Deutsche Dschihadisten in Gefangenschaft

Foto: epa/Murtaja Lateef
Foto: epa/Murtaja Lateef

DAMASKUS/BERLIN (dpa) - Zahlreiche Deutsche haben sich in den vergangenen Jahren der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Mit dem Fall der Islamisten in Syrien und im Irak gerieten einige in Gefangenschaft. Nun werden sie zum Problem für die siegreichen Kurden.

Die Kurdenmiliz YPG hat nach eigenen Angaben Hunderte internationale Dschihadisten gefangengenommen. Darunter seien Deutsche, Franzosen, Briten und weitere Europäer, sagte ein Sprecher der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Die SDF werden von der Kurdenmiliz dominiert und kontrollieren große Gebiete im Norden Syriens.

Einige der deutschen inhaftierten Dschihadisten seien bei den Kämpfen um die frühere IS-Hochburg Al-Rakka gefangengenommen worden, sagte der kurdische Militärsprecher. Zuvor war bekannt geworden, dass sich der deutsch-syrische Islamist Mohammed Haidar Sammar in den Händen der Kurden befinde.

Sammar soll der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta, einem der Attentäter vom 11. September 2001, eng verbunden gewesen sein. Der Islamist werde von kurdischen Sicherheitsdiensten in deren Hauptquartier in Rakka verhört, sagte ein Militärsprecher am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Ein hochrangiger Vertreter der Kurdenmiliz YPG berichtete, Sammar sei vor einigen Tagen nach längerer Observation im Norden Syriens festgenommen worden. Zunächst hatte die «Bild»-Zeitung über die Festnahme beichtet. Wie viele Deutsche sich in Händen der Kurden befinden, sagte der Sprecher nicht.

Einem Bericht der Funke-Mediengruppe zufolge sind rund 400 ausländische IS-Kämpfer im Gewahrsam, darunter «einige wenige» Deutsche. Neben Sammar zählten dazu auch jeweils ein Islamist aus Bonn und einer aus dem Raum Frankfurt.

Die ausländischen Kämpfer würden für die Kurdenmiliz zu einem immer größeren Problem, sagte der Sprecher der Kurden. Die Heimatländer kooperierten nicht mit der YPG, wenn es um die Rücknahme der Kämpfer gehe. «Die Länder wollen einfach, dass sie hier bleiben und in Syrien sterben.» Die Kurdenführer stünden in der Frage in engen Kontakten mit den Regierungen, darunter auch der deutschen. «Bis jetzt haben wir noch keine fruchtvollen Ergebnisse erreicht.»

Einige der Kämpfer seien zusammen mit ihren Familien festgenommen worden, sagte ein Sprecher. Sie seien in Sonderzentren untergebracht. Das führe zu hohen Kosten, da sich die Kurden entsprechend intensiv um die Gefangenen kümmern würden.

Das Auswärtige Amt teilte dem Funke-Medienbericht zufolge mit, man habe zwar «Kenntnis von Fällen deutscher Staatsbürger, die sich in Nord-Syrien in Gewahrsam befinden sollen», aber keine eigenen Erkenntnisse. Da die Botschaft in Damaskus geschlossen sei, sei ein konsularische Betreuung der Gefangenen «faktisch derzeit nicht möglich». Im benachbarten Irak sind den Angaben zufolge derzeit zehn Deutsche inhaftiert.

Frankreich hat es zur offiziellen Linie erklärt, dass im Irak oder Syrien gefangene französische Dschihadisten nicht zurückgeholt werden sollen. «Sie sind Franzosen, aber unsere Feinde», sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian im Februar. «Die lokalen Justizbehörden werden über sie urteilen.» Paris will sich nur einschalten, falls eine Todesstrafe verhängt wird. Ausnahme: Kindern von Franzosen, die sich islamistischen Gruppen angeschlossen haben, sollen mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Frankreich geholt werden können.

Kurden-Verantwortliche kritisieren diese Haltung. «Europa hat uns nicht in Afrin geholfen, warum sollten wir uns weiter um eure Gefangenen von Daesch kümmern?», sagte Miskin Ahmad dem französischen Radiosender Europe-1. Daesch ist die arabische Bezeichnung für IS. «Wir haben Tausende Gefangene, und niemand hat uns unterstützt. Wir können alle diese Mitglieder von Daesch freilassen.»

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