MH17: Spurensuche im politischen Minenfeld

Foto: epa/Robin Van Lonkhuijsen
Foto: epa/Robin Van Lonkhuijsen

DEN HAAG (dpa) - Wer schoss Flug MH17 ab? Seit zwei Jahren suchen die Ermittler nach Beweisen. Elf Container voller Trümmer sind wie der sprichwörtliche Heuhaufen.

Es ist der 17. Juli 2014. 298 Menschen fliegen mit Flug MH17 der Malaysia Airlines von Amsterdam nach Kuala Lumpur - in die Ferien, zu einem Aids-Kongress, zur Familie oder nach Hause. Um 15:20:03 Uhr explodiert in 10,1 Kilometer Höhe nahe beim Cockpit eine Rakete. Tausende Metallteilchen durchbohren die Boeing. Sie zerbricht und stürzt ab. Alle 298 Menschen an Bord sterben.

Zwei Jahre später haben die Angehörigen noch immer keine Antwort auf die eine Frage: Wer ist dafür verantwortlich?

Der niederländische Staatsanwalt Fred Westerbeke versteht die Frustration. «Zwei Jahre später ist es verständlich, dass Leute sagen: Wird das noch was?» Doch er weiß auch, dass dies keine normale Ermittlung ist. Der Tatort liegt mitten im Kriegsgebiet in der Ostukraine. Und sollten die Beweise auf eine Verantwortung Moskaus weisen, dann kann dies das ohnehin seit der Annektierung der Krim angespannte Ost-West-Verhältnis weiter belasten.

Doch mit leeren Händen stehen die Ermittler nicht da. «Wir sind sehr weit voran gekommen», sagt Westerbeke, der die internationalen strafrechtlichen Ermittlungen leitet. Beteiligt sind auch Australien, Malaysia, Belgien und die Ukraine. Da die meisten Opfer Niederländer waren, leitet das Land auch die Ermittlungen.

Die Ermittler bewegen sich in einem politischen Minenfeld. Russland und die Ukraine machen sich zwar gegenseitig für den Abschuss verantwortlich. Die technische Untersuchung hatte aber den Verdacht erhärtet, dass pro-russische Rebellen für den Abschuss verantwortlich sind.

Der niederländische Sicherheitsrat zur Untersuchung von Katastrophen hatte im Oktober festgestellt, dass die Maschine von einer bodengestützten Luftabwehrrakete vom Typ Buk abgeschossen worden war. Diese soll vom Gebiet der Rebellen aus lanciert worden sein. Moskau hatte diese Untersuchung als nicht objektiv zurückgewiesen - obwohl russische Experten daran mitgearbeitet hatten.

Die strafrechtlichen Ermittler müssen aber mehr tun als die technischen Experten. Sie müssen zweifelsfrei die Schuldfrage beweisen: Wer hat auf den Knopf gedrückt? War es ein Versehen? Wer hat die Rakete geliefert? War auf den Radarbildern deutlich zu sehen, dass Flug MH17 eine zivile Maschine war?

Elf Container mit Trümmern der abgestürzten Maschine waren zum niederländischen Militärflughafen Gilze-Rijen transportiert worden. Manche Teile sind kaum größer als ein Kubikzentimeter, andere bis zu 6000 Kilogramm schwer. Es ist der sprichwörtliche Heuhaufen.

«Alles was wir untersuchen, steht zur Diskussion», sagt der Leiter der kriminaltechnischen Ermittlung, Gerrit Thiry. «Wir haben nichts in Händen, von dem wir sicher wissen, das es wahr und echt ist.» Alles kann schließlich manipuliert worden sein - von jeder Seite.

Die Kriminaltechniker können noch nicht einmal davon ausgehen, dass die Bruchstücke von der Absturzstelle stammen. Denn in den Wochen nach der Katastrophe hatte fast jeder Zugang. Journalisten, Fotografen, Rebellen, Anwohner.

So wurde an der Absturzstelle zwar ein Teil einer Buk-Rakete gefunden. Doch der endgültige Beweis, dass dies tatsächlich auch ein Teil der Tatwaffe war, waren erst kleine Metallteile in den Leichen des Piloten und seiner Copiloten.

Noch immer hat Moskau wichtige Informationen den Ermittlern nicht ausgehändigt. «Wir wollen zum Beispiel gerne Vergleichsmaterial von Buk-Raketen haben», sagte Staatsanwalt Westerbeke kürzlich nach seiner Rückkehr aus Moskau, wo er erneut um Unterstützung gebeten hatte. Die Ermittler haben auch nicht die originalen Radarbilder aus Russland und der Ukraine.

Moskau erklärte sich zur Zusammenarbeit bereit. Die Justiz werde «alle gesetzlich erforderliche Assistenz verleihen, die nötig ist für eine vollständige und objektive Untersuchung», teilte ein Sprecher der russischen Justiz nach dem Besuch der MH17-Ermittler mit.

Im September will Staatsanwalt Westerbeke bekannt geben, mit welcher Waffe geschossen wurde und von welchem Ort aus. Er ist davon überzeugt, dass auch die Täter identifiziert werden. Dann aber stellt sich die nächste große Frage: Werden sie jemals vor ein Gericht gestellt?

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