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Foto: vege / Fotolia.com
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Über „ungelegte Eier“ soll man im Regelfall nicht reden, aber das heutige Thema unserer Kolumne ist einfach zu interessant, um es lange hinter dem Berg zu halten. Ab dem 4. Dezember 2015 wird es in Thailand Sammelklagen geben. Jeder, der schon einen John-Grisham-Roman gelesen bzw. einen amerikanischen Gerichtsfilm gesehen hat, kennt die Grundzüge dieser Sammelklagen.

Mit der Einführung von Sammelklagen wird sich die rechtliche Situation in Thailand in den nächsten Jahren erheblich ändern. Die Rechte des Verbrauchers werden in verschiedenen Fällen erheblich gestärkt, die Industrie wie auch viele Gewerbetreibende – ob groß oder klein – müssen sich dieser Rechtslage anpassen und die Einkommenssituation von Anwälten wird wahrscheinlich verbessert, da in der neuen Gesetzgebung zum ersten Mal eine prozentuale Beteiligung vom Wert des zugesprochenen Urteils gesetzlich geregelt wird. Doch der Reihe nach:

David gegen Goliath

Es gab in der Vergangenheit genügend Fälle, in denen eine Vielzahl von Geschädigten ein Unternehmen verklagt hat. Dies war und ist bis heute aufwendig, da jeder einzelne Geschädigte eine Klage einreichen muss und das Gericht demzufolge jeden einzelnen Fall trotz gleicher Sachlage bei allen Geschädigten prüfen muss. Bei Sammelklagen wird es nun möglich sein, diese Gruppe von Geschädigten in einer Klageschrift zusammenzufassen, welche gegen einen oder mehrere Beklagte geführt wird. Die Vorteile von Sammelklagen liegen somit auf der Hand. Die Effizienz eines solchen Verfahrens wird erhöht, die Kosten eines Verfahrens werden auf mehrere Schultern verteilt und sie ermöglichen auch finanziell schlechter gestellten Klägern einen „guten“ Fall zu gewinnen, den sie vielleicht alleine nicht finanzieren könnten. Schließlich ist die Klägergemeinschaft stärker als einzelne Kläger. Dies gilt in dem oft zitierten „David-gegen-Goliath“-Beispiel, bei welchem sich bspw. ein einzelner Kläger gegen ein Pharma- oder Tabakunternehmen und dessen Rechtsanwälten ausgesetzt sieht.

Als Nachteile von Sammelklagen wird oft ausgeführt, dass die Prozessanwälte schneller bereit sind einen Vergleich zu schließen, da sie bis zu 30 Prozent von der zugesprochenen Summe erhalten und der Rest auf die Zahl der Kläger verteilt wird. Es gab und wird Fälle geben, in denen die Kläger dann weniger erhalten als ihr tatsächlicher Schaden beträgt. Ob nun die Vor- oder Nachteile überwiegen, muss man nach dem konkreten Sachverhalt klären. Interessant ist jedoch, dass viele Unternehmen und Gewerbetreibende ihr Handeln überdenken und der neuen Gesetzeslage anpassen sollten. Wir unterstellen nun nicht, dass in Thailand amerikanische Zustände herrschen werden und dies dahingehend, dass Pharmakonzerne ihre Unternehmen aus den USA und Kanada in Länder verlegt haben, in denen es keine Sammelklagen gibt bzw. in Länder, in welchen die Gefahr von astronomischen Urteilssummen reduziert ist. Wir reden hier aber nicht von den börsennotierten Firmen, sondern von möglichen Fällen, die uns jeden Tag treffen können. Dies kann eine Lebensmittelvergiftung in einem Restaurant sein, wenn die heutige Fischlieferung nicht mehr ganz frisch war und das Restaurant mit 80 Plätzen gut besucht war. Das kann der Bauunternehmer sein, der fleißig die Anzahlungen für die Wohnungen entgegengenommen hat, aber dann das Projekt nicht fertigstellen kann und/ oder die finanzierende Bank vorher die Baudarlehen fällig stellt. Dies kann der PKW-Hersteller sein, welcher mangelhafte Teile verbaut hat, die zu zahlreichen Unfällen führen oder der Pharmahersteller, der nicht ausreichend vor Nebenwirkungen warnt. Im letzteren Fall bleibt abzuwarten ob nun endlich Beipackzettel mitgeliefert werden, insbesondere bei den Krankenhausapotheken.

Umweltklagen zulässig

Für Dezember 2015 sind Sammelklagen bei Schadensersatzklagen wegen fahrlässigem Verschulden, bei Vertragsverletzungen und bei Verstößen gegen Umweltgesetze, Verbraucherschutzgesetze, im Arbeitsrecht, im Wertpapierhandel sowie im Wettbewerbsrecht zulässig. Inte­ressant bei den zuletzt genannten Rechtsgebieten, insbesondere beim Umweltschutz ist, dass Verstöße im Umweltschutzrecht bisher nur durch Behörden gerichtlich verfolgt werden konnten. Dies soll nun auch dem mündigen Bürger möglich sein. Zu verdanken ist dies dem gestiegenen Umweltbewusstsein in Thailand und es darf vermutet werden, auch dem Fall in Kanchanaburi, bei dem ein Bergbaubetrieb bleihaltiges Wasser unbekümmert in das Grundwasser hat ablaufen lassen. Ein Dorf in der Nähe hatte daraufhin einen hohen Verlust am Viehbestand erlitten sowie erhebliche Gesundheitsbeschwerden bei den Einwohnern. Neun Dorfbewohner hatten Klage gegen das Bergbauunternehmen eingereicht und das Gericht hatte ihnen 38 Millionen Baht Schadensersatz zugesprochen. Es ist nicht bekannt, wie hoch die gezahlten Anwaltsgebühren waren.

Nach der neuen Gesetzeslage dürfen Anwälte bis zu 30 Prozent der zugesprochenen Summe von ihren Mandanten verlangen. Dies ist ein beachtlicher Prozentsatz, bevor man sich nun aber überlegt, auf dem zweiten Bildungsweg Jura zu studieren, sollte man beachten, dass Thailand kein Geschworenensys­tem hat wie in den USA. Die Geschworenen sind in der Regel dafür verantwortlich, dass man in der Presse von Schadenssummen im dreistelligen Millionenbereich hört. In Thailand muss der Schaden immer noch nachgewiesen werden und da letztendlich der Richter entscheidet, werden die Schadenssummen wohl nicht diese Höhen erreichen. Ungeachtet von den zugesprochenen Schadenssummern und Anwaltsgebühren haben die neuen Dorfbewohner aber etwas geschafft, was es bisher in Thailand nur bedingt gab. Sie haben ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit geschaffen, dass für jeden die gleichen Regeln gelten. Das Bergbauunternehmen hat mittlerweile aufwendige Kläranlagen gebaut und die Zahl der Neuerkrankungen durch Bleivergiftung ging drastisch zurück.

Ein letzter interessanter Punkt ist auch die Einordnung der neuen Regelung in der Zivilprozessordnung. Diese findet sich ab Dezember 2015 nach den Regelungen für das Schiedsgerichtsverfahren. Schiedsgerichtsverfahren sind vor allen Dingen für ausländische Investoren interessanter, da bspw. die Verhandlungssprache und der Verhandlsungsort gewählt werden kann. Doch wie alles im Leben hat dies seinen Preis. Schiedsgerichtsverfahren sind leider nicht für den normalen Verbraucher gemacht, da die Kosten und Gebühren enorm sind. Logische Konsequenz ist deshalb die Einordnung der Sammelklagen im Anschluss daran.

Über den Autor dieser Kolumne

Der deutsche Rechtsanwalt Markus Klemm, zugelassen am Landgericht Stuttgart, schreibt die FARANG-Rechtsberatungs-Kolumne. Zusammen mit Amnat Thiengtham ist er gleichberechtigter Geschäftsführer der Kanzlei Asia LawWorks an der Thepprasit Road in Pattaya, welche auf der Anwaltsliste der deutschen Botschaft aufgeführt ist. Immer wieder geraten Residenten in Streitangelegenheiten mit rechtlichen Folgen. DER FARANG möchte mit dieser Kolumne aufklären, um das Leben in Thailand leichter zu gestalten. Die Law Lounge-Kolumne ersetzt jedoch keine persönliche Beratung. Ebenfalls erfolgt keine Rechtsberatung per Telefon!

Rechtsanwalt Klemm kann per E-Mail: talk2us@asialawworks.com oder telefonisch unter +66 38 411 591 kontaktiert werden.

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