privat begegnen. Allerdings seine Bemerkung „Sie (die Thais) dürfen, im Gegensatz zu den Deutschen, stolz sein auf ihre Vergangenheit. Hier durften alle Religionen sich ausbreiten. Hier wurde kein Jude, (…) Ausländer getötet, nur, weil er anders war“ ist so dermaßen unwahr wie unfair, dass ich sie nicht kommentarlos stehen lassen kann.

Verehrter Herr Ce-eff, wollen Sie tatsächlich ein Volk, das in seiner fast 1.200-jährigen Geschichte großartige Menschen hervorgebracht hat, wie Goethe, Schiller, Beethoven, Luther, Bach, Gutenberg, Einstein, Röntgen, Diesel, Siemens, Benz und, dem die Welt Erfindungen zu verdanken hat, wie Buchdruck, Bier, Papier, Glühbirne, Telefon, Straßenbahn, Motorrad, Automobil, Plattenspieler, Röntgen, Fernseher, Düsentriebwerk, Hubschrauber und Computer, um nur einige wenige zu nennen und dessen Unternehmen heute in über 1.300 Bereichen Weltmarktführer sind, ein internationaler Rekord, auf die 1 Prozent seiner Vergangenheit reduzieren, nämlich die 12 Jahre des Dritten Reiches, die es ohne die bodenlose Ungerechtigkeit des Versailler Vertrages wohl nie gegeben hätte?

Und glauben Sie allen Erns­tes, dass es in der Geschichte unseres Gastgeberlandes nie zu „Missverständnissen“ mit Menschen anderer Religionen oder Rassen gekommen ist? Die meisten Völker haben dunkle Kapitel in ihrer Geschichte, nur während die einen diese Kapitel tabuisieren, vergessen oder einfach munter umschreiben, hat kaum jemand die eigene Vergangenheit so aufgearbeitet, wie wir. Bevor Sie also versuchen, das „Rätsel Thailand“ zu lösen, empfehle ich Ihnen sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen und vor allem auszusöhnen. Und Dank unseres Sozialsystems (ich nehme an, Sie beziehen Rente), das dafür sorgt, dass Sie nach Ende Ihrer Erwerbstätigkeit in ein soziales Netz fallen und nicht auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen, haben Sie ja genug Zeit und Muße dafür – übrigens auch eine deutsche Erfindung.

Dr. Ramin, Munich Dental Clinic, Pattaya

Die im Magazin veröffentlichten Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. DER FARANG behält sich darüber hinaus Sinn wahrende Kürzungen vor. Es werden nur Leserbriefe mit Namensnennung veröffentlicht!

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Leserkommentare

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Louis P. Schwendener 12.03.17 18:14
Vergangenheits Bewältigung
Bin zwar Schweizer und müsste mich nicht für die Vergangenheit Bewältigung der Deutschen einsetzen. Als neutraler Beobachter stört es mich aber doch enorm, wenn heute immer noch und bei jeder denkbaren Gelegenheit an das kollektive Schuldbewusstsein der Deutschen appelliert wird. Siehe die erst vor kurzem in gleicher Beziehung gemachten maßlosen und frechen Kommentare des Türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Man getraut sich ja kaum diesem Despoten und Diktator Paroli zu bieten.
Die heutige Generation der Deutschen ist so wenig schuld an den Verbrechen des zweiten Weltkrieges, wie die Generation meines Landes. Dieser politische Masochismus dürfte nun endlich mal wieder neuem Stolz auf Positives (siehe was Dr. Ramin in seinem Kommentar zu recht bezüglich großartigen Menschen aus Deutschlands Vergangenheit auflistet) Platz machen.

Siegmund Scheller 12.03.17 14:05
Ist halt so!
Wo der Schreiber oben recht hat, hat er recht. Es gibt keine echte Wahrheit, alles, jede Münze hat 2 Seiten. Es ist immer der Standpunkt von wo aus man die Dinge sieht.