THAILAND: Margot Käßmann überrascht auf ihrer Vortragsreise durch mehrere asiatische Länder ihre Gastgeber mit einem ungewöhnlichen Gastgeschenk: einem Martin Luther von Playmobil. Sie hält den Plastik-Luther ins Publikum und sagt: „Wenn Playmobil eine bestimmte Figur auf den Markt bringt heißt das, dass das, was die Figur symbolisiert, in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.“
Mitte der Gesellschaft
Die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD hat sich drei Tage in Bangkok und Pattaya als Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 aufgehalten. 500 Jahre wird es dann her sein, dass Martin Luther seine 95 revolutionären Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg nagelte und damit die Reformation einleitete.
Der Besuch in Pattaya ist der Abschluss des dreitägigen Aufenthalts der 57-jährigen Käßmann in Thailand. In Bangkok nahm sie an einer ökumenischen Begegnung im Haus der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde teil und hielt in der Chulalongkorn Universität auf Einladung der Botschaften Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und der Tschechischen Republik sowie der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Hanns-Seidel-Stiftung sowie der deutschsprachigen evangelisch und katholischen Gemeinde ihren Vortrag „Transforming Society and Spirituality. The Heritage of the 500th Anniversary of Reformation in Europe“.
Ökumene statt Teilung
Die ehemalige Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers erzählt, wie sich die EKD die Feier des 500. Jubiläums denkt: nicht als Geschichte der Teilung sondern der ökumenischen Gemeinsamkeiten von Kirche, als eine Geschichte des Lernens und als ein internationales Event. „Deshalb bin auf dieser Vortragsreise durch Asien“, betont Käßmann.
Zentraler Punkt der Reden Käßmanns aber ist die Botschaft, dass die Werte Luthers – kritisches Denken und das Hinterfragen von Religion und Politik – heute aktueller sind denn je. Durch Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche habe der Klerus die Deutungshoheit über die Heilige Schrift verloren. „In der Chulalongkorn-Universität sagten mir Buddhisten, dass sie Christen darum beneiden, dass sie eine moderne Sprache für ihren Glauben haben. Das ist ein urreformatorisches Thema, die Sprache des Volkes zu finden. Luther hatte dem Volks aufs Maul geschaut.“
Gut 180 Leute sind an diesem verregneten Nachmittag in das Begegnungszentrum in Pattaya gekommen. Es werde viele kritische Fragen gestellt. Viele drehen sich um das Flüchtlingsthema. Die Heftigkeit der Stimmung unter vielen deutschen Expats gegen Flüchtlinge und Muslime überrascht Käßmann. „Ich hätte gedacht, dass Menschen, die selbst im Ausland leben, eher Verständnis für Menschen haben, die als Fremde nach Deutschland kommen. Aber interessanteweise ist hier die Abwehr fast größer als in Deutschland selbst.“
Respekt vor Frauen
Käßmann empfindet ihren kurzen Besuch in Pattaya als interessante, aber auch leicht irritierende Erfahrung. „Es ist einerseits eine besondere Situation in einer Gemeinde zu sein, in der 90 Prozent Männer sind. Andererseits ist es toll, dass ein Kirchenzentrum diese Männer zusammenholt, auch im kritischen Dialog.“ Die Mutter von vier Töchtern räumt aber auch frei ein, dass sie mit dem Sextourismus ihre „Mühe“ hat. „Deshalb habe ich das Frauenbild, den respektvollen Umgang mit Frauen, in meinem Vortrag betont.“