Macron will das Arbeitsrecht ändern

Emmanuel Macron (l.) diskutiert mit CGT-Gewerkschaftsführer Philippe Martinez (r.) im Élysée-Palast in Paris. Foto: epa/Michel Euler
Emmanuel Macron (l.) diskutiert mit CGT-Gewerkschaftsführer Philippe Martinez (r.) im Élysée-Palast in Paris. Foto: epa/Michel Euler

PARIS (dpa) - Jetzt wird es innenpolitisch ernst für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die von ihm ernannte Regierung packt eins der wichtigsten und konfliktträchtigsten Projekte des neuen Staatschefs an: die Änderung des Arbeitsrechts. Es ist die zentrale Bewährungsprobe für Macron - und könnte zu einer riskanten Kraftprobe mit Gewerkschaften werden.

Warum ist die Reform so wichtig?

Sie ist ein zentraler Baustein im Programm des Präsidenten, der vor eineinhalb Monaten sein Amt angetreten hat. Daran wird sich zeigen, ob er seine Reformankündigungen auch umsetzen kann. Damit will die Regierung auch eines der größten Probleme angehen, die dramatisch hohe Arbeitslosigkeit von zuletzt 9,5 Prozent. Das hat auch für Europa Bedeutung: Macron will im eigenen Land Veränderungswillen beweisen, um Vertrauen bei den EU-Partnern zurückzugewinnen und im Gegenzug Unterstützung für seine Vorschläge zum Umbau der Europäischen Währungsunion zu bekommen.

Macron will die Lockerung per Verordnung durchsetzen. Bleibt das Parlament damit außen vor?

Nicht vollständig, aber der Einfluss der Abgeordneten wird eingeschränkt. Der Gesetzentwurf, den das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat, ist eine Art Vollmacht: Das Parlament würde der Regierung das Recht einräumen, die geplanten Änderungen einfach zu erlassen - mit Verordnungen, die vom Kabinett beschlossen und vom Präsidenten unterschrieben werden. Das Parlament legt nur Leitplanken fest, welche Punkte die Exekutive anfassen darf.

Wenn die Regierung die Reform erlassen hat, bekommt das Parlament noch einmal das Wort: Die Abgeordneten stimmen dann darüber ab, ob sie die Reform als Ganzes anerkennen und sie damit zum Gesetz machen. Sie können somit aber nicht bei jedem Detail mitreden. Die Regierung begründet dies damit, dass es schnell gehen soll - die Gewerkschaft CGT spricht aber schon von einer «Verweigerung der Demokratie».

Worum geht es bei der Reform?

Das Arbeitsrecht soll modifiziert werden. Die Regierung will Unternehmern entgegenkommen, die starre Gesetze oft als Hindernis für Neueinstellungen nennen. So sollen Detail-Regelungen häufiger auf Ebene der Betriebe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt werden. Für Entschädigungen bei ungerechtfertigten Kündigungen sollen künftig Ober- und Untergrenzen gelten.

Grundpfeiler wie die 35-Stunden-Woche werden nicht angerührt - Kritiker vor allem von links befürchten trotzdem einen sozialen Kahlschlag. Die Details der Reform sind allerdings noch unklar und die Regierung betont, dass sie erst nach intensiven Beratungen mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden festgezurrt werden sollen.

Droht Frankreich jetzt ein «heißer Herbst» mit Protesten?

Die Gefahr besteht, die CGT hat für den 12. September bereits zu landesweiten Streiks aufgerufen. Schon eine eher moderate Reform des Arbeitsrechts unter Macrons Vorgänger François Hollande hatte 2016 Hunderttausende auf die Straßen gebracht. Die Gewerkschaften in Frankreich sind klein, aber schlagkräftig. Allerdings kann der sozialliberale Staatschef argumentieren, dass er nur seine Wahlversprechen umsetzt. Ganz anders als bei seinem sozialistischen Vorgänger, dem ein Teil der eigenen Partei-Basis Verrat vorwarf. Und die Sommerpause dürfte es Gegnern schwer machen, rechtzeitig großen Widerstand zu mobilisieren.

Trotzdem: Könnte das Vorhaben Macrons Höhenflug beenden?

Das Gesetz ist die erste große Strukturreform nach dem Wahlmarathon, der Macron erst in den Élysée-Palast gebracht und ihm dann eine komfortable Mehrheit in der Nationalversammlung beschert hat. Von daher ist der Einsatz in der Tat hoch - ein harter Sozialkonflikt würde der Aufbruchstimmung einen Dämpfer verpassen. Allerdings gibt es grundsätzlich Bereitschaft für Veränderungen: 47 Prozent der Franzosen sehen laut einer Studie im Auftrag der Allianz die Notwendigkeit für weitgehende Reformen, 38 Prozent wollen «graduelle Reformen». Und Macrons Strategie scheint, das brisante Thema schnellstmöglich abzuhandeln.

Wie ist der Zeitplan?

Das Parlament soll im Juli das Rahmengesetz verabschieden. Die Regierung will nach weiteren Gesprächen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften wohl im September die Reform-Verordnungen erlassen. Danach müsste dann noch das Parlament darüber abstimmen, ob die Reform Gesetzeskraft bekommen soll.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Norbert Kurt Leupi 29.06.17 22:07
Es ist leider zu befürchten ...
Genau , lieber Jürgen ! Kurz und bündig ! Ein Streik ohne wirtschaftlichen Druck , ist kein Streik , sondern nur ein kollektives Betteln ! Darum können gewisse Länder noch etwas lernen von den Franzosen, denn die haben noch " Eier" zum richtig streiken (lahmlegen ) !
Jürgen Franke 29.06.17 21:12
Es ist leider zu befürchten, dass der Höhenflug
von Macron schneller als gedacht, beendet wird. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Gewerkschaften lediglich bei Tarifauseinandersetzungen auf die Straße gehen, machen die, relativ wenigen Mitglieder der Gewerkschaft in Frankreich ihre Politik auf der Straße. Bei alle politischen Entscheidungen, die ihnen nicht passen. lege sie sofort den Verkehr lahm. Es wird nicht einfach werden, in diesem Land längst überfällige Reformen durchzusetzen.