Wenn Werner aus Berlin, der jetzt schon seit 5 Jahren in Pattaya lebt, mit seiner Freundin Hand in Hand durch die Stadt spaziert, tuscheln viele Farangs hinter ihm her: „Halt sie bloß fest, sonst haut sie dir ab.“ Andere vermuten, dass sie seine Enkelin ist, aber die sind längst erwachsen und leben in Berlin. Inzwischen hat er seine Freundin geheiratet.
Der Altersunterschied beträgt 47 Jahre. Sie ist 25 Jahre alt, er 72. Und jetzt ist sie schon im 8. Monat von ihm schwanger. Ist das okay? Wird das Kind den Vater noch bewusst kennen lernen? Umgekehrt wäre das so gut wie unmöglich. Kaum eine Frau, die ihre Eier einfrieren ließ, kann so spät noch ein Baby bekommen. Allerdings soll es solche Fälle gegeben haben. Ich würde aber sagen, hier wird die Natur pervertiert.
So, inzwischen hat Werner sein Baby. Ich sehe ihn manchmal, wenn er den Kinderwagen durch die Stadt schiebt. Wie lange wird er die Entwicklung seines Kindes begleiten können? Sein gleichaltriger Nachbar, ein Deutscher, der ebenfalls ein Kleinkind hatte, ist vor einigen Monaten plötzlich verstorben. Seine knapp dreijährige Tochter wird sich später kaum an ihren Vater erinnern können. Auch Werner macht sich inzwischen Sorgen um seine Gesundheit. Bluthochdruck und Herzbeschwerden machen ihm jetzt schon das Leben schwer. Als ich ihn kennen lernte, das ist erst wenige Monate her, wirkte er schon etwas deprimiert. Ich fragte ihn, ob für den Fall seines Ablebens seine Familie versorgt sei. Er schaute mich einigermaßen verzweifelt an: „Sorry, ich bin jetzt schon am Rande meiner Existenz angekommen. Ohne mich wird meine Frau mit unserem Kind zu ihren Eltern in den Isaan zurück müssen.“ Keine so angenehme Aussicht.
Ich frage mich, warum so viele Senioren nach ihrem Berufsleben nach Thailand kommen und es nicht dabei belassen, eine beglückende Beziehung zu haben. Muss Opa jetzt auch noch ein Kind zeugen, dass eigentlich sein Urenkel ist? Für mich unverständlich. Aber trotzdem: Jeder soll leben wie er will.
Nach vielen Jahren in Thailand habe ich natürlich auch viele Einheimische kennen gelernt. Stets habe ich sie nach ihren Familiensituation gefragt. Dabei habe ich etliche junge Frauen und Männer getroffen, die ihren Vater nur von einem Foto kannten. Sie alle waren in einem Umfeld geboren, dass sie zwang, schon in jungen Jahren Geld für die Familie verdienen zu müssen. Der potente Vater hatte sich längst aus dem Staub gemacht.
Das ist sicher kein typisch thailändisches Problem. Überall kommt es vor, und wer davon betroffen ist, braucht sich über mangelnden Spott nicht zu beklagen. Übrigens hat auch Charly Chaplin noch als Opa Kinder gezeugt. Na und ? Die waren wenigstens versorgt.
Zurück zu Werner: Nach einer schweren Herzoperation ist er vor kurzem nach Deutschland zurückgekehrt. Seine Frau und das Baby leben jetzt wieder im Isaan. Werner ist jetzt 73 Jahre alt. In seiner Altersklasse laufen hier Tausende herum, die ständig darauf aus sind, die große Liebe zu finden. Ich gönne sie ihnen von Herzen und tue ihnen vielleicht Unrecht, wenn ich unterstelle, dass die gesuchte „große Liebe“ meistens darauf aus ist, an ihr Geld zu kommen. Wer sich auf eine Liebesbeziehung mit einem Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis einlässt, wird sich sicher irgendwann fragen müssen, ob sie beide das Gleiche meinen, wenn sie von Liebe sprechen. Klar, ich kenne auch Ausnahmen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mein Sohn ist mit einer Thai verheiratet. Sie haben zusammen zwei Söhne, drei und sechs Jahre alt, leben in Deutschland und besuchen einmal jährlich mich und die Schwiegereltern. Das ist eine glückliche und harmonische Verbindung. Allerdings stammt die Schwiegertochter nicht aus dem Rotlichtmilieu. Sie ist Zahnärztin und wird demnächst auch in Deutschland wieder in ihrem alten Beruf arbeiten können.
Gerade wurde mir zugetragen, dass Werner in einem Berliner Krankenhaus auf der Intensivstation liegt und wahrscheinlich nicht überleben wird. Niemals wird er dann gehört haben, was meine Enkel mir beim Spiel im Pool ins Ohr flüsterten: „Opa, ich habe dich ganz lieb.“ Sie fahren wieder heim. Ich bleibe hier und höre das Gemecker der Farangs, denen hier nichts zu gefallen scheint. Warum leben sie hier? Warum nicht auf Mallorca, in der Türkei oder in Ägypten? Vorhin habe ich einen Satz von Friedrich Hebbel gelesen, der diese Kolumne zum richtigen Abschluss führt:
„Es gibt Leute, die nur aus einem Grund in jeder Suppe ein Haar finden, weil sie, wenn sie davor sitzen, solange den Kopf schütteln, bis eines hineinfällt“.